Familiäres Hüttenerlebnis in den Livigno-Alpen Skitouren um das Rifugio Dosdé
Obwohl Skitourengehen zu einem Modesport geworden ist, gibt es noch ruhige Ecken in den Alpen: Im März beginnt die Hochtouren-Saison, für die sich die Livigno Alpen im italienisch-schweizerischen Grenzgebiet besonders gut eignen. Nicht nur, weil nur wenige die Region kennen.
In einer Haarnadelkurve am Foscagno-Pass zweigt das Val Viola ab. Hier beginnt die Entdeckungsreise zum Rifugio Dosdé inmitten einer einzigartigen und jenseits der Region um Bormio auch unbekannten Hochgebirgslandschaft. Das Gebiet liegt zwischen dem Ortler-Gebiet und der Bernina-Berge und hat nicht einmal einen eigenen Namen.
Schneeweiß statt Veilchenblau
Von Veilchen- oder Fliederfarben, was Val Viola wörtlich übersetzt heißt, ist nichts zu sehen: alles ist weiß, Felsbrocken liegen herum, Bäche gluckern unter dem Schnee und haben wilde Tobel ausgespült. Stolze Dreitausender umrahmen das Tal mit zwei Hütten, der Baita Caricc und dem Rifugio Dosdé. Sie ducken sich ins Tal, umgeben von der wilden Bergkulisse. Das Grande Anfiteatro, so nennt Adriano Greco, das Halbrund, in dem seine Hütte, das Rifugio Dosdé, steht.
Schmugglerei macht Muckis
Adriano war Nationaltrainer der italienischen Skimountaineering-Mannschaft. Im Alta Valtellina, der Gegend um Bormio haben die Wettrennen mit Tourenski eine lange Tradition mit sehr spezieller Geschichte, die mit der Lage an der Grenze zur Schweiz zu tun hat: Als es hier mit Skimountaineering-Wettkämpfen losging, so erzählt es Adriano, der damals 16 war, haben die Schmuggler die Siege in den Rennen abgeräumt. Denn sie waren es gewohnt, unter Druck ihre Ware zu schleppen und haben alle Rennen gewonnen. Durch Schmuggeln zum Leistungssport, so heißt das Motto dieses Nests von extremen Skibergsportlern für die das obere Veltlin um Bormio berühmt ist. Heute ist das längst Vergangenheit. Geblieben sind neben der Skitourentradition auch die Kaffeeröstereien im ganzen Veltlin bis nach Tirano, die ebenfalls in den Zeiten der Schmuggelei entstanden sind.
Dolce Vita auf der Hütte
Kaffee, Veltliner Weine und das Essen: Wie meist auf italienischen Hütten zählt auch auf dem Rifugio Dosdé die Küche zu den Höhepunkten dazu. Die Pasta macht er immer frisch, besonders zum Abendessen, bekräftigt Matteo, einer der Söhne, die das Rifugio Dosdé allmählich übernehmen. Ist halt ganz etwas anders als aus dem Supermarkt. Außerdem macht es ihm Spaß, ein bisschen zu experimentieren. Es gibt gut gemachte Malfatti in der Art von Spatzn zu einem Backhähnchen.
Ein Tourengehernest
Am nächsten Morgen ist Rico von der Nachbarhütte Baita Caricc heraufgekommen. Seit bald 50 Jahren ist er mit Adriano hier unterwegs. Sie sind vermutlich die beiden, die in diesem Gebiet am allermeisten gemacht haben. Rico hat seine Tochter dabei. Und Laura erzählt ganz unverkrampft davon, wie sie hier groß geworden ist und dass es heute nach zwei Jahren wieder der erste Tag auf Skiern für sie ist. Sie hat zwei Kinder bekommen, die bleiben, neun Monate und drei Jahre alt, für einen Tag Skitourenauszeit unten auf der Alm bei der Tante. Die Touren und die Hütten, sie sind in dieser weltverlorenen Gegend eine echt italienische Familienangelegenheit. Besonders viel Werbung machen sie nicht. Den Weg hierher muss man also schon selber finden. Aber wer ihn gefunden hat, dem ist die herzliche Gastfreundschaft ebenso sicher wie einsame Touren in einer besonders vielfältigen Hochgebirgslandschaft.