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Das Thema Der Zufall

Stand: 29.06.2012 | Archiv

Verwundete Soldaten mit Kopfbedeckung in einem Lazarett um 1914 | Bild: picture-alliance/dpa

Der oft beschworene Zufall steht auf soliden Beinen. Ab 1901 studiert Fleming an der Medical School am St. Mary's Hospital in London, die als universitärer Ausbildungs- und Forschungsstandort einen ausgezeichneten Ruf genießt.

Auftakt: Ein Bakteriologe findet sein Lebensthema

Fleming fällt unverzüglich auf. Er gilt als brillanter Student, arbeitet hart, beobachtet genau und heimst so ziemlich jeden Preis, jede Medaille, jedes Stipendium ein. 1906 schließt er mit einem Prädikatsexamen ab und wird Assistent im Labor der Impfabteilung. Sein Chef, Mentor und Lehrer ist Sir Almroth Wright (1861-1947), eine anerkannte Größe auf dem Gebiet der Bakteriologie. Unter Wrights Anleitung steigt Fleming intensiv in die Erforschung mikrobieller Entzündungen ein, publiziert wissenschaftliche Aufsätze und hält Lehrveranstaltungen ab.

Prägende Kriegserlebnisse

1914 bricht der Erste Weltkrieg aus. Fleming und Wright dienen seit Beginn der Kampfhandlungen als Militärärzte in Boulogne-sur-Mer. Die französische Hafenstadt ist ein wichtiger Stützpunkt der britischen Armee, die hier in zahlreichen Lazaretten ihre Verwundeten versorgt. Vier lange Jahre stehen Fleming und Wright an der heimlichen, inneren Front des Krieges, an den Krankenbetten, in denen verletzte Soldaten trotz überstandener Operation an Wundinfektionen krepieren. Fleming wird Zeuge des Siechtums und der medizinischen Hilflosigkeit. Gemeinsam mit Wright fahndet er nach den Auslösern der meist tödlich verlaufenden Blutvergiftungen und identifiziert schließlich die gebräuchlichen Antiseptika als eine Hauptursache: Sie schädigen das Immunsystem der Patienten weitaus mehr als die bakteriellen Erreger und vereiteln so den Heilungsprozess. In einer Denkschrift drängt Fleming die Militärchirurgen, Desinfektionsmittel sparsam einzusetzen und stattdessen abgestorbenes Gewebe möglichst umfassend zu entfernen, um den Bakterien jeglichen Nährboden zu entziehen. Aber er predigt tauben Ohren, seine Warnungen verpuffen wirkungslos. Das wird sich wiederholen.

Nachhall der Fronterfahrung

1919 kehrt der mittlerweile 37-Jährige nach St. Mary's zurück. Er steigt zum stellvertretenden Direktor des Impflabors auf und hat sein Lebensthema gefunden: Während der folgenden Dekade konzentriert er sich, angestachelt durch seine Lazaretterlebnisse, energischer denn je auf die Erforschung antibakteriell wirksamer Substanzen. Ein erster Treffer gelingt ihm 1922 mit der Entdeckung des Lysozyms.


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