Medizinischen Wearables Bluetooth-Fehler bei Glukosemessgeräten
Viele Diabetikerinnen und Diabetiker nutzen digitale Glukosesensoren, die mit dem Handy verbunden sind. Ist der Blutzucker gefährlich niedrig, wird Alarm ausgelöst. Doch bei Android-Geräten können nach einem Software-Update die Warnungen ausbleiben.
Ein Sensor, der in Benjamin Böhms Oberarm steckt, misst ständig seinen Glukosewert und übermittelt ihn direkt an das Smartphone. Wie der 27-jährige, messen mittlerweile Millionen Diabetes-Patienten ihre Blutzuckerwerte.
"Der Sensor misst viel häufiger, als man es 'blutig' durch Stechen machen könnte. Man hat so über 200 Messwerte über den ganzen Tag verteilt und man kann so auch über 200 Behandlungsentscheidungen treffen. Ohne den Sensor ginge das gar nicht. Die Behandlungs- und Lebensqualität steigt damit extrem."
- Benjamin Böhm, Diabetes-Patient
Handy schickt Warnmeldungen
Droht der Blutzuckerspiegel anzusteigen oder gefährlich abzusinken, gibt das Handy eine Warnmeldung aus und der Patient kann etwa eine Cola trinken, um bei Unterzucker gegenzusteuern. Die Werte werden per Bluetooth auf das Smartphone übertragen. Digitale Medizin, ist generell auf dem Vormarsch, sagt Prof. Urs-Vito Albrecht.
"Der Übergang zwischen einfachen Fitness-Produkten und echten Medizinprodukten wie Blutzuckersensoren ist fließend. Schon Smartwatches, die viele aus anderen Gründen am Handgelenk tragen, haben neben Fitness-Funktionen wie Schrittzählern oft Funktionen eingebaut, die sie zu Medizinprodukten machen z. B. einfache, einkanalige EKGs, Messung des Sauerstoffgehalts im Blut, Messung der Hauttemperatur."
- Prof. Dr. med. Dr. PH Urs-Vito Albrecht, Professor für Digitale Medizin, Universität Bielefeld
Keine Bluetooth-Verbindung, keine Warnmeldungen
Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks besteht die Gefahr, dass Warnmeldungen bei bestimmten Smartphones ausbleiben können. Mit möglicherweise gefährlichen Folgen. Hintergrund ist ein Problem mit der Version 13 des Handy-Betriebssystems Android von Google, die im August 2022 veröffentlicht wurde. Nutzerinnen und Nutzer, die Android 13 installiert haben, melden seit diesem Update immer wieder Probleme.
Google räumt das Problem ein
"Wir sind uns des Problems bewusst, das bei einigen Nutzern die Bluetooth-Konnektivität beeinträchtigt hat, und haben dafür im Dezember 2022 eine Lösung veröffentlicht", schreibt Google auf BR-Anfrage. Gemeint ist ein Software-Update, das Nutzerinnen und Nutzer installieren können. Allerdings: Erfahrungsgemäß dauert es, bis alle Hersteller von Android-Smartphones die entsprechenden Updates für ihre Geräte zur Verfügung stellen und alle Anwenderinnen und Anwender diese auch installieren. So erklären sich möglicherweise die Erfahrungsberichte im Internet, in denen die Verbindungsprobleme bis heute beschrieben werden. Weitere Fragen, etwa wie viele Menschen betroffen sind, und ob Google Diabetikerinnen und Diabetiker oder die Hersteller der Glukose-Sensoren darüber informiert hat, bleiben unbeantwortet.
Auch mit Apple-Produkten hat es in der Vergangenheit schon vergleichbare Bluetooth-Probleme gegeben. Der Sensor-Hersteller Abbott veröffentlichte im vergangenen Jahr eine "dringende Sicherheitsinformation" für Patienten, die seine Sensoren mit Apple-Endgeräten nutzen. Apple äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu.
Hinweise der Hersteller
Die beiden führenden Sensor-Hersteller, Abbott und Dexcom, empfehlen Nutzerinnen und Nutzern, auf ihren Smartphones automatische Betriebssystem-Updates zu deaktivieren und neue Versionen nur dann zu installieren, wenn sie von den Herstellern geprüft wurden. Abbott teilt nach der BR-Anfrage außerdem mit, man habe das Problem identifiziert und arbeite daran, es so schnell wie möglich zu beheben. Kundinnen und Kunden seien informiert worden. Dexcom gibt an, seine Geräte seien mit Android 13 nicht kompatibel, das konkrete Problem sei nicht bekannt.
Unklare Verantwortlichkeit
"Es ist gar nicht so einfach zu sagen, wer für das Problem verantwortlich ist", sagt Diabetologie-Professor Peter Schwarz. Viele Parteien seien involviert: Sensor-Hersteller, Smartphone-Hersteller, Anbieter des Betriebssystems, Behörden, Ärzte und Patienten.
"Ich denke, hier wäre eine übergreifende Zusammenarbeit wichtig, um das Problem zu identifizieren und zügig zu lösen. Die Technologie an sich ist ein Segen für die Patienten, aber eben nur dann, wenn sie wirklich gut funktioniert."
- Prof. Dr. med. Peter Schwarz, Präsident der International Diabetes Federation
Mehr Transparenz der Hersteller
Was müsste passieren, um noch mehr Vertrauenswürdigkeit gegenüber digitalen Medizinprodukten herzustellen? Prof Urs-Vito Albrecht ist Experte für Digitale Medizin plädiert für mehr Transparenz der Hersteller.
"Wenn Hersteller klar und umfänglich an prominenter Stelle mitteilen, was ihr Produkt kann (und was nicht) wären wir einen großen Schritt weiter. Diese Information soll über die grundlegenden Anforderungen der Regulation hinaus gehen und mehr auf Maximalanforderungen der Nutzenden ausgerichtet sein. Das wäre nur fair, da diese es auch schließlich sind, die mit den Konsequenzen des Gebrauchs leben müssen."
- Prof. Dr. med. Dr. PH Urs-Vito Albrecht, Professor für Digitale Medizin, Universität Bielefeld