Ernährung Xylit: Zuckeralternative mit gesundheitlichem Risiko?
Eine neue Studie zeigt: Der Konsum von Xylit könnte das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einen Herzinfarkt erhöhen. Was bedeutet das für Risikopatienten?
Anita Riess ist Diabetikerin und liebt es, Kuchen zu backen. Um auf solche „süßen“ Sünden nicht verzichten zu müssen, verwendet die 80-Jährige keinen klassischen Kristallzucker sondern das Süßungsmittel Xylit, auch bekannt als Birkenzucker. Der bietet gerade Diabetikerinnen wie Anita Riess Xylit Vorteile. Zum einen beeinflusst der künstliche Süßstoff den Blutzucker kaum. Zum anderen hat Xylit 40 Prozent weniger Kalorien als Kristallzucker – und wird deswegen gerne als „gesunde“ Alternative und zum Abnehmen beworben. Doch Xylit birgt womöglich mehr gesundheitliche Risiken als bislang bekannt.
Studie: Xylit mit erhöhtem Risiko für Herzprobleme verbunden
Das ist jedenfalls das Ergebnis einer neuen Studie, die im European Heart Journal erschienen ist. Demnach kann der Konsum von Xylit das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen. Marco Witkowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité in Berlin, hat die Studie geleitet.
"Zu allererst haben wir Blutproben von 1.000 Menschen untersucht und dabei haben wir chemische Stoffe finden wollen, die das Risiko für einen Herzinfarkt voraussagen. Da sind wir ganz zufällig auf Xylit gestoßen."
Dr. med. Marco Witkowski, Facharzt für Kardiologie, Deutsches Herzzentrum der Charité, Berlin
Das internationale Forschungsteam analysierte daraufhin Blutproben von weiteren 2.000 Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten. „Wir haben die Patienten über drei Jahre nachverfolgt. Und wir konnten feststellen, dass die Patienten mit erhöhten Xylit-Spiegeln im Blut ein signifikant gesteigertes Risiko hatten für ein schwerwiegendes Herz-Kreislauf-Ereignis, also Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch Tod“, sagt Witkowski.
Die Forschenden konnten nachweisen, dass Xylit die Reaktivität von Blutplättchen steigert – und das wiederum fördert laut Witkowski die Bildung von Blutgerinnseln.
"In einem letzten Schritt haben wir gesunden Probanden Xylit-haltige Getränke verabreicht, hier konnten wir feststellen, dass die Xylit-Spiegel im Blut deutlich ansteigen und dass sich auch die Blutplättchen-Funktion verändert. Und somit ein erhöhtes potentielles Risiko für einen Herzinfarkt vorliegt."
Dr. med. Marco Witkowski, Facharzt für Kardiologie, Deutsches Herzzentrum der Charité, Berlin
Risikopatienten sollen höhere Xylit-Mengen vermeiden
Xylit ist laut der neuen Studie also keine harmlose Zuckeralternative. Wie sollen also besonders Menschen, die schon ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, künftig mit Xylit umgehen? Ab welcher Menge oder Dosis Xylit potenziell gefährlich sein kann, das wissen die Forschenden noch nicht. Aber Kardiologe Witkowski empfiehlt Risikopatienten schon jetzt, höhere Xylit-Mengen zu vermeiden. Die WHO beispielsweise rate auch mittlerweile davon ab, zum Abnehmen Zuckerersatzstoffe wie Xylit zu sich zu nehmen.
Für den Münchner Allgemeinarzt und Ernährungsmediziner Markus Frühwein steht fest, dass man die Ergebnisse der neuen Studie ernst nehmen sollte, auch wenn die Datenlage noch nicht ganz klar sei und es weitere Studien brauche. Generell aber, egal ob Süßstoffe wie Xylit, Kristallzucker oder Honig: Es liege an der Menge, die man zu sich nimmt.
In höheren Mengen verursache Xylit zudem Blähungen und Magen-Darm-Beschwerden. Auf Basis der Daten der Xylit-Studie sei es sinnvoll, den eigenen Konsum von Xylit oder sonstigen Zuckeraustauschstoffen zu überdenken und die Menge zu reduzieren. Kompletter Verzicht allerdings sei nicht angebracht.
Xylit in der Kariesprophylaxe
Die Lebensmittelindustrie setzt den künstlichen Süßstoff Xylit in vielen Produkten ein. So steckt er beispielsweise in Marmelade und Kaugummis. Aber auch in Zahnpasta und Zahnpflegeprodukten. Denn Xylit hat positive Eigenschaften, sagt der Münchner Zahnarzt Michael Schleißheimer. Es kann vor Karies schützen, da bestimmte Kariesbakterien das Xylit – anders als Haushaltszucker – nicht verstoffwechseln können. Wer Xylit-haltige Zahnpflegeprodukte verwendet und nun verunsichert ist, sollte erstmal Ruhe bewahren. „Für den Risikopatienten ist nach meiner Einschätzung zum Beispiel Zahnpasta momentan eher unbedenklich“, sagt Schleißheimer. Es brauche nun aber weitere Studien, da momentan überhaupt nicht klar sei, welche Dosis überhaupt riskant sei und für wen.