Neuerscheinungen der Woche Neue Platten von u. a. Rosie Lowe, Die Mausis und Father John Misty
Unsere Neuerscheinungen der Woche im Überblick. Mit Die Horse Jumper of Love, Die Mausis, Rosie Lowe, Pom Poko, Matthew Tavares, Black Sea Dahu, Tama Gucci, Nikka Costa, Father John Misty und Kantereit
Horse Jumper of Love – Disaster Trick
Das Trio von Horse Jumper of Love hat letztes Jahr ein Album rausgebracht, das kann man schon „gediegen“ nennen. Für ihre neue Veröffentlichung haben sie die Lautstärke deutlich erhöht. Die Bostoner sind mittlerweile bei shoegazigen Klängen angekommen und bei Slowcore. Etwas träge mag der erste Eindruck sein und auch wenn der ein oder andere Tempowechsel ganz gut getan hätte: Auf dem fünften Studio-Album „Disaster Trick“ textet Frontmann Dimitri Giannopoulos bestechend offen und ehrlich. Das Album sei für ihn ein Weg zurückzublicken und aufzuräumen mit einer Phase, in dem er selbst keinen Plan für sich gehabt hätte und seinem Umfeld die Verantwortung dafür übertragen wollte.
Und weil die Lyrics trotz shoegazigem Sound gut zu verstehen sind, nimmt er uns mit in seine Gedankenwelt, erwähnt Joni Mitchell und ein Gemälde des Malers Marcel Duchamp – kleine Ankerpunkte zwischen dichtem Sound, auf einem ebenso dichten Album, das gerade eine gute halbe Stunde lang läuft. Und das erste, so Frontmann Dimitri Giannopoulos, an dem er nüchtern und mit klarem Kopf gearbeitet hat. Hat sich gelohnt. (6 von 10 Punkten)
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Horse Jumper of Love - "Word" (Official Music Video)
Die Mausis – In Einem Blauen Mond
Was können wir alle gut gebrauchen in dieser aus den Fugen gerateten Welt? Verständnis und Empathie. Das Duo Die Mausis hat das verstanden und streichelt unsere Seelen. Stella Sommer und Max Gruber, alias Drangsal, haben vor einigen Jahren eigentlich nur zum Spaß zusammengesessen und als Duo den Standard „Blue Moon“ gecovert. Sicherlich nicht zufällig heißt ihr Debütalbum als Die Mausis nun „In Einem Blauen Mond“. Aber so wie Mäuse in ihrer Niedlichkeit auch kleine spitze Zähne haben, ragen aus den Texten immer wieder schmerzhafte Wahrheiten hervor. Im Gegensatz zu der EP, die vor einigen Jahren rausgekommen ist, bleibt das Album nicht auf der Maus-Ebene. Ein bisschen launisch, ein bisschen stoisch akzeptierend kommen die Mausis daher. Ich war bisher skeptisch, ob so ein Projekt von derart krediblen und mitunter auf Lässigkeit getrimmten Musikern nicht ironisch sein muss. Am Ende lachen sich die beiden ins Mäuse-Fäustchen, wenn ich wirklich etwas dabei fühle. Mit diesem Album habe ich die Zweifel beiseitegeschoben.
Mausgesprochen wundervoll spärlich instrumentalisiert ist das folkig-Liedermachige Album von Stella Sommer und Max Gruber – alias Die Mausis. Produziert hat es Max Rieger von den schön widerspenstigen Die Nerven. Und die Band Info zur Vorstellung der Platte hat Anja Rützel geschrieben – die lustige und smarte Journalistin, die alles rezensiert, was auf der Mattscheibe so flimmert. Dass sich so eine illustre Runde einem Projekt wie den Mausis verschreibt, ist herzerwärmend. (8 von 10Punkten)
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In einem blauen Mond
Rosie Lowe – Love, Other
Die Britin Rosie Lowe zeigt sich auf ihrem neuen Album noch vielseitiger als ohnehin schon. „Love, Other“ drängt in mehrere Genre-Ecken des Soul und RnB gleichzeitig - ohne auseinander zu fallen. Oft agierte sie als eine Soul-Discokugel, reflektiert verschiedene Facetten des Genres – auch in Kollaborationen, von der Rapperin Little Simz bis hin zum Produzenten Machinedrum. Das Album „Lover, Other“ ist einerseits Lowe-typisch eklektisch. Manche Songs klingen britisch-clubverliebt – mit 808-Beats oder Garage-Sounds, manche Songs könnte sie allein an einem Klavier in einer Hotelbar performen. Der vielseitige Sound passt zum Inhalt: Auf „Lover, Other“ zelebriert sie die Erkenntnis, dass sie Widersprüchlichkeiten in sich vereint. Andererseits legt Rosie Lowe doch immer wieder Spuren, die alles zusammenhalten. Mitunter ist die Sonne immer wieder Thema, das Tageslicht, Helligkeit und Dunkelheit.
Auch auf dem dritten Solo-Studioalbum von Rosie Lowe klingen die Songs schnörkellos und pur – obwohl gar nicht mal so wenig passiert. Es tauchen andere Stimmen als ihre auf, Schallplattensamples, Field Recordings von Vögeln oder Spaziergängen. Das sind keine effekthascherischen Überraschungsmomente. Rosie Lowe bringt alles gemeinsam zum Klingen. (9 von 10 Punkten)
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Rosie Lowe - In My Head (Official Video)
Pom Poko - Champion
Ich bewundere immer wieder, wie der hohe Gesang von Sängerin Ragnhild Fangel Jamtveit sich zusammenfügt mit diesem nur scheinbar chaotischen Lärm der restlichen drei Bandmitglieder. Das Album „Champion“ ist das erste, das die Vier selbst produziert haben – verloren haben sie sich in der Aufgabe nicht. Sie klingen weniger überbordend und ausschweifend. Das lässt das Album reifer klingen – Fans müssen aber keine Angst haben, Pom Poko tappen nicht in die Falle, sich selbst revolutionieren zu wollen. Sie perfektionieren ihren süßen Post-Punk-Krach lediglich. Nach wie vor klingen die Gitarren, als wollten sie Kunststudenten imponieren, während die Melodien echte Mitsing qualitäten aufweisen. Diese Balance muss man erstmal hinbekommen. Gemischt hat das Album Ali Chant - der auch mit Yard Act, Soccer Mommy und PJ Harvey gearbeitet hat. Die auch immer wieder den Spagat schaffen zwischen imposanten Gitarren und genauso wichtigen Lyrics. (8 von 10 Punkten)
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Pom Poko - My Family [official music video]
Nikka Costa – Dirty Disco
Diese Frau hatte einen außergewöhnlich musikalischen Start ins Leben: Ihr Vater ist Don Costa – der einige Hits von Frank Sinatra arrangiert hat. Das Haus der Familie sei immer wieder voll gewesen von Musikern. Heute ist Nikka Costa selbst berühmt – vor allem für Funk und Soul, hat mit dem Produzenten Mark Ronson gearbeitet, mit Lenny Kravitz und sie wurde von Prince gefördert. Nach einigen Jahren Veröffentlichungspause erscheint nun ihr neues Album „Dirty Disco“.
Das macht Spaß, keine Frage, zwischen den Funk und Disco Avancen der 00er Jahre wie von den Scissor Sisters bis hin zu den Interpretationen des schon erwähnten und legendären Prince: Nikka Costa mischt Disco, Funk und Soul auf ihrem neuen Album „Dirty Disco“. Sie bringt es allerdings etwas spät heraus. Weit hinten auf der riesigen Disco-Welle der vergangenen Jahre. Nachdem von den ganz großen Popstars bis hin zu kleineren Acts so viele erneut unter der Discokugel getanzt und mit den Eindrücken gespielt haben. Laut eigener Aussage will Nikka Costa in die beschwerliche Welt etwas Spaß bringen – und den können wir alle gut gebrauchen – aber mich lässt das Gefühl nicht los, dass die „Dirty Disco“ von einer so starken Performerin wir ihr live mehr hergibt, als in Form eines Albums. (6 von 10 Punkten)
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Nikka Costa - Dance N Forget (Official Music Video)
Father John Misty – Greatish Hits: I Followed My Dreams And My Dreams Said To Crawl
Von seinem neusten Song hat Father John Misty direkt seinen Fans erzählt, bevor alle andere davon erfahren haben: Wer sich für Father John Misty Updates angemeldet hatte, bekam eine Nachricht mit dem Hinweis auf diesen Song und der Ankündigung eines Greatish Hits Albums – also statt „Greatest Hits“ sind es „Greatish Hits“, was dann so viel bedeutet wie: Die so ungefähr großartigen Hits. Ein Beispiel für den Humor von Father John Misty, für den er ähnlich geliebt wird, wie für seine sich immer weiterentwickelnde Musik selbst. Die Kompilation „Greatish Hits: I Followed My Dreams And My Dreams Said To Crawl” umspannt seine bisherigen Studioalben unter diesem Pseudonym. (Keine Bewertung)
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Father John Misty - I Guess Time Just Makes Fools of Us All [Official Audio]
Matthew Tavares – POPS
Matthew Tavares ist Gründungsmitglied der Indie-Jazzer BadBadNotGood – ist vor einigen Jahren dort ausgestiegen und arbeitet seitdem hinter den Kulissen unter anderem mit der gehypten Spanierin Rosalia und Popsternchen Camilla Cabello. Auf seinem neuen Album „POPS“ ist er durchweg und über alle Maßen verknallt. Vielleicht singt er ja als eine neue Pop-Persona?
Jedenfalls schickt er uns an den Strand: Surf-Gitarren, Hall und Sonne. Das wäre eigentlich genau mein Fall – hier aber habe ich einen Hitzeschlag bekommen. Was allein an den Texten liegt. Die Angebetete in diesem vor Love Songs strotzenden Album wird mit lieblosen Platzhaltern beschrieben: Sie ist lovely und sweet und kind und natürlich always on my mind. Einige Liebesschwüre mehr singt und flüstert Tavares uns ins Ohr – das soll romantisch sein – und wirkt doch zudringlich. Die einzige Ausnahme ist der finale Song, der seiner verstorbenen Mutter gewidmet ist. Dabei drückt er instrumental genau die richtigen Knöpfe – der Sound ist pointiert und bewegt. Tavares weiß genau, was er tut. Aber dieses Pop-Experiment geht für mich leider nicht auf. (5 von 10 Punkten)
Tama Gucci – Notes To Self
Diese Woche kommt ein großer RnB-Release auf uns zu: Von der US-Amerikanerin Tinashe, die den RnB aktuell ordentlich aufmischt und tatsächlich auch selbst mischt und produziert. Aus derselben Genre-Ecke kommt noch ein vielversprechendes Album, auf das ich mich freue: Das Debüt von Tama Gucci. „Notes To Self“.
Der Künstlername „Tama Gucci“ - ein Wortspiel aus dem Spielzeug der 90er Jahre Tamagotchi und der Luxusmarke Gucci. Dieses zusammen gesammelte und neu zusammengestellte, das ist stilbildend für ihn. Das Video zum Song „Runaway Pup“ ist eine einzige Referenz auf Michael Hanekes brutalen Kult-Film „Funny Games“ – der Song selbst dagegen wartet mit grungigen Gitarren und smoothen R’n’B-Gesang auf.
Tama Gucci ist schwarz, queer und war Teil der Rave-Szene von Florida. Den Club-Appeal haben seine Songs behalten, auch wenn sie vordergründig vor allem von 00er Jahre Pop und RnB beeinflusst sind – hemmungslos romantisch und verletzlich. Kymani Floyd, wie Tama Gucci bürgerlich heißt, hat alle Songs selbst produziert. Vorab konnte ich das Album leider nicht hören. (Keine Bewertung)
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Tama Gucci - Didn't Have To (Official Lyric Video)
Black Sea Dahu – Live in Zürich und Bern
Diese Band hat sich einen Ruf als hervorragender Live Act erspielt: Black Sea Dahu veröffentlichen konsequenter Weise nun ein Live-Album. Mit ihrem Indiefolk touren die hippie-esquen Schweizer um Songschreiberin und Frontfrau Janine Cathrein und ihre Geschwister immens viel. Das Streichquartett Amour Sur Mars fügt live den Versionen einiger Songs elegante Dramatik hinzu und spürt den Streichern nach, die auf dem zweiten Album „I Am My Mother“ Einzug gehalten haben. Dabei sind einige Songs ohnehin schon Wirbelstürme, die die Achterbahn des Lebens nachzeichnen. Ein gelungenes Album von einer Band, deren Name ohnehin öfter fallen sollte. (7 von 10 Punkten)
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Black Sea Dahu - Affection feat. Amour sur Mars (Live at Dynamo Zürich 2023)
Kantereit - ep #1
Father John Misty hat seine musikalische Karriere als Schlagzeuger in einer Band begonnen. Und der Schlagzeuger der erfolgreichen Kölner Band AnnenMayKantereit bringt gerade seine erste Solo-EP raus. Die anderen beiden Gründungsmitglieder sind solo schon umtriebig gewesen – jetzt ist er dran: Severin Kantereit veröffentlicht seine Debüt-EP unter seinem Nachnamen – Kantereit.
Er mag wohl klare Botschaften. Seine EP heißt: „ep #1“ und im Musikvideo zum Opener „control.“ sieht man ihn, wie er in seinem Studio am Equipment werkelt, Instrumente einspielt, die Aufnahmen dann bearbeitet. Soll also heißen: Dieser Mann werkelt Tag und Nacht und diese EP ist ein Herzblutprojekt und kein Neben-Quatsch eines erfolgsverwöhnten und gelangweilten Musikers. Hätte ich nach dem Hören allerdings auch nicht gedacht. Die elektronischen Tracks sind detailverliebt und die sich Mantra artig wiederholenden Lyrics schmiegen sich an. Melancholisch-Clubtauglich und Haken schlagend. (7 von 10 Punkten)
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KANTEREIT - control. (official music video)