Punk gegen Kapitalismus Wie die Band Deutschland GMBH die post-pandemische Wut der Gen Z bündelt
Punk is not dead, sondern politischer denn je. Das beweist das neue Münchner Szene-Phänomen „Deutschland GMBH“. Warum die Band um Sänger Max Mustermann vor allem jüngere Fans mit ultrapolitischem Punkrock anzieht – und sogar den Pogo neu erfindet.
Das Konzert beginnt ganz leise. Da ist nur ein Sitarspieler. Im kurzen Rock, bauchfreier, schwarzer Weste und mit einer weißen Sturmhaube. Dann kommt Antoinella, Rosenkranz im Haar, rote Schminke, die tränenartig von den Augen an den Wangen hinunterläuft. Die Keyboarderin sieht aus, als wäre sie die Anführerin einer Sekte. Ein bisschen wie eine Kultistin im Film Midsommar von Ari Aster. Zu diesen Klängen füllt sich der Münchner Club Import Export bis zur letzten Reihe. Und plötzlich eskaliert das Konzert der Band Deutschland GMBH.
Wie die Band Deutschland GMBH entstanden ist
Hunderte Anfang-zwanzigjährige tanzen jetzt Pogo. Für ein Punkkonzert ein ungewöhnlich junges und weibliches Publikum. Das war bei der Bandgründung eigentlich noch nicht vorherzusehen. Denn da war noch Lockdown, erzählt Deutschland GMBH-Sänger Max Mustermann. Aber man habe damals schon gespürt, dass man einen Nerv trifft. „Weil wir einfach gemerkt haben, dass so viele Leute unglaublich darunter leiden, wie es gerade vor sich geht. Rechtsruck, ein extrem kapitalistisches System und die Menschen arbeiten sich zu Tode in ihren Vollzeitjobs", sagt Max.
„Aufrüsten für den Frieden“
Seine „linkspolitische Linie“ sieht man Max direkt an, er sieht fast schon klischeehaft aus. Schwarzer Iro, Unterlippenpiercing, Tattoos am ganzen Körper, auch im Gesicht. Anfangs habe er sich gefragt, ob man politische Themen überhaupt im Partykontext thematisieren könne. „Wir sagen ganz klar: Ja!“, findet Max. Einer seiner liebsten aktuellen Songs heißt zum Beispiel „Aufrüsten“. Max zitiert: „Kalter Krieg in heißen Zeiten, Angst vor Terror, Hass verbreiten. Nur Waffen können richtig lieben, Aufrüsten für den Frieden.“ Auch das Konzert unterbricht Max immer wieder mit politischen Ansagen: „Wir dürfen nicht vergessen, dass die europäischen Außengrenzen weiterhin die gefährlichsten Außengrenzen der Welt bleiben.“ Es folgt der Deutschland GMBH-Song „Kein Sex mit Frontex“.
Menschenpresse und die Ästhetik des Bösen
Die Songs von Deutschland GMBH liegen irgendwo zwischen Punkrock, Deathmetal, Techno und Neue Deutsche Welle. Für Keyboarderin Antoinella ist es erst das dritte Deutschland GMBH-Konzert. Sie war früher Fan, jetzt spielt sie in der Band mit. „Mein Lieblingssong ist ‚Menschenpresse‘. Das kann man interpretieren, wie man will. Ich persönlich interpretiere es mit Leistungsdruck“, sagt sie. Die Menschenpresse steht bei Deutschland GMBH außerdem für die Wall of Death, ein zentrales Pogo-Element: Alle rennen erst auseinander und dann wieder aufeinander zu.
Besonders wichtig sind ihnen außerdem die Kostüme. Um die kümmert sich Gitarrist Jonas, der Bühnenbild studiert. Manchmal trage die Band Anzüge und spiele kapitalistische Firmenbosse. „Es kann aber auch sein, dass wir Gasmasken und Nieten tragen und abstrakte, böse Wesen darstellen. Oder so etwas wie Sicherheitspolizei“, sagt Jonas. Man wolle mit der „Ästhetiken des Bösen“ spielen.
Deutschland GMBH vs. Greenpeace?
Zum Gründungsmythos von Deutschland GMBH gehört auch eine Geschichte, die sich letztes Jahr auf dem Münchner Odeonsplatz ereignet haben soll. Bassist Jim erinnert sich: „Es gab eine Aktion von Greenpeace zur Feier der Schließung des letzten Atomkraftwerks.“ Auf dieser Feier treten Deutschland GMBH auf, wohl weil die Organisatoren noch eine Band brauchten. Wie immer mit besonderen Kostümen. „Laboranzüge, Pest-gelb, und dann sind wir mit Gasmasken und Sirenen fett auf die Bühne“, erzählt Schlagzeuger Leon. Aber, so ganz schien den Verantwortlichen das Konzept der Band nicht klargewesen zu sein. „Spätestens, als ich darauf hingeweisen habe, dass SUVs auch brennen können und dass Häuser auch besetzt werden können, war es den Beamten vor Ort auch ein bisschen to much“, sagt Max.
Es habe dann geheißen, die Band sei zu laut, deswegen müsse man jetzt aufhören. Auch von linksextremer Propaganda sei die Rede gewesen. Aber die Fans lassen nicht zu, dass das Konzert abgebrochen wird, versperren den Beamten wohl den Weg zu Bühne. So jedenfalls geht die Legende.
Wie Deutschland GMBH mit Verschwörungstheorien spielen
Ebenfalls wichtig für die Band: Dass sie mit dem Bandnamen bewusst Verschwörungstheorien umdrehen. Die Erzählung der „BRD-GmbH“ komme eigentlich aus dem Reichsbürgermilieu, sagt Gitarrist Jonas: „Die Verschwörungstheorie besagt, dass Deutschland nie ein souveränes Land geworden ist nach dem zweiten Weltkrieg, sondern eine Firma ist. Und wir sind Angestellte der Deutschland GmbH.“ Die Absurdität solcher Theorien ärgert die Band, auch weil reale Probleme, die ihnen zu Grunde liegen so schwerer diskutiert werden können. „Da ist ja ein bisschen Wahrheit drin: Geld regiert dieses Land“, sagt Jonas. Worum es also geht: Etwas Hilfreiches aus der Verschwörungstheorie herausfiltern – und Antikapitalismus so entschwurbeln.
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DEUTSCHLAND GMBH - LÄRMSKLAVE
Warum die Band die Gen Z für Punk begeistert
Was an diesem Abend im Import Export besonders junge Menschen begeistert. Für Max Mustermann ist die Deutschland GMBH ein Katalysator für die post-pandemische Wut, den Frust mit der Weltlage und mit der immer größer werdenden Ungleichheit. Eine aussichtslose Zukunft für die Generation Z. Aber Deutschland GMBH wollen es anders machen als die „Sauf-Punks“ von früher. Damals sei Punk „No Future“ gewesen. In Zeiten wie diesen gehe es für das Genre aber jetzt mehr denn je darum, sich politisch zu positionieren. Und so wird im Import Export bis Mitternacht weiter Menschenpresse getanzt.
Am 14.12. präsentiert die Band dann ihr neues Album gleich nebenan, im Kulturzentrum Zirka.