Neuerscheinungen der Woche Neue Platten von u. a. Beabadoobee, Jack White und King Gizzard & The Lizard Wizard
Unsere Neuerscheinungen der Woche im Überblick. Mit LA LOM, Beabadoobee, Louis Cole, Metropole Orkest & Jules Buckley, Jack White, King Gizzard & The Lizard Wizard, Quivers, Osees, The Dead Tongues und Amos Lee.
LA LOM - The Los Angeles League of Musicians
Auf dem Sound des Instrumental-Trios LA LOM (LA LOM steht für The Los Angeles League of Musicians) liegt eine unglaubliche Patina, ein schwarz-weiß Filter, der uns direkt ins vergangene Jahrhundert nach Los Angeles katapultiert. In die Zeit, als in den 1950er und 60er Jahren Cumbia und Bolero, die Musik der Chicanos, der Einwanderer aus Lateinamerika, mit Blues und Rock’n’Roll fusionierte. Deshalb sind auch die soulfulen, sehr stilvollen Instrumentals von LA LOM wie gemacht für einen nostalgischen Tex Mex-Movie. Dazu passt auch die Bandgeschichte hervorragend: 2019 haben Zac Sokolow, Nicholas Baker und Jake Faulkner angefangen, fünf Abende pro Woche in der Lobby des historischen Roosevelt Hotels am Hollywood Boulevard zu spielen. Einem Hotel im spanischen Stil, in dem schon Marilyn Monroe zu Gast war und in dem 1929 die erste Oscarverleihung stattgefunden hatte. Mit ihrer Instrumentalmusik sollten LA LOM hier eigentlich nur für eine coole Atmosphäre sorgen. Aber schon bald ging ihr Output weit darüber hinaus. LA LOM begannen, mit den Genres zu experimentieren, die hier, in Los Angeles, in der Vergangenheit aufeinandergeprallt waren und verpassten dem ganzen noch einen ordentlichen Twang (Zac und Jake hatten davor schon in etlichen Rockabilly-Bands gespielt). Kein Wunder, dass Beck und Vampire Weekend schon Fans von LA LOM sind. Und es werden mit diesem Album sicher noch mehr. Mich haben sie damit auf alle Fälle schon mal gekriegt. (8 von 10 Punkten)
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LA LOM - Perform "'72 Monte Carlo"
Beabadoobee - This is how tomorrow moves
Schon einer der ersten Songs von Beabadoobee war ein gigantischer Hit. Wir erinnern uns: 2020 war der Rapper Powfu mit seinem Song „Death Bed“ megaerfolgreich in den Streaming-Charts. Nicht zuletzt dank der darin auftauchenden Britin Beabadoobee und ihrer Ballade „Coffee“. Ab da ging es nur noch bergauf. Der Indierock infizierte „Bubblegum-Grunge“ von Beabadoobee wurde sogar so populär, dass Taylor Swift sie in Nordamerika mit auf ihre große Eras-Tour nahm. Die Erwartungen sind also hoch was Album Nr. 3 angeht.
2019 hatte Beabadoobee einen Song mit dem vielsagenden Titel „I Wish I Was Stephen Malkmus“ veröffentlicht. Damals war die auf den Philippinen geborene und in London aufgewachsene Beatrice Laus aka Beabadoobee gerade mal 19 und großer Pavement-Fan. Überhaupt hatte es ihr der 90’s Indierock angetan, Bands wie die Smashing Pumpkins, die Cardigans, Green Day und vor allem eben Pavement – das waren ihre Idole. Dieses Faible für die 90ies sei schon mit 15 ihr USP gewesen, ihr Alleinstellungsmerkmal in ihrer Bubble, so Laus. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil. Mit Rick Rubin als Produzenten, dem „Visionär mit Rauschebart“, wie Kollege Matthias Röckl den legendären Musikproduzenten in seinem Zündfunk-Portrait genannt hat: Rick Rubin hat Beabadoobees Profil weiter geschärft. Er hat sie nach ihrer Ankunft im Shangri-La-Studio in Malibu all ihre Songideen erstmal akustisch aufnehmen lassen. Um den Kern der Songs freizulegen, das was sie letztendlich ausmacht. Und Laus musste feststellen: das sind ja wirklich gute Songs, die sie da geschrieben hatte. Mit neuem Selbstbewusstsein machte sie sich an die Arbeit, um mit „This is how tomorrow moves“ ihr bisher überzeugendstes Album aufzunehmen.
Wunderbare, mal mehr, oft eher weniger schrammelige Songs mit Killer-Hooks. Songs, die mal an Juliana Hatfield („California“) denken lassen, aber auch an den großartigen Folk-Pop einer Aimee Mann („One time“, „Real man“ …). Und selbst wenn man sich musikalisch hier an die 90ies erinnert fühlt, egal, die Lyrics von Beabadoobee sind zeitlos. Sich selbst zu akzeptieren, nicht mehr anderen die Schuld zu geben an der eigenen Misere, sondern verletzlich zu sein, aber trotzdem erwachsen zu werden, darum geht’s in „This is how tomorrow moves“. Eingebettet in die so intuitive wie pointierte Produktion von Rick Rubin. Damit könnte Beabadoobee endgültig vom Internet-Phänomen zur ernstzunehmenden Singer/Songwriterin werden. (8 von 10 Punkten)
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beabadoobee - Beaches (Official Video)
Louis Cole, Metropole Orkest & Jules Buckley – Nothing
Louis Cole ist Jazz-Schlagzeuger, spielt aber auch Keyboard, Gitarre und Bass. Bisher war er mir immer nur im Zusammenhang mit dem super weirden, Genres wild miteinander kreuzenden Brainfeeder-Label begegnet. Dort hat Louis Cole bereits mehrere Solo-Alben veröffentlicht, u.a. das Grammy nominierte „Quality over opinion“. Außerdem hat er auch auf etlichen Platten seiner LabelkollegInnen mitgewirkt. Zusammen mit Genevieve Artadi ist er dann noch das Electronic-Jazz-Funk-Duo Knower. Auch sehr cool. Aber jetzt macht Louis Cole was ganz anderes, er macht in Klassik …
Zusammen mit dem niederländischen Metropole Orkest unter der Leitung des experimentierfreudigen Jules Buckley hat Louis Cole mit „Nothing“ einen irren Hybriden aufgenommen. Ein super elaboriertes Jazz-Funk-Klassik-Album, das mich sehr verwirrt zurückgelassen hat. Zum einen war ich fasziniert von der unglaublichen Präzision, wie tight dieses gewaltige Orchester agiert, wie unglaublich funky so mancher Track vorbeitanzt – und dann gab es wieder Momente auf „nothing“, in denen mir das Ganze vieeel zu bombastisch, viel zu pathetisch wurde und ich an den Soundtrack zu einem schlimmen Schmachtfetzen denken musste.
Trotzdem, chapeau, Louis Cole! Ein Album wie „nothing“ aufzunehmen, live eingespielt während einer mehrtägigen Tournee durch Europa - dazu gehören nicht nur extreme musikalische Skills, sondern auch sehr, sehr viel Mut … nicht unbedingt durchgehend mein „cup of tea“, aber auf alle Fälle ein großes Spektakel, das es noch mal am 6. Oktober in der Philharmonie in Essen zu bestaunen gibt, leider nicht bei uns im Süden. (7,5 von 10 Punkten)
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nothing (full album) - Louis Cole
Jack White – No name
Bereits am 19. Juli gab es für alle, die in einem Third Man Recordstore (in Nashville, Detroit oder London) eingekauft haben, also in einem Plattenladen von Third Man Records, dem Label von Jack White, geheimnisvolle White-Labels for free. Schon bald war klar, die freundliche Beigabe war nichts weniger als das neue Album von Jack White!
Back to cool. Mit dem rohen, runtergestrippten Blues-Punk von „No Name“ kehrt Jack White zu seinen Anfängen zurück. Ist damit den White Stripes näher denn je. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Zwar war Jack White super aktiv nach dem Ende der White Stripes im Jahr 2011, hat fünf Soloplatten veröffentlicht, war ein Teil von Dead Weather und den Raconteurs. Aber in den vergangenen Jahren hat er mich nie mehr so umgeblasen wie mit diesem Album. „No Name“ ist unmittelbarster Rock’n’Roll. Laut, rau, kompakt. Mit gigantischen Riffs, tollen Melodien, super Songideen. White rappt hier sogar mal, und das mit so viel Elan, dass man in an Dr Dre vermitteln möchte („Archbishop Harald Holmes“). Dazu ist das Ganze umwerfend produziert. Es brizzelt aus den Verstärkern, dass die Garage wackelt. Definitiv mein Favorit in dieser Woche! (8,5 von 10 Punkten)
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Jack White - Old Scratch Blues (Official Audio)
King Gizzard & The Lizard Wizard - Flight b741
Mit „Flight b741“ haben die Psychoholics King Gizzard & The Lizard Wizard ihr 26. Album in 14 Jahren veröffentlicht. Ganz stolz haben die Australier verkündet, diesmal sei es KEIN Konzept-Album geworden, kein, wie zuletzt, apokalyptischer Trash-Metal-Trip für Fantasy Fans und auch kein seltsam verspultes, an Giorgio Moroder und Kraftwerk orientiertes Synthie-Album. Stattdessen hätten sie diesmal einfach nur Spaß haben wollen, die guten alten Zeiten feiern. Die guten alten Zeiten, das ist im Fall von King Gizzard & the Lizard Wizard die Musik, die die Australier in ihrer Jugend hörten: „früher amerikanischer, countrybeeinflusster Rock der 70er Jahre“, so Frontmann Stu Mackenzie. Von der jungen Steve Miller Band und von The Band, daher kämen die Grooves, der wilde und gleichzeitig so coole Country-Rock’n’Roll auf ihrer neuen Platte. Und selbst wenn das natürlich auch schon wieder ein Konzept ist, ist es diesmal ein erfreulich songorientiertes und gut gelauntes Konzept von King Gizzard & The Lizard Wizard. (7,8 von 10 Punkten)
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King Gizzard & The Lizard Wizard - Le Risque (Official Video)
Quivers - Oyster Cuts
Die Quivers, ebenfalls aus Australien (Melbourne), machen unkomplizierten und lässigen Jangle Pop. Mal stehen die Indie-Gitarren („Pink smoke“), mal die Synthies im Vordergrund („Grief has feathers“). Dabei klingen die vier immer, als hätten sie schon viel erlebt und jetzt endlich die Gelassenheit auch darüber zu singen. Z.B. über die Trauer, wenn plötzlich der eigene Bruder stirbt. Über verlorene Lieben, Trennungen und andere Verluste. Schmerzhafte Themen über die die Quivers ein in der Sonne glitzerndes Meer an sanften Harmonien und Endlos-Loops ausbreiten. Eine erstaunlich tröstliche Platte. (7,9 von 10 Punkten)
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Quivers - Oyster Cuts (Official Music Video)
Osees – Sorcs 80
So oft wie die Osees ihren Namen wechseln, man kennt sie z.B. auch als Oh Sees oder Thee Oh Sees, so oft rutschen sie von einem Genre zum nächsten. Haben aber nicht wie King Gizzard & the Lizard Wizard für jedes Album ein neues Konzept, auch nicht für jeden Song. Die Kalifornier switchen sogar innerhalb eines Songs ungeniert von heavy Hardcore zu krautrockender Psychedelik und wieder zurück. Völlig weird, diese Osees bzw. ihr hyperaktiver Frontmann John Dwyer, der die einzige Konstante in diesem wahnwitzigen Projekt darstellt. Ihr letztes Album war etwas synthielastiger, diesmal scheint der Focus auf 80’s Hardcore zu liegen. Wenn man bei einem Mann wie John Dwyer überhaupt von Focus sprechen kann. Hier regiert das Chaos, zum Glück. (7,8 von 10 Punkten)
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OSEES "SORCS 80" FULL ALBUM STREAM
The Dead Tongues - Body of light/I am a Cloud
Ryan Gustafson bzw seine Band The Dead Tongues aus North Carolina sind erstaunlich breit aufgestellt. Die 16 Tracks auf ihrem neuen Doppelalbum reichen von markantem Country-Folk bis zu droneartigen Instrumentals. Slow-Jazz Tracks a la Bohren und der Club of Gore mit unglaublich einsamen Bläser- bzw. Piano-Klängen. Darüber die Stimme von Ryan Gustafson, der von seinen Tagträumen, seinen Reisen ans Ende der Nacht erzählt. U.a. von einer Geburtstagsnacht, die er einsam auf einem Cliff an der irischen Küste verbracht hat („A bridge“). Gespenstische, somnambule Studien in Sachen Langsamkeit. Wir treiben in einem dunklen Ocean of Sound, die Stimme von Gustafson wie einen Leuchtturm im Blick. Soviel zu „I am a Cloud“, meiner Lieblings-Hälfte auf diesem ambitionierten Doppelalbums. Die andere Hälfte, „Body of light“, ist bereits am 14. Juni digital erschienen und ist wesentlich songorientierter, weniger experimentell, mehr oder weniger klassische Folksongs. Seit heute gibt es beide Alben im hübschen Doppelpack. (7,8 von 10 Punkten)
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The Dead Tongues - Where Love All Happened (Official Video)
Amos Lee – Transmissions
Nach zwei Tribute-Alben, einmal mit Songs von Lucinda Williams, einmal mit einer kompletten Neuinterpretation von Chet Bakers „Chet Baker Sings“, gibt es jetzt ganz neues Material vom US-amerikanischen Singer/Songwriter Amos Lee. Aufgenommen hat Amos Lee sein neues Album „Transmissions“ in einem kleinen Studio in Upstate New York. Einem Studio, das sein Schlagzeuger aus dem Holz einer alten Kirche gezimmert hat … die perfekte Umgebung für die intimen Songs von Amos Lee, möchte man meinen. Wegen seiner sanften Stimme, der dezenten Instrumentierung seiner Songs hat man den US-Amerikaner auch schon als „männliche Norah Jones“ bezeichnet. Und tatsächlich beschreibt dieser Vergleich auch „Transmissions“ ganz gut. Super smoother Folk-Soul-Pop, der so weich und flauschig daherkommt, dass man darauf auch ein Neugeborenes legen könnte. Mir persönlich allerdings streckenweise fast etwas zu mellow. (6,2 von 10 Punkten)
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Amos Lee - Carry You On (Acoustic Video)