Neuerscheinungen der Woche Neue Platten von Glass Animals, Denzel Curry, Childish Gambino u. a.
Unsere Neuerscheinungen der Woche im Überblick. Mit Glass Animals, Denzel Curry, Raveonnettes, Beachwood Sparks, Orcas, Victory Lap, Childish Gambino, Soft Play (Ex-Slaves), Blond und Baby You Know
Glass Animals - I LOVE YOU SO F***ING MUCH
Ist das noch die gleiche Band, die der Zündfunk 2014 zur großen 40 Jahre Zündfunk Geburtstagssause in die holzvertäfelten BR Orchesterhallen eingeladen hat? Glass Animals Frontmann Dave Bayley erinnerte sich in einem späteren Interview, das sei der erste richtig gute Gig für die Band gewesen, nach vielen Auftritten in kleinen Konzertschuppen. Zwischendrin, ausgerechnet während der Pandemie, startete das Quartett so richtig durch.
Und nun, 10 Jahre später, kommt das Album „I LOVE YOU SO F***ING MUCH“ – erzählt wie eine episodisch angelegte Serie. Es sind unterschiedliche Geschichten über die Liebe: Die unbeschwerte, die verbitterte, die konkurrierende. Dave Bayley erzählt szenisch. In der Vorabsingle „Creatures in Heaven“ besingt er eine Vogelperspektive („birds eye view of the two of us“), dann folgen filmische Anweisungen („go slow-motion, cut it to black“). Nur ist dieses Album ist mehr charmanter Kassenschlager als edgy B-Movie. Was fehlt, ist die leise Widerspenstigkeit, die den Stil so wundervoll schwer fassen ließ. Eine schnöde Einordnung als „Elektropop“ ist nun gar nicht so falsch. Immerhin hat Dave Bayley textlich keinweswegs nachgelassen und es tun sich spannende Versatztücke auf. Da ist etwa ein Intro, dass doch sicherlich an die Pixies erinnern soll, ein anderer Song flirtet mit der Ära der 60s Girl Groups. Es bleiben gut geschmiedete Popsongs. Und das macht nach ein paar Durchgängen dann doch auch Spaß. (7 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Lost in the Ocean (swamp version)
The Raveonettes – The Raveonettes Sing…
2023 kam das mit den dänischen Indie-Darlings Raveonettes verbandelte Album „Raveonettes Presents – Rip it Off“ heraus. Auf dem andere Artists die Raveonettes coverten. Darunter Indie-Wegbegleiter wie Glasvegas, Depeche Modes Dave Gahan oder die ebenfalls dänische Popmusikerin MØ. Mit der neuen Veröffentlichung wird das Konzept umgekehrt: Auf „Raveonettes Sing…“ covert das Duo Bands, von denen sie beeinflusst worden sind. The Raveonettes waren um liebliche Melodien ja eh nie verlegen, jetzt spielen sie Buddy Holly, die Shangri-Las und die Everly Brothers.
Songs das Letzteren hätten sie schon performt, da waren sie noch gar nicht die Raveonettes, lässt die Band verlauten. Das sei also ein wichtiges Stück auf der Platte. Hall und Shoegaze-Vibe stehen den Versionen gut, auch wenn die große Überraschung bei den Vorabsingles ausbleibt. (keine Wertung)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
All I Have To Do Is Dream
Childish Gambino - Bando Stone & The New World
Wenn er seine Ankündigungen wahr macht, wird Multitalent Donald Glover sein Rapper-Pseudonym Childish Gambino mit diesem Album ablegen. Es folgt dicht auf sein letztes und ist der Soundtrack zu einem Film, in dem Glover die Hauptrolle spielt und für den er auch Regie geführt hat – „Bando Stone & The New World”. Seine Rolle, Typ ehemaliger Popstar, findet sich in einer postapokalyptischen Welt wieder. Seine Überlebensfähigkeiten sind gleich null. Singen kann er. In einer feindlichen Welt eher schwierig, hier im Nachtmix absolut ausreichend. Ein Datum zu Filmstart gibt es derzeit nicht – und das Album ist nicht vorab zu hören. Eine Erwähnung ist es als eine der interessantesten Neuerscheinungen der Woche aber allemal wert. (Keine Wertung)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Childish Gambino - Lithonia (Audio)
Soft Play – Heavy Jelly
Das britische Punk-Duo Soft Play hieß einmal „Slaves“, hat sich dann umbenannt – auch weil der Name respektvoller sein könnte – und bringt nun das erste Album unter dem neuen Namen Soft Play raus. Wobei hier natürlich gar nichts soft ist. Auf „Heavy Jelly“ klingen sie brachial wie immer, nur noch etwas verspielter produziert. Und das Duo beweist Humor. Ein Song etwa besingt die Reaktionen auf den Namenswechsel. Dass sie nicht mehr „Slaves“ heißen, das wäre ohne Rückgrat und hätten sie sich das mit dem Namen nicht vorher überlegen können? Sogar Pop-Legende Robbie Williams singt mit: Das wäre die Kirsche auf dem Kuchen der Wokeness. Soft Play haben einige Jahre gebraucht, bis sie dieses Album nachgelegen konnten. Es gab wohl Verwerfungen in der Band und einen Schicksalsschlag. Die Partnerin von Bandmitglied Laurie Vincent ist verstorben. Privat und künstlerisch musste man sich neu sammeln und aufrappeln. Diese existenziellen Mühen haben sich gelohnt. „Das Album „Heavy Jelly“ führt das Duo gekonnt raus aus dem reinen Punk-Bereich und das ohne aufgesetzte Attitüde oder Allüren. (9 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
SOFT PLAY - Everything and Nothing (Official Video)
Blond – Perlen (Live)
Ein Livealbum herauszubringen, das ist eine breitbeinige Geste, die Bands sich nach vielen Jahren erfolgreichen Bestehens gönnen. Da fällt es auf, dass Blond, eine Band aus Chemnitz, nur vier Jahre nach dem Debüt so ein Live-Album veröffentlichen.
Das Album „Perlen Live“ besteht aus Songs des Studioalbums „Perlen“, plus ein paar andere Songs und Konzertansagen, zwischendrin als Interludes sozusagen. Die sind wirklich nur was für die „Blondinators“ wie die Fans von Blond genannt werden. Die Ansagen sind eben nicht so pointiert wie die Songs. In denen verwurschteln Blond zeitgeistige Themen zu catchy Sing-Alongs über Therapieplätze, Menstruation, sexuelle Belästigung und den prekären Alltag auf Tour. Gerade Songs mit Bezug zu Nachtleben und dem Musikerdasein bekommen live einen weiteren Dreh. Etwa wenn Musikerinnen nicht zugetraut wird, mit ihrem eigenen Equipment vertraut zu sein („Thorsten“). Blond zeigen mit diesem Album natürlich auch einfach, dass sie auch „live können“. Was herrlich in den Kosmos von Blond passt: Sich hin und wieder behaupten, einfach aus Prinzip. Genauso laut sein wie die anderen und unter Umständen noch ein bisschen lauter – warum denn nicht? (6 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Blond - TOXIC (PERLEN LIVE)
Baby You Know – To Live Is To Fly & Clear Water
US-Country-Outlaw Townes Van Zandt ist bzw. war mit dieser Band aus Bayern verwoben, genauso wie die australischen Indie-Folk-Helden The Go-Betweens: Die Band Baby You Know feiert Albumgeburtstag. Anlässlich dazu gibt es Re-Issues des Albums „To Live Is To Fly“ und des Albums „Clear Water”. Vorerst nur digital. Dabei stehen die beiden für völlig unterschiedliche Phasen der Bandgeschichte. „To Live Is To Fly“ – benannt nach einem Townes Van Zandt Song - ist in Aufbruchstimmung entstanden, sagt Bandmitglied Karin Bäumler-Forster heute. Gerade hätte Bandmitglied Michi Schott sein eigenes Studio aufgebaut. Chaotisch war es, es wurde viel ausprobiert.
Zu „Clear Water“ war es ganz anders - Karin Bäumler hatte gerade Robert Forster von den Go-Betweens geheiratet. Der zog in die Land-WG ein und hat das zweite Album mit ihnen aufgenommen – mehr Proben und mehr Ruhe hätte das mit sich gebracht.
Gerade das Album „Clear Water“ führte in den 90ern schon hinaus aus Regensburg und Umgebung. Raus auch aus Bayern, in die Britpoppigen UK und vor allem in die USA, zum Americana. Persönlich führte es die Bandmitglieder in verschiedene Richtungen. Die neuen digitalen Re-Releases aber feiern Baby You Know als Band und als Indie-Folk-Pioniere. Sind nun erstmals im Streaming zu finden.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
In Another Life
Denzel Curry – King Of The Mischievous South Vol. 2
Er ist ein Feature auf dem letzten Album der Glass Animals („Dreamland“): Der Rapper Denzel Curry ist umtriebig und hält Fans auch mal vor, sie dürften von Künstlern doch nicht immer den gleichen Aufguss fordern. Schon klar, wieso er das sagt - Denzel Curry ist extrem vielseitig und schaut über den HipHop-Tellerrand hinaus: Er war Fan der Heavy Metal Band Pantera, hat Rage Against The Machine gecovert, auf einem seiner früheren Alben hört man Popstar Billie Eilish und auf seinem letzten Studioalbum („Melt My Eyez See Your Future“) war Robert Glasper zu Gast, der renommierte Jazz-Pianist. Beeinflusst hat ihn aber auch der Südstaatenrap, der er sich auf seinem neuen Mixtape „King Of The Mischievous South, Vol. 2“ widmet. Unter den Features sind gestandene Kollegen wie 2 Chainz und A$AP Rocky und Newcomer wie TiaCorine, die aktuell auch Pitchfork und der Rolling Stone auf dem Schirm haben. Hier tobt Denzel Curry sich mit einem breitschultrigen Alter Ego „Big Ultra“ aus. Entsprechend nennt er diesen Sound nicht etwa Underground sondern Ultraground, mit düsterer Anmutung.
Derb, aber nicht plump, schließt Denzel Curry schließt an seine Anfänge an. Es ist ein Folge-Werk zu „King Of The Mischievious South Vol. 1“ von 2012, das diesen Mai erst auf Soundcloud hochgeladen und so wieder verfügbar geworden ist. Denzel Curry will seine Discography nicht nachträglich ausbessern. Er will, dass wir seine Geschichte nachverfolgen, zwischen Cloud Rap und dem einflussreichen Subgenre Trap. (9 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
HOT ONE
Orcas – How To Color a Thousand Mistakes
Als Solokünstler machen sie eher experimentelle Musik mit auch mal ausufernden Stücken, als Orcas haben sie sich nach über zehn Jahren wieder zusammengefunden – in New York: die Multiinstrumentalisten Benoît Benoît Pioulard (eigentlich Thomas Meluch) und Rafael Anton Irisarri. Dem Genre Ambient und seinen Freunden bleiben sie zwar auch als Duo treu („Umbra“). Es finden sich aber auch klassischere Dream-Indie-Pop Songs wie die Single „Riptide“ oder das meisterhaft komplex gestrickte „Wrong Way To Fall“.
Produziert hat das Album James Brown, der auch mit den Arctic Monkeys und den Nine Inch Nails gearbeitet hat und vielleicht hat er ja die Songs der Orcas etwas mehr zusammengeschnürt, etwas größer gemacht. „How To Color A Thousand Mistakes“ erzählt mit liebevollem Blick von den Versuchen von uns Menschen, sich irgendwie durchs Leben zu navigieren, zwischen Alltäglichem und Schicksalsschlägen. (8 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Orcas: Next Life
Beachwood Sparks – Across The River Of Stars
Der Albumtitel lässt den Stil schon erahnen: Die Beachwood Sparks machen psychede Lischen Americana. Die harmonischen Liebes-Vibes werden von L.A. aus ins Universum geschickt. Ihr viertes Studioalbum – das erste seit über zehn Jahren - ist hibbeliger als mancher seiner Vorgänger. Hätte man andere ihrer Alben mit „Woodstock-Feeling beschrieben“, klingt diese neue Platte wie eine glühend-nostalgische Erinnerung: Alles noch etwas bunter, noch etwas einmaliger – in fast schon opulentem Stil und mit einem schelmischen Augenzwinkern. In dieser zugänglichen Form ist “Across The River of Stars” einerseits ein Comeback für die Fans und gleichzeitig ein guter Neueinstieg für alle anderen. Ob es denn jetzt für die Band weitergeht, mit Veröffentlichungen? Auf diese Frage könnte die letzte Zeile des Albums “Across The River of Stars” eine Antwort geben: „the music never ends“. (7 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Torn In Two - Beachwood Sparks [Official Video]
Victory Lap – Torch Songs (EP)
Die Everly Brothers könnten auch eine Band sein, die Victory Lap aus Nottingham beeinflusst hat. Das Debüt dieser Fünf ist nostalgisch, aber nicht retro. Sie präsentieren sich als moderne Crooner. Als würden sie weitermachen, wo Alex Turner von den Arctic Monkeys mit seiner Haartolle aufgehört hat. Vor Victory Lap waren einige der Bandmitglieder in Post-Punk-Projekten aktiv. Der Drummer Lawrence English etwa war/ist Teil der Band Kagoule. Die mit dem Genre zusammenhängenden Gefühlswelten hätten sie aber hinter sich gelassen. Mir soll’s recht sein. (7 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Going Steady