Bratwurst Die Franken und ihr Nationalgericht
In Nürnberg sind sie acht bis neun Zentimeter lang. In Coburg bis zu 32 Zentimeter und in Unterfranken bringen Kundige sogar Weinbratwürste auf den Teller. Die Wurst gehört zu Franken wie der Knopf zur Hose. Doch wer hat sie zuerst gebraten?
Der Streit um die längste Bratwursttradition dauert schon Jahre: Ältestes Würstchen, älteste Bratwurstküche, älteste Hackfleischdärme – es geht im wahrsten Sinne des Wortes um die Wurst. Thüringer oder Nürnberger, wer war der Erfinder des praktischen Fastfood-Hackfleisch-Röllchens? Galt lange Zeit eine Rezepturkunde der Nürnberger Metzgerzunft von 1595 als ältestes Dokument, warfen die Thüringer nach der Wende eine Rechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters über die Lieferung von Schafsdärmen für Bratwürste aus dem Jahr 1404 in die Runde.
Findiges Ringen um den Entdecker
Franken konterte schließlich mit der Ersterwähnung der Bratwurstküche "Zur blauen Glocke" in Nürnberg im Jahr 1313. Thüringen übertrumpfte prompt mit slawischen Sorben im 7. Jahrhundert, die Hackfleisch in Därmen abgefüllt als Wegzehrung bei sich trugen. Letzter Stand der Wurst: Der Würzburger Bratwurstforscher Heinrich Höllerl will herausgefunden haben, dass die Bratwurst keltischen Ursprungs ist und von den Franken kultiviert wurde.
Wurstvielfalt in Franken
Der Würzburger Bratwurstforscher Heinrich Höllerl
Die Wurst ist in Franken ein Heiligtum: Detailreiche Vorschriften regeln aufs Genaueste Länge, Form und Inhalt. Die Mittelfranken halten's klassisch: gewürzt mit Muskat, Majoran, Salz und Pfeffer, grob gekörnt und gefüllt in einen Schweinedarm. Die Wiege der klassisch-fränkischen Wurst stand Bratwurstforscher Höllerl zufolge in der Gegend um Weißenburg. Von hier aus habe der fränkische Klassiker seinen Weg durch Franken genommen, wo sie in verschiedenen Regionen immer neu variiert und verfeinert worden sei.
Frankens Bratwurstvielfalt - eine Auswahl
Ansbacher
Ansbacher Bratwurst
Die Ansbacher Bratwurst ist bis zu 18 Zentimeter lang und etwa 3 Zentimeter dick. Dadurch bleibt die Wurst beim Braten schön saftig. Hergestellt wird die grobe Wurstfüllung aus reinem Schweinefleisch und ist mit Salz, Pfeffer, Majoran und Piment gewürzt. Das Bratwurstbrät füllen die Metzger in einen speziellen Darm, den sogenannten "Schweinebändel". Am besten schmecken die Ansbacher Bratwürste mit Sauerkraut und Schwarzbrot oder Kartoffeln und natürlich auch mit fränkischem Kartoffelsalat. Und noch was: Ein echter Ansbacher isst seine Bratwürscht - wenn sie auf den Teller kommen - grundsätzlich ohne Senf.
Bayreuther
Bayreuther Bratwurst
Zeigefingerdick, etwa 20 Zentimeter lang, ganz fein, salz- und vergleichsweise fettarm ist die Bayreuther Bratwurst. Muskat, gemahlener Kümmel und Majoran sorgen für den feinen und zurückhaltenden Geschmack. Die Bratwurst ist eine elegante Bratwurst, die leicht zu Essen ist, ohne dass man den Mund zu weit aufsperren muss. Auf dem Grill oder in der Pfanne wollen sie nicht zu heiß behandelt werden. Fertig sind sie, wenn sie oben und unten kross gebraten sind und seitlich einen hellen Streifen haben. Die Bayreuther gibt's immer mit Senft - und mindestens als Pärchen.
Coburger
Coburger Bratwurst
Das Besondere der Coburger Bratwurst: Sie wird auf offenem Feuer über Kiefernzapfen gegrillt - was ihnen ein würziges Aroma verleiht. Die Hülle der Coburger besteht nicht aus Schweinedarm, sondern aus der Fettschicht, die den Darm schützt, dem sogenannten Schleiß. Die Füllung (mindestens 25 Prozent Kalb- oder Rindfleisch) ist ausschließlich mit Salz, Pfeffer, Muskat und Zitrone gewürzt und grob gewolft. Als Bindemittel dient rohes Ei - das ist einzigartig in Deutschland. Serviert wird die Bratwurst in einem vertikal aufgeschnittenen Brötchen - ohne Senf. Mit 31 Zentimetern im Rohzustand gehört sie zu den längsten in Franken. Der Sage nach geht die Länge auf den Marschallstab des "Bratwurstmännlas" auf dem Coburger Rathaus zurück.
Nürnberger
Nürnberger Rostbratwurst
Die Geschichte der Nürnberger Rostbratwurst ist sagenumwoben: Einst saß ein Ratsherr lebenslang im Nürnberger Gefängnis ein. Durchs Schlüsselloch ließ er sich Würste ins Verließ schmuggeln. Deswegen - so die Legende - sind die Nürnberger Bratwürste so klein: Nur sieben bis neun Zentimeter darf sie lang sein. Ihren typischen Geschmack erhält das grob gewolfte Würstchen durch die besondere Majorannote. Nur Bratwürste, die im Stadtgebiet Nürnberg nach vorgeschriebener Rezeptur verwurstet werden, dürfen sich laut EU-Kommission auch "Original Nürnberger Rostbratwurst" nennen. Typischerweise isst der Franke "sechs auf (Sauer-)Kraut" oder im Straßenverkauf "Drei im Weckla" - mit Senft - und niemals mit Ketchup.
Würzburger
Würzburger Bratwurst, Weinbratwurst, "Gnickte"
Dass Wein und Bratwurst zusammenpassen, beweist das Weinland Unterfranken. Die sogenannte Weinbratwurst hat es zwischenzeitlich auch bundesweit zu Ehren gebracht. Gegessen wird die Wurst mit Senf, idealerweise passt ein Schoppen Wein dazu. Noch eine Eigenart: Aus praktischen Gründen wird die Bratwurst in Würzburg geknickt ins Brötchen gelegt. Sie wird daher auch "Gnickte" genannt.
Hofer
Hofer Bratwurst
Sie ist lang und dünn und darf auf keinem Fest in Hof fehlen: Die Hofer Bratwurst wird überwiegend aus fein gewolftem, magerem Schweinefleisch und etwas Rindfleisch hergestellt. Gewürzt sind sie mit Salz, Pfeffer, Muskat und Zitronenschale.
Übrigens: Wie die Bratwurst gehört auch der berühmte "Wärschtlamo" zum Stadtbild von Hof. Er verkauft auf offener Straße aber keine Brat- sondern eine Brühwurst aus einem Messingkessel. Eine Tradition, die bis ins Jahr 1881 zurückreicht.
Nürnberger: klein aber fein
In Nürnberg wurde die Wurst vor allem eins: kleiner. Acht bis neun Zentimeter kurz, gewürzt ausschließlich mit Salz, Pfeffer und Majoran. Ihre im Vergleich mickrige Statur erklärt sich durch den permanenten Fleischmangel im Mittelalter: Die Metzger passten sich der Notlage einfach an und machten die Wurst entsprechend kürzer. Aus der Not wurde eine Tugend: Heute ist die kleine Nürnberger auf Beschluss des Stadtrats und nach langwierigen patentrechtlichen Verfahren auch nach EU-Recht geschützt.
Coburger auf Kiefernzapfen
Zwischen 30 und 32 Zentimeter lang hingegen darf die Original-Coburger sein. Sie enthält Schweinefleisch und Rindfleisch, ausnahmsweise kein Majoran, dafür aber bis zu fünf Prozent Ei. Zudem wird eine echte Coburger auf Kiefernzapfen gebraten. Damit die Würstchen nicht zu klein ausfallen, wacht der Heilige Mauritius hoch oben auf dem Rathaus mit einem Bratwurstmaß in der Hand.
Unterfranken: Bratwurst aus Wein
Dass Wein und Bratwurst zusammenpassen, beweist das Weinland Unterfranken. Die so genannte Weinbratwurst hat es zwischenzeitlich auch bundesweit zu Ehren gebracht. Neuester Clou der Winzer: Sie haben einen Bratwurstwein aus speziellen Rebensorten entwickelt.