Check-up-35 beim Hausarzt Lohnt sich die Rundum-Untersuchung?
Es wird von der Krankenkasse bezahlt – der Anspruch auf die Untersuchung ist sogar im Sozialgesetzbuch verankert: trotzdem wird der Nutzen der Gesundheitsuntersuchung immer wieder angezweifelt. Nicht nur von Patienten, sondern auch von Experten.
"Ob der Check-up 35 sinnvoll ist oder nicht, ist eine gute Frage, und die lässt sich gar nicht so einfach beantworten"
- Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhl Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Marco Roos ist niedergelassener Allgemeinarzt in Eckental bei Erlangen, und Lehrstuhlinhaber für Allgemeinmedizin an der Uni Augsburg. Er befasst sich auch mit dem Sinn und Unsinn von Check-ups: dabei kann man z.B. die Frage stellen, für wen sie geeignet sind, oder was genau untersucht wird.
Welche Untersuchungen im Check-up enthalten sind, entscheidet in Deutschland ein Gremium, in dem die wichtigsten Player des Gesundheitswesens vertreten sind: der sogenannte "Gemeinsame Bundesausschuss" kurz "G-BA".
"In Deutschland ist der Check-up 35 inzwischen ja alle 3 Jahre möglich, für Menschen ab dem 35. Lebensjahr, oder einmal in dem Zeitraum zwischen dem 18. und dem 35. Lebensjahr. Die haben zum Ziel, dass wir eben frühe Risikofaktoren für die großen Volkskrankheiten, wie Herz-Kreislaufprobleme, Blutzuckererkrankungen, Nierenerkrankungen herausfiltern können."
- Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhl Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Das heißt beim Check-up geht es vor allem um Prävention – auf die einzelnen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen können die Ärzte in diesem Rahmen hinweisen, aber sie sind nicht Bestandteil dieser Untersuchung. Oft verbinden aber Hausärzte, die eine entsprechende Berechtigung haben, das Screening auf Hautkrebs (alle 2 Jahre für Patienten ab 35) mit dem Check-up 35.
Zu zusätzlichen, nicht von der Krankenkasse bezahlten Untersuchungen, siehe unten, Link-Tipps
"Gesundheits-TÜV": Eingreifen, bevor Schäden entstehen
Man könnte die Idee hinter der Gesundheitsuntersuchung mit der Idee vom regelmäßigen "Service Check" fürs Auto vergleichen. Das Problem: ab einem gewissen Alter schleichen sich bei verschleißanfälligen Teilen erste Wehwehchen ein: sinnvoll, das in der Werkstatt durchchecken zu lassen, bevor man auf der Autobahn liegenbleibt.
Bzw. übertragen auf den Menschen: bevor sich aus einem hohen Blutzucker eine Diabeteserkrankung entwickelt, oder aus einem hohen Blutdruck eine Herzerkrankung. Warum es – z.B. beim Blutzucker – so wichtig ist, frühzeitig einzugreifen, erklärt Marco Roos:
"Wenn man an Diabetes mellitus erkrankt, dann entstehen über die Jahre auch Schäden, und das ist das, was es dann in der Therapie so schwierig macht. Diese Intoleranz der Blutzuckerverwertung ist erstmal gar nicht das gesundheitliche Problem, sondern dadurch dass es durch den erhöhten Blutzucker immer höhere Zuckerwerte im Blut gibt, werden auch Organe geschädigt. Klassischerweise sind das so Endorgane wie die Augen, wie die Nieren, natürlich auch die Gefäße, d.h. mit zunehmender Einwirkung eines höheren Blutzuckers steigen dann Risiken für diese Komplikationen des Diabetes , wie dass man erblinden kann, dass die Nierenfunktion deutlich abnimmt, oder dass man auch Herzinfarkte entwickeln kann."
- Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhl Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Check-up: Zeit fürs Arzt-Patienten-Gespräch
Oliver Abbushi, Bezirksvorstand München im Bayerischen Hausärzteverband, ist ein Fan der Check-up Untersuchung. U.a. weil sich hier mal eine Gelegenheit und auch die Zeit für ein ausführliches Gespräch bietet. Das verbessert das Vertrauensverhältnis, und liefert dem Arzt wichtige Informationen:
"Neben der Untersuchung ist für mich ganz wichtig die Befragung der Patienten zu ihrer Krankheitsgeschichte auch in der Familie. Da können wir schon ne ganze Menge Hinweise bekommen, wo wir genauer schauen müssen. Wenn jetzt die Großeltern nen Schlaganfall hatten vielleicht schon mit 60 oder 65, das sind schon Hinweise."
- Dr. med. Oliver Abbushi, Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin, Deisenhofen
Auch die Laborwerte weisen auf individuelle Risiken für die Gesundheit hin: bei Cholesterin und Glukose geht es um Herzerkrankungen und Diabetes, bei den Werten aus dem Urin vor allem um Nierenerkrankungen und auch wieder Diabetes. Volkskrankheiten, die viel mit einem ungesunden Lebensstil zu tun haben: eine Möglichkeit für Hausärzte, ihre Patienten zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren:
Verfehlt der Check-up in der Realität sein Ziel?
Den Patienten die Gelegenheit geben, selbst gegenzusteuern : mit gesünderem Essen, mehr Bewegung, weniger Rauchen: klingt gut. Aber: wissenschaftliche Studien konnten den Nutzen des Check-ups nicht belegen.
"Wenn man die wissenschaftlichen Grundlagen ankuckt, die untersucht haben, führen denn diese Maßnahmen auch dazu, dass wir weniger dieser Erkrankungen, oder weniger katastrophale Herzinfarkte oder so in der Bevölkerung sehen, dann konnte das nie bewiesen werden."
- Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhl Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Ist der Check-up also sinnlos? Experten wie Prof. Roos haben noch eine andere mögliche Erklärung für die Studienergebnisse. Denn Menschen, die zu solchen Gesundheits-Check-ups gehen, ernähren sich statistisch gesehen gesünder, bewegen sich mehr, rauchen weniger. Sie sind sozusagen die "Garagenautos" , die ohnehin regelmäßig und gut gepflegt werden. Sie haben den Service- Check am wenigsten nötig.
Menschen, die nicht zum Check-up gehen, haben – statistisch gesehen – auch mehr Risikofaktoren: ungesunde Ernährung, wenig Bewegung. Tabakkonsum. Eigentlich genau die Zielgruppe, die am meisten vom Service-Check oder Check-up profitieren würde: Weil sie aber nicht hingehen, kann die Statistik auch keine günstigen Effekte messen.
Check-up als Chance für Risikopatienten
Zu wenig Bewegung, zu viel Essen, zu viel Tabak, typisch für viele 40 –bis 60 jährige. Dass das irgendwie nicht gesund ist, ist den meisten klar. Nur allzu menschlich, dass man sein persönliches Risiko dann doch meistens geringer einschätzt, als es tatsächlich ist.
Mit einem speziellen Computerprogramm, in das die Hausärzte einige der beim Check-up erhobenen Werte eingeben, kann das persönliche Risiko, in den nächsten 10 Jahren z.B. einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bestimmt werden. Wenn statistische Werte so individuell und anschaulich präsentiert werden, hat das oft mehr "Wirkung", als abstrakte oder allgemeingültige Gesundheitsempfehlungen.
Eine typische Beratungssituation für einen Ende-50-jährigen (zu wenig Bewegung, zu viel Gewicht, Raucher) könnte dann z.B. so aussehen:
"Jetzt haben wir alle Werte hinterlegt, und da isses so, dass ihr Risiko in de nächsten 10 Jahren einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden, bei 17 Prozent liegt. Wenn Sie sich vorstellen, sie hätten 100 Doppelgänger, dann wären in den nächsten 10 Jahren 18 von einem Herzinfarkt oder Schlaganfall betroffen."
- Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhl Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Marco Roos kann in einer solchen Beratungssituation zeigen, wie stark der Einfluss der Faktoren "Rauchstopp" oder "mehr Bewegung" sich auf das Ergebnis auswirken würde. Seine Empfehlung, für wen sich der Check besonders lohnt:
"Ich glaube eine vulnerable Phase im Leben eines Menschen ist tatsächlich zwischen der 4. und der 6. Lebensdekade, wo sich so ein Wandel einstellt zwischen noch jugendlich im Sportverein tätig gewesen - dann Kinder bekommen, jetzt etwas sesshafter und erfolgreicher, das ist auch meistens die Phase, wo grade Bewegung weniger wird, dafür Gewichte mehr werden, deswegen ist das sicher ein guter Zeitpunkt, hier mal den Hausarzt aufzusuchen und eine Gesundheitsuntersuchung durchführen zu lassen."
- Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhl Allgemeinmedizin, Universität Augsburg
Manche Hausärzte bieten zusätzlich zum Check-up weitere Untersuchungen an, die die Krankenkasse nicht bezahlt, sogenannte "Igel" ("Individuelle Gesundheitsleistungen").
Der Nutzen dieser zusätzlichen Untersuchungen ist umstritten – über Nutzen und Schaden einzelner Untersuchungen, aber auch allgemein von Früherkennungsuntersuchungen können sich Patientinnen und Patienten auf der Seite www.igel-monitor. de informieren. Hier gibt es auch Informationen zu "Individuellen Gesundheitsleistungen":