Adipositas, Übergewicht Tu ich´s ..? Lasse ich mir den Magen verkleinern?
Jeanine ist alleinerziehende Mutter. Die 35-Jährige hat ein Problem: Adipositas. Sie ringt mit einer schweren Entscheidung: Soll sie sich einer Schlauchmagen-Operation, also einer schwerwiegenden Magenverkleinerung, unterziehen?
Jeanine ist 35 Jahre alt, alleinerziehende Mutter und hat ein großes Problem.
"Ich habe aktuell 106 Kilo und leide sehr darunter, wenn ich in den Spiegel schaue, geht es mir dabei schlecht. Das, was ich da sehe, empfinde ich als eklig."
Jeanine
Hoffnung Schlauchmagen-OP: Endlich Gewicht reduzieren
Jeanines Wunsch und Hoffnung: Sie will endlich abnehmen und eine Magenverkleinerung könnte alles ändern! Aber eine Schlauchmagen-OP ist ein schwerer Eingriff und wie bei allen OPs, besteht das Risiko ernster Komplikationen. Janine weiß das.
"Es ist auch alles andere als sicher, dass dann alles so verläuft, wie ich es mir erhoffe. Natürlich mache ich mir Gedanken: Ich weiß, dass nach einigen Wochen und Monaten schlimmer Haarausfall kommen kann, dass eventuell die Haut hängen kann, dass es Risiken während der OP gibt. Noch überlege ich. Tu ich´s, soll ich es wirklich machen?"
Jeanine
Adipositas-Hilfe: Wege aus Übergewicht und Isolation
Menschen mit starkem Übergewicht kämpfen oft mit Stress, Schmerzen und Scham; eine gefährliche Mischung, die Veränderungen des Lebens unmöglich machen. Dass sie außerdem schnell in soziale Isolation geraten, wissen Sabine und Axel Hacker von der Adipositas-Hilfe München e.V. aus eigener Erfahrung. Niemand will sich auf Dauer den wertenden Blicken anderer aussetzen. Auch Jeanine ist dankbar durch den Verein aus der Isolation herauszukommen. Die Adipositas-Hilfe hat dafür Sportangebote im Programm wie zum Beispiel Aquagymnastik – in geschütztem Rahmen.
"Die meisten wollen nicht ins Wasser über Jahre - teilweise kommen die und können nicht gescheit schwimmen. Und deshalb haben wir die Schwimmhalle für uns allein gemietet, damit man diese Angst vor den fremden Blicken nicht haben muss."
Sabine Hacker, Adipositas-Hilfe München e.V.
Abnehmen, aber wie?
Doch es gibt ein großes Problem, das auch Jeanine kennt.
"Man kann nicht nur mit Sport abnehmen, dass funktioniert nicht. Ich weiß schon dass ich weniger Übergewicht habe, wie manch andere. Ich habe das oft zuhören gekriegt: `Du bist doch gar nicht so dick, du brauchst doch keine OP, du schaffst das doch locker ohne…`. Aber jeder hat seinen eigenen Leidensdruck und bei mir ist jetzt einfach der Punkt, wo ich was tun muss."
Jeanine
OP und Alternative Abnehmspritze
Viele Menschen mit Adipositas haben schon Vieles ausprobiert, um Gewicht zu verlieren und dauerhaft zu halten. Dazu gehören zum Beispiel mehrmonatige Kurse zur Umstellung des Lebensstils. Viele nutzen inzwischen Medikamente, wie die seit wenigen Jahren erhältliche Abnehmspritze. Die Wirkstoffe sind zur Behandlung bei Diabetes und seit einiger Zeit auch zum Abnehmen bei Adipositas-Patienten zugelassen.
Gewicht verlieren mit der Abnehmspritze
Die Abnehmspritze gibt es mit inzwischen mit verschiedenen Präparaten. Alle basieren auf einem ähnlichen Prinzip, sie blockieren bestimmte Rezeptoren. Dadurch werden Appetit und Hungergefühl unterbunden, das Sättingungsgefühl setzt früher ein. Bis zu 20 Prozent Körpergewicht lassen sich damit verlieren, bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen wie zum Beispiel Übelkeit. Aber: Die Krankenkassen übernehmen die Kosten bisher nur für Diabetespatienten. Menschen mit Adipositas müssen die Wirkstoffe selbst bezahlen. Ein weiterer Nachteil: Wird das Medikament abgesetzt, verschwindet auch die schließlich gewichtsreduzierende Wirkung. Ob und wie Menschen eventuell mit speziellen Programmen nach dem Absetzen der Medikamente ihr Gewicht trotzdem halten können, daran wird aktuell noch geforscht.
"Also ich weiß, ich könnte das mit der Abnehmspritze vielleicht schaffen. Aber ich habe nicht das Geld dafür, ich bin alleinerziehende Mama. Für mich ist das also nichts, obwohl ich natürlich mit meinem Arzt darüber gesprochen habe."
Jeanine
Schlauchmagen-OP: möglich bei BMI über 40 oder bei Vorerkrankungen über 35
Eigentlich ist sie mit 106 Kilogramm Körpergewicht und einem Body Mass Index, kurz BMI, von 36 kein Notfall. Normalerweise ist laut Leitlinie ein BMI von über 40 Voraussetzung. Dass eine solche OP bei ihr trotzdem möglich ist, hängt mit einem früheren Sportunfall zusammen. Denn verbunden mit gesundheitlichen Problemen ist eine OP schon ab einem BMI von 35 möglich.
"Ich bin früher wettkampfmäßig Trampolin gesprungen,. Und dann bin ich einmal in der Überstreckung aufgekommen. Dann ist der Unterschenkel durch die Kniekehle durch – die Arterie und alle Bänder sind gerissen. Ursprünglich wollten sie mir das Bein abnehmen. Je mehr Gewicht ich habe, desto mehr Schmerzen in den Gelenken habe ich."
Jeanine
Schlauchmagen-OP: Für und Wider
Im Zentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie der Lubos Kliniken in München hat Jeanine ein Vorbereitungsgespräch zur möglichen OP mit Dr. Philipp Kahle. Er erklärt ihr die OP-Technik. Auch die Risiken werden thematisiert. Wer eine Magenverkleinerungs-OP möchte, muss zuvor einen Herz- und Lungencheck absolvieren, ebenso wie eine Magenspiegelung. Auch ein Ernährungsprotokoll und sportliche Aktivitäten sind Voraussetzung dafür. Zu den Hauptrisiken der OP gehören Infektionen im Bauch. Die gefährlichste Komplikation ist eine Thrombose mit einer Lungenembolie. Der Besuch in der Klinik wirkt bei Jeanine nach.
"Dieses `Was passiert, wenn…` beschäftigt mich dann im Nachhinein doch ziemlich. Momentan ist viel los im Kopf: Ist die Entscheidung richtig oder nicht?"
Jeanine
OP und dann? - Zunehmen nach dem Honeymoon?
Nicole hatte ihre OP bereits vor einigen Jahren. Jeanine, die in drei Wochen operiert werden soll, möchte wissen, wie es ihr nach der langen Zeit geht und wie es mit dem Essen klappt. Am Anfang musste auch sie alles pürieren, konnte im Endeffekt aber schon alles essen. Wenn man länger operiert ist, geht wieder vieles mehr, was nach der OP nicht so einfach ist, meint Nicole. Doch es gibt auch Gefahren.
"Ich habe zuerst abgenommen von 156 Kilogramm runter auf 93 ungefähr. Es gibt ja diese Honeymoon Phase, die dauert so eineinhalb Jahre ungefähr, da läuft das Abnehmen von allein und da wirst du dich mega fühlen. Wenn der Honeymoon vorbei ist - und der ist schlagartig vorbei - zack, du stehst auf und der Honeymoon ist vorbei - und dann geht derselbe Käse los, wie vor der OP.
Dann kamen bei mir Schicksalsschläge dazu und dadurch habe ich dann angefangen, nach und nach wieder zuzunehmen. Ich habe den Kopf in den Sand gesteckt, ich habe mich geschämt, und ich kam mir vor wie eine Totalversagerin."
Nicole
Nicoles Leidensdruck ist inzwischen wieder sehr hoch. Sie schafft es einfach nicht, ihr Gewicht zu halten und hat sich deshalb zu einer zweiten Operation entschlossen. Aufgeben ist für sie keine Option. Ein Grundproblem bleibt für Patienten nach der OP: das Thema Essen.
"Ich vergleiche es auch immer gerne mit Suchtkrankheit oder Alkoholismus. Der Nachteil ist: Alles was mit Drogen, mit Alkohol zu tun hat, kann man versuchen aus dem Leben auszublenden. Du kannst aber Essen nicht aus dem Leben ausblenden, du musst ja essen. Und das macht es doppelt schwer. Und dir muss auch klar sein: Essen wird bis an dein Lebensende dein Thema sein. Du wirst nie sagen, ich bin geheilt."
Nicole
Nach der OP: Start in ein anderes Leben
Jeanine ist zur OP entschlossen. Der Eingriff verläuft ohne Probleme. Dr. Philipp Kahle, der sie operiert, ist zufrieden und zuversichtlich, dass Jeanine der Einstieg in ein anderes Leben gelingt.
"Das ist super gelaufen, es gab keine Probleme. Sie wird jetzt abnehmen durch den Schlauchmagen. Ich sage immer ungern ‚neues Leben‘, aber es wird ihr schon viel bringen."
Dr. med. Philipp Kahle, Zentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie, Dr. Lubos Klinik München
"Ich fühle mich noch ein bisschen müde, aber ganz gut und habe keine Schmerzen. Ich freue mich aufs Entlassen werden und auf zu Hause. Und: Ich habe überhaupt kein Hungergefühl. Also dieses Gefühl, zufrieden zu sein, keinen Hunger zu haben, nichts essen zu müssen. Das ist schon ziemlich geil! Es fühlt sich einfach an, als wäre ich pappsatt."
Jeanine
Weil sie noch in der Flüssigphase ist, darf Jeanine anfangs nur flüssig-cremig essen. Nach zwei Monaten wagt sie außerdem etwas Neues: Sie geht zum ersten Mal zum Zumbakurs der Adipositas-Hilfe.
"Zweiundzwanzigeinhalb Kilo sind jetzt weg. Früher konnte ich Sport wie Zumba nicht machen mit meinem Knie. Ich bin echt gespannt, wie es läuft."
Jeanine
Mit Sabine Hacker spricht sie außerdem über das Thema Haut. Denn nimmt man schnell und viel auf einmal ab, ist es für die Haut schwer möglich, sich zurückzubilden. Viele setzen deshalb zusätzliche auf operative Hautstraffungen.
"Ich zum Beispiel bin runderneuert. Ich habe 130 Kilogramm abgenommen. Du kannst dir vorstellen, da war nichts mehr da, wo es hingehört ...
Aber die Arme von Janine sind ja jetzt schmaler als bei mir nach der OP. Ich glaube nicht, dass sie damit ein Problem bekommen wird. Das ist toll!"
Sabine Hacker, Adipositas-Hilfe München e.V.
"Bis jetzt hab ich noch keine Schmerzen, das ist mega. - Ich bin sehr froh, dass ich den Weg gegangen bin, dass ich mich entschieden habe, die Schlauchmagen-OP zu machen. Ich bin superglücklich damit. Mir geht es körperlich und psychisch viel besser! Ich bin viel offener, selbstbewusster und gehe ganz anders durch die Welt."
Jeanine