Der Bamberger Dom Ein Kraftakt für das Seelenheil
Neun Monate und 15 Tage. Mehr Zeit blieb Suidger, Graf von Morsleben und Hornburg nicht im Amt als Stellvertreter Christi auf Erden. Trotzdem konnte er als Papst Clemens II. bis zu seinem Tod im Oktober des Jahres 1047 einiges bewirken. Damals drohten Ämterverkauf und Vererbung von kirchlichem Besitz Ruf und Vermögen der Kirche zu ruinieren. Clemens II. bereitete den Weg für entscheidende Reformen, denen die Welt unter anderem den Zölibat verdankt. Außerdem ist er wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass wir noch heute den Bamberger Dom bestaunen können.
Der Dombau begann kurz nach der Jahrtausendwende unter Heinrich II., König des Ostfrankenreichs - nicht ohne eigennützige Hintergedanken. Das Andenken nach dem Tod, die memoria, war für die Menschen im Mittelalter von großer Bedeutung. Schon früh war Heinrich allerdings klar, dass die Ehe zwischen ihm und seiner Frau Kunigunde von Luxemburg kinderlos bleiben würde. Statt durch leibliche Nachkommen sollte sein Andenken im Dom bewahrt werden: Durch Gottesdienste, die nicht fürs Volk, sondern zu Heinrichs und Kunigundes Gedächtnis zelebriert werden sollten.
Wie Papst Clemens II. war auch Heinrich II., der 1014 zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt wurde, zeitlebens ein "Fan" von Bamberg. Zumindest verkehrte er gerne in der Babenburg auf dem heutigen Domberg. Auf ihren Fundamenten entstand der Kirchenbau, der gleichzeitig als Grablege für das kaiserliche Ehepaar dienen sollte. Der Dom wurde Heinrichs Lieblingsprojekt, sein zukünftiges Erbe für Kirche und Gott, steingewordene Versicherung für das Seelenheil der Eheleute.
Zur dauerhaften materiellen Absicherung erhielt der Dom schon vor der Fertigstellung Schenkungen von Heinrich. Die Sicherung des Doms und seines Gedenkens sollte auch die Gründung eines Bamberger Bistums absichern, das der König anstrebte – gegen zeitweise erheblichen Widerstand aus dem Klerus. Auf der Frankfurter Reichssynode kam es zur Entscheidung: Beispiellose Demutsbekundigungen, die Heinrich auf der Synode zeigte, machten es den Bischöfen unmöglich, den Wunsch des Königs nach einem neuen Bistum abzulehnen. Am 1. November 1007 stimmten sie schließlich zu, wenn auch zähneknirschend.
Am 6. Mai 1012 wurde der Dom geweiht, an Heinrichs Geburtstag – ein demonstratives Symbol dafür, wie sehr sich der König mit "seinem" Dom identifizierte. Nach Heinrichs Tod 1024 wurde der Leichnam des inzwischen zum römisch-deutschen Kaiser gekrönten Domstifters tatsächlich in dem von ihm gestifteten Gotteshaus beigesetzt. In der Folgezeit rückte Bamberg aus dem Fokus der Herrschenden und verlor rasch an Bedeutung. Dass das umstrittene Bistum nicht doch aufgelöst wurde und der Dom in der Bedeutungslosigkeit versank, ist Clemens II. zu verdanken: Auf eigenen Wunsch wurde er in seinem geliebten Bamberg beigesetzt, in dem Dom, wo er jahrelang als Bischof gewirkt hatte. Das einzige Papstgrab nördlich der Alpen brachte für die Stadt Vorrechte mit sich, die das Bistum dauerhaft vor dem Zugriff von Königen und Klerus bewahrte.
Spätestens seit 1052 ruht Clemens im nach seinem Stifter genannten Heinrichs-Dom. Über das genaue Aussehen dieser ersten Version des Doms ist nicht überliefert. Sicher ist jedoch, dass mindestens zwei verheerende Brände in dem Gotteshaus wüteten. 1185 wurde der Dom so stark zerstört, dass der Bamberger Bischof Ekbert den Abriss der Überreste anordnete. An gleicher Stelle entstand eine größere Nachbildung des Heinrichs-Doms im Stil der Zeit. Diese nach Bischof Ekbert benannte Dom-Version wurde wiederum am Geburtstag Heinrichs II. geweiht, dem 6. Mai 1237.
1.000 Jahre Dom oder doch nur 725?
Wenn man es ganz genau nimmt, ist der Dom eigentlich noch gar keine 1.000 Jahre alt. Schließlich wurde das existierende Gebäude erst 1237 geweiht, also vor 775 Jahren. Der Architekturhistoriker Dethard von Winterfeld begründet die Jahrtausendfeier so: "Sie bezieht sich auf den immateriellen Dom als Idee, genauso wie der Begriff 'Gottes Haus'. Es ist der Ort des Gebets von Klerikern und Gläubigen an dieser Stelle, auch über Zerstörung und Abbruch hinweg." Immerhin: Das Material des abgebrochenen alten Doms wurde für den Neubau verwendet.
Über die Zeit wurden vor allem im Inneren des Bamberger Doms immer wieder Veränderungen vorgenommen, seinen äußerlichen Charakter hat der Bau seither fast unverändert behalten. Unter Fachleuten gehört er kunst- und kulturgeschichtlich zu den bedeutendsten Sakralbauten im deutschsprachigen Raum. Weil er in Spannungsfeld zwischen Spätromanik und Gotik entstanden ist, gilt er als Prototyp des Übergangs zwischen den beiden Baustilen. Ausgestattet mit zahlreichen sakralen und weltlichen Pretiosen aus zehn Jahrhunderten, ist er Zentrum sowohl der archäologischen Forschung als auch des Glaubens: Für das Seelenheil seiner Erbauer Heinrich und Kunigunde wird auch nach tausend Jahren noch gebetet.