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Gezeichnet, geknetet, gebaut Wie ein Zoodesigner Gehege entwirft

Wenn ein neues Gehege gebaut werden soll, haben viele Leute die unterschiedlichsten Einrichtungsideen. Einer muss sie umsetzen: der Zoodesigner. Dafür braucht er einen Buntstift, ganz viel Knetmasse und ein geduldiges Ohr.

Von: Christian Schiele

Stand: 13.04.2012 | Archiv

"Der Besucher soll reingehen und sagen: 'Ich steh in der Wüste!' Er soll die Wüste spüren, fühlen und sie erleben." So stellt sich Tiergartendirektor Dag Encke das neue Wüstenhaus vor. Entstehen soll die trockene Landschaft im alten Flusspferdhaus. Dort waren zuletzt tropische Vögel und Krokodile beheimatet. Durch das feuchtwarme Klima hat die Bausubstanz aber sehr gelitten und nun muss das Gebäude saniert werden.

Der Zoodesigner visualisiert Visionen

Da kommt Martin Schuchert ins Spiel. Er ist seit 20 Jahren Zoodesigner und damit der perfekte Ansprechpartner, wenn es um tierische Einrichtungsideen geht. Die Vision des Tiergartendirektors bringt er bildhaft aufs Papier. Doch bevor er seine Buntstifte zur Hand nimmt, hat er erst einmal jede Menge Fragen: Welche Tiere sollen künftig im Wüstenhaus wohnen? Wie viel darf der Umbau maximal kosten? Außerdem steht das alte Flusspferdhaus unter Denkmalschutz, was die Planung erschwert.

"Ich verstehe von Tieren erst einmal gar nichts"

Martin Schuchert, der während der Planungsphase in Dag Enckes Haus wohnt und somit während der Arbeit immer ansprechbar ist, hört nach seiner Ankunft erst einmal geduldig zu. Dem Direktor, dem Tierinspektor, den Tierpflegern. Sie alle haben bereits Wünsche, Ansprüche und Ideen, wie die Wüstenlandschaft aussehen könnte. Nicht zuletzt weiß das Zoopersonal am besten, was die Tiere brauchen. "Ich selbst verstehe von Tieren zunächst gar nichts", sagt Martin Schuchert. Klar, er sei viel gereist und habe sich Zoos und Naturparks in der ganzen Welt angeschaut, um zu sehen, wie die Tiere dort leben. Aber eine Wüstenlandschaft? Mit Insekten und Säugetieren?

Der Zauber einer "Mistkäferanlage"

Nach einigen Gesprächen und einer Besichtigung des Flusspferdhauses malt Martin Schuchert die ersten Skizzen und Gestaltungsvorschläge. Er pflanzt auf dem Papier die ersten Mauern und Abtrennungen in das Gebäude.  Zeichnet auf, wie der Boden erwärmt werden könnte, auf welchen Wegen die Besucher später durch die Wüstenlandschaft gehen und was sie dabei sehen sollen. Das Wüstenhaus soll eine "Mistkäferanlage" werden, wie Schuchert es nennt. Die Herausforderung besteht nun darin, sie so zu präsentieren, dass es eine zauberhafte Welt wird. "Mit den Insekten wollen wir die Besucher nicht erschrecken. Sie sollen sich vielmehr für deren Lebenswelt begeistern."

Alle ziehen an einem Strang

Wenn die Skizzen fertig sind, schauen die Fachleute aus dem Tiergarten noch einmal darauf. Schließlich muss es am Ende für alle passen: Unterschiedliche wilde Tiere, Besucher und Tierpfleger müssen mit und in der Anlage leben und arbeiten können. Kuratoren, Tierärzte, der Direktor und der stellvertretende Direktor müssen damit einverstanden sein. Viel wird dann wieder aus den Plänen radiert, einiges gelobt, etliches korrigiert. Bis schließlich alle in eine gemeinsame Richtung gehen. Entscheidungen werden immer im Konsens getroffen. "Außer es besteht das Risiko, dass Tiere ausbrechen oder Besucher verletzt werden könnten. Dann verwerfen wir diesen Plan wieder, so schön er vielleicht auch sein mag", sagt Dag Encke.

"Es ist nicht so, dass ich als Designer komme und sage: Das habe ich mir ausgedacht und so wird es jetzt gemacht, Herr Direktor! Sondern die Experten erzählen mir, was sie wollen. Ich male ihnen dann verschiedene Varianten auf, bekomme Feedback und arbeite mit den bevorzugten Varianten weiter. Nach vielen Diskussionen kommen wir dann an den Punkt, an dem ich ein Modell bauen kann."

Martin Schuchert, Zoodesigner

Martin Schuchert knetet das Manatihaus.

Für das Modell setzt sich Martin Schuchert an den Computer - und packt anschließend die Knetmasse aus. "Ich liebe Knetmodelle, weil sie sich leicht ändern lassen und weil sie jeder sofort versteht", so Schuchert. Dafür müsse man nicht Architektur studiert haben und jeder könne sofort sagen, was an dem Modell zu groß oder zu klein ist, ob die Ein- und Ausgänge richtig liegen oder was am Wegesystem noch verändert werden muss.

"Sobald es technisch wird, bin ich weg"

Ist das Knetmodell fertig, dann geht das Projekt für die Bauausführung in Architektenhände. "Größere Projekte wie die Delfinlagune müssen wir ausschreiben, bei kleineren wie dem Wüstenhaus suchen wir uns Architekten, denen wir vertrauen", sagt Tiergartendirektor Dag Encke. Wichtig sei, dass sie aus der Region kommen und damit auch mal schnell in den Tiergarten kommen können, wenn eine Frage auftaucht. Und Martin Schuchert? "Wenn ich Buntstift und Knete zur Seite legen muss und es technisch wird, dann habe ich kein Interesse mehr."

Zur Person: Martin Schuchert

Martin Schuchert arbeitet weltweit als Zoodesigner. Als er vor 20 Jahren angefangen hat, gab es in Deutschland gerade einmal ein Architekturbüro, das sich auf Zoodesign spezialisiert hatte. Mittlerweile sind es vier oder fünf Büros, die hauptsächlich für Zoos arbeiten. Schuchert hingegen arbeitet selbstständig. Zusammen mit seiner Frau, mit der er seit 16 Jahren in Amerika lebt, gestaltet er Zoogehege. Seine Frau war es auch, die ihn überhaupt dazu gebracht hat. "Sie hat mich während des Studiums oft in den Zoo geschleppt. Die Tiere haben mich immer mehr fasziniert und irgendwann wollte ich selbst mitmachen." Mittlerweile arbeitet er an den unterschiedlichsten Projekten: Manchmal ist es ein kleines Aquarium, manchmal der Plan für eine ganz große Anlage. Auch im Nürnberger Tiergarten tragen viele Anlagen seine Handschrift: das Paviangehege, die Nashornanlage, das Mediterraneum, Delinlagune und Manatihaus, aber auch der Kassenvorplatz. Reich mache ihn diese Arbeit zwar nicht, aber glücklich. "Ich komme rum in der Welt und erfahre die tollsten Sachen über Tiere."


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