Spielwarenindustrie Nürnberger Tand geht durch alle Land
Wenn sie es nicht schon wäre - man müsste sie dazu machen: Die Stadt der Meistersinger mit ihrem altfränkischen Fachwerk und der Burg bietet genau die märchenhafte Kulisse, die man einer Spielzeugstadt wünscht. Die Gründe, warum Nürnberg als Welthauptstadt des Spielzeugs gilt, sind freilich prosaischer: Kaufmannsgeist, eine große Handwerkertradition und Übung im Umgang mit Zinn und Blech.
Nürnberg hat eine über 600-jährige, ungebrochene Tradition als Stadt der Spielzeugherstellung und des Handels. Schon im Mittelalter war die Frankenmetropole für Spielwaren bekannt. Als ältester Beleg für die Nürnberger Spielzeugproduktion gilt eine bei Grabungen entdeckte Ton-Puppe aus dem 14. Jahrhundert.
Endgültig zur deutschen Spielzeug-Hauptstadt wurde Nürnberg zu Zeiten der Industrialisierung. Im 19. Jahrhundert wurde hochwertiges Blechspielzeug in großen Stückzahlen industriell hergestellt. Internationale Bedeutung erlangte Nürnberg ab 1950 durch die jährlich stattfindende Spielwarenmesse - die größte der Welt. Seit 1971 unterhält die Stadt auch ein eigenes Spielzeugmuseum.
Vom Dockenmacher zum Bobby-Car
Tand
Große Freiheit und kleine Puppen
Am Anfang der Spielzeug-Geschichte Nürnbergs steht der "Große Freiheitsbrief" von Kaiser Friedrich II.: Wer immer in Nürnberg Handel betrieb, zahlte seit 1219 keinen oder nur wenig Zoll. Ein echter Standortvorteil für die Frankenmetropole, die ohnehin an der wichtigsten Handelsroute des Mittelalters lag: Händler, die edle Stoffe und Gewürze aus dem Orient via Venedig nach Nordosten lieferten, passierten Nürnberg - und bald füllten sie die Lücken ihrer Packtaschen mit einigem "Tand" und Spielzeug.
Dockenmacher
Die Dockenmacher aus Nürnberg
Als ältester Beleg für die Nürnberger Spielwarenproduktion gilt eine bei Grabungen entdeckte Ton-Puppe aus dem 14. Jahrhundert. Eine städtische Steuerliste aus dem Jahr 1400 gibt einen weiteren Hinweis auf die Jahrhunderte alte Tradition: In dieser Liste werden zwei Puppenhersteller aufgeführt - die sogenannten "Dockenmacher". Sie gelten damit als die ältesten dokumentierten Spielzeugproduzenten in Europa.
Erzgebirge
Holzspielzeug statt Bergbau
Impulse für die Spielwarenproduzenten in Nürnberg kamen aus der Nachbarschaft: Nachdem sich im 17. Jahrhundert die Silbervorräte des Erzgebirges erschöpften, bildeten verarmte Bergmannsfamilien ihre Fertigkeit im Schnitzen von Holzspielzeug und Weihnachtsfiguren aus. Die wichtigsten Umschlagplätze dieser vergleichsweise billigen Massenprodukte waren die Spielzeugmessen in Nürnberg und Leipzig.
Bestelmeier-Katalog
Als das Kind Kind wurde
Die erste Blüte der Spielwarenproduktion fällt ins 18. Jahrhundert. Spielzeug war ein teurer Spaß, den sich nur der Adel und das aufstrebende Bürgertum leisten konnte. 1793 erscheint der erste Katalog des Nürnberger Spielwarenhändlers Hieronimus Georg Bestelmeier. Wenig später hatte ein Nürnberger Kaufhaus schon über 8.000 Spielwaren im Angebot: hölzerne Steckenpferde, Puppenküchen und Kaufmannsläden.
Zinn
Das Silber des kleinen Mannes
Vor 100 Jahren, als es noch kein Plastikspielzeug gab, waren Blechautos und Zinnfiguren aus Nürnberg der Verkaufsschlager. Seit 1924 gilt eine Figur der Nürnberger Firma Heinrichsen sogar als offizieller internationaler "Gardemaßstab für Spielzeugsoldaten". In Spanschachteln verpackt eroberten die Zinnsoldaten die Spielzeugwelt. Bis heute zählen Figuren wie auch Blechautos zu beliebten Sammlerstücken.
Plastik
Kinderträume aus Franken
Waren Spielwaren im Mittelalter nur "Lückenfüller" der Händler, lebt heute ein ganzer Wirtschaftszweig davon: In ganz Deutschland sind 12.000 Menschen in der Spielwarenbranche tätig, rund 3.000 allein in Mittelfranken. Hier steht die Wiege vieler Produkte: So machen Kinder in aller Welt ihre ersten Fahrversuche auf feuerroten Bobbycars, spielen mit Playmobil-Figuren aus Zirndorf oder mit ihrer Modelleisenbahn "Made in Nürnberg".
Spielzeugzentren in Deutschland
Andere bekannte und wichtige Spielzeugregionen liegen in Thüringen (Sonneberg), im Erzgebirge (Seiffen) und in der Alpenregion (Oberammergau/Berchtesgaden). Da früher die meisten Spielzeuge aus Holz gefertigt wurden, siedelten sich die Hersteller in waldreichen Gebieten an. Neben dem Ausgangsmaterial waren dort auch genügend Arbeitskräfte vorhanden - vor allem im Winter, wenn die Landwirtschaft ruhte.