Bayern 2 - radioWissen


1

Das Thema Die Entdeckung

Stand: 16.02.2012 | Archiv

Die indische Lotus-Blume gilt als Symbol der Reinheit, makellos sauber erheben sich ihre Blätter auch aus schlammigen Gewässern. Im Buddhismus wie im Hinduismus spielt das Gewächs deshalb eine wichtige Rolle. Lange Zeit rätselten Forscher, warum Lotusblätter nicht verschmutzen und selbst Öl und Farbe ihnen nichts anhaben können.

Die Korrektur eines Irrtums - Barthlott und der Lotus-Effekt

In den 1970er Jahren setzte der Bonner Botaniker Wilhelm Barthlott die Rasterelekronenmikroskopie gezielt zur Erforschung pflanzlicher Oberflächen ein. Barthlott und sein Mitarbeiter, Christoph Neinhuis, fanden heraus, dass Lotusblätter nicht, wie man lange Zeit annahm, besonders glatt sind, sondern eine Mikro- und Nanostrukturierung aufweisen.

Es zeigte sich, dass die mikrostrukturierte Blattoberfläche der Lotus-Blume über eine äußere Zellschicht verfügt, auf der sich kleine Erhebungen, eine Art Noppen, befinden. Zusätzlich überziehen feine, Wasser abweisende Wachskristalle im Nanometerbereich das Blatt. Treffen Schmutzpartikel auf das Lotusblatt, liegen sie nur auf den Oberflächenerhebungen auf. Somit ist ihre Kontaktfläche mit der Blattoberfläche gering, entsprechend spärlich sind die Adhäsionskräfte. Der Schmutz kann kaum haften und wenn es regnet, perlen die Wassertropfen ab. Sie reißen die Schmutzpartikel mit sich und der Dreck ist weg.

Saubere Oberflächen halten den Lotus gesund

Bei diesem Vorgang sind die Haftkräfte zwischen dem Wassertropfen und dem Schmutzpartikel größer als zwischen dem Schmutzpartikel und der Wachsschicht. Folglich haften die Partikel an der Wasseroberfläche. Der Lotus-Effekt ist ein wichtiger, von der Natur "gewollter" Schutzmechanismus der Pflanze, die andauernd von Pilzporen, Bakterien oder Algen bedroht wird. Die Selbstreinigung verhindert, dass sich ein Krankheitserreger auf der Oberfläche festsetzt. Sporen werden bei jedem Regen abgewaschen und falls über einen längeren Zeitraum Niederschläge ausbleiben, können sie mangels Flüssigkeit auch nicht keimen. Ein weiterer Vorteil der Selbstreinigung: Eine saubere Blattoberfläche erleichtert die Photosynthese, also die Energiegewinnung aus Sonnenlicht.

Der Selbstreinigungseffekt, den Barthlott auch bei Kohl, Schilf, Akelei, Tulpe und Kapuzinerkresse feststellte, war entschlüsselt. Bei Versuchen zeigte sich, dass sogar zähflüssiger Honig und Klebstoffe, wenn sie wie "Uhu" auf Wasserbasis hergestellt werden, nicht haften blieben, sondern vollständig vom Blatt abliefen. An Tieren, z. B. an Libellen- und Schmetterlingsflügeln, konnte die Selbstreinigung ebenfalls nachgewiesen werden.


1