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Blähungen, Bauchschmerzen, Übelkeit Helfen natürliche Mittel gegen das Reizdarm-Syndrom?

Zu viel gegessen, wenig Bewegung und dazu Stress – das schlägt vielen auf den Magen. Was tun, wenn die Symptome immer wiederkommen? Viele Betroffene setzen auf natürliche Mittel. Doch helfen diese wirklich?

Von: Monika Hippold

Stand: 24.11.2020

Symbolbild: Frau fasst sich an den Bauch, der schematisch rot eingefärbt ist. | Bild: picture-alliance/dpa

Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung: Treten solche Symptome immer wieder auf, sprechen Mediziner vom Reizdarm-Syndrom. Die Darmmuskulatur ist dabei gestört und reagiert stärker auf Reize. In Deutschland sind mehr als zehn Millionen Menschen davon betroffen.

Was hilft gegen das Reizdarm-Syndrom?

Viele natürliche Mittel versprechen Hilfe. Doch wirken diese wirklich gegen das Reizdarm-Syndrom? Stellvertretend für die verschiedenen Angebote auf dem Markt hat sich die Redaktion drei besonders beliebte Mittel genauer angesehen. Diese haben unterschiedliche Inhaltstoffe.

Kijimea soll eine gestörte Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen – mit Hilfe von speziellen Bakterien, den sogenannten Bifidobakterien. Iberogast soll akute Beschwerden lindern – mit neun verschiedenen Heilpflanzen. Buscomint setzt auf Pfefferminzöl. Eine Kapsel entspricht dabei 60 bis 80 Tassen Pfefferminztee und verspricht eine sanfte und natürliche Lösung zu sein. 

Wie genau schneiden die drei Produkte ab, was Einnahme, Wirkung, Nebenwirkungen und Preis angeht? Und was sagt die Wissenschaft dazu?

Tropfen oder Kapseln?

Zur Einnahme: Prof. Jost Langhorst leitet die Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde in Bamberg. Er behandelt viele Patienten mit Reizdarm-Syndrom und hat beobachtet: Die meisten vertragenen Tropfen gut. Und was ist bei den Kapseln zu beachten?

"Wichtig ist, dass die in magensaftresistenter Form gegeben werden, denn im Magen ist viel Säure unterwegs. Die Inhaltsstoffe müssen über die Säurebarriere kommen und dürfen erst dann freigesetzt werden. Das ist durch diese Verkapselung gewährleistet, weil sie dann eben im Darm ihr Gutes tun können. Wenn sie sich vorher auflösen würden, könnte es zum Beispiel zu einem Reflux kommen. Bei den Tropfen ist es nicht von zentraler Bedeutung, weil die schon im Magen anfangen zu wirken."

Prof. Dr. med. Jost Langhorst, Chefarzt, Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, Klinikum Bamberg

Prof. Langhorst hat einen zusätzlichen Tipp für die Einnahme der Tropfen:

"Diese Kräutermischung ist ja in Tropfen aufgelöst. Als Trägerstoff wird Ethanol genutzt. Das bewirkt eben, dass die Wirkstoffe tatsächlich aus den Pflanzen extrahiert werden können und in sehr verdichteter Form, mit dieser Tropfenform, gegeben werden können. Der Alkohol ist schon eine Minute nach der Aufnahme durch Tropfen nicht mehr nachweisbar. Wenn man ihn aber nicht aufnehmen möchte, kann man das so umgehen: Die Tropfen auf warmes Wasser geben, dann verflüchtigt sich der Alkohol, und man hat nur die reinen Wirkstoffe, die man dann zu sich nehmen kann."

Prof. Dr. med. Jost Langhorst, Chefarzt, Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, Klinikum Bamberg

Reizdarm-Syndrom: jahrelanges Leiden

Doch wirken die Mittel auch gegen das Reizdarm-Syndrom? Seit mehr als 15 Jahren kämpft Gabi gegen chronischen Durchfall. Die Symptome begannen bei ihr zwischen der zweiten und dritten Schwangerschaft.

"Es geht immer auf und ab. Aber ich bekomme das nie ganz zum Stillstand. Und ich spüre auch im Alltag, dass ich einfach angespannt bin – bei jedem Tagesausflug, der eigentlich ja schön sein soll. Da sind einfach die Angst und die Angespanntheit. Man möchte auch nicht gerne auf eine fremde Toilette gehen."

Gabi, Betroffene

Gabi hat schon Vieles ausprobiert, ihre Ernährung umgestellt, Medikamente genommen. Dauerhaft geholfen hat ihr bisher nichts. Seit einer Woche ist sie deshalb bei Prof. Langhorst in der Klinik. Wickel mit ätherischen Ölen, Tees, Akupunktur: So will sie nun endlich das Reizdarm-Syndrom loswerden.

"Es sind kleine Schritte, aber mir geht es tagsüber schon viel besser. Vom Frühstück bis fast tief in den Abend geht es mir relativ gut, ohne dass ich auf Toilette muss. Und dann kommen natürlich immer wieder Krämpfe über Nacht. Aber es hat sich um einiges gebessert."

Gabi, Betroffene

Ursachen für Reizdarm-Syndrom unterschiedlich

Doch was Gabi hilft, wirkt nicht bei jedem Reizdarm-Patienten.

"Es gibt viele Hintergründe, die zu den Symptomen führen können. Es geht auch nicht nur um den Darm. Das Reizdarm-Syndrom ist eine Krankheit, die den ganzen Körper beeinträchtigt, es ist eine funktionelle Erkrankung. Das heißt, der Darm spielt eine wichtige Rolle, aber auch die zentrale Reizverarbeitung. Das zentrale Nervensystem ist von großer Bedeutung. Wir wissen, dass psychosoziale Aspekte eine große Rolle spielen bei der Ausprägung der Symptome. Und all das will auch in der Therapie berücksichtigt sein."

Prof. Dr. med. Jost Langhorst, Chefarzt, Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, Klinikum Bamberg

Die drei Mittel, welche die Redaktion überprüft, sollen laut Hersteller folgendermaßen wirken: Iberogast will die gestörten Bewegungen der Magen-Darm-Muskulatur normalisieren. Die verschiedenen Kräuter im Präparat sollen zum Beispiel entzündungshemmend wirken und die Säure im Magen regulieren. Die Bifidobakterien von Kijimea sollen sich wie ein Pflaster an die geschädigte Darmwand heften. Erreger sollen dann nicht mehr in den Darm eindringen können. Das Pfefferminzöl aus Buscomint will den Kalzium-Einstrom in die Muskelzellen blockieren, wodurch sich die Muskulatur im Bauch entkrampfen und entspannen soll.

Studienlage zu Inhaltsstoffen

Prof. Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker weiß: Die Wirkungen von Pfefferminzöl und der Kräutermischung sind tatsächlich vielfach an Patienten erforscht. Zu Vorsicht rät sie aber bei einem der Werbeversprechen von Kijimea.

"Die Erkenntnisse, dass sich die Bifidobakterien wie ein Pflaster auf die Darmwand legen, die stammen bisher nur aus Laborstudien – und wurden mit Zellen gemacht. Da konnte man zeigen, dass sich diese Bifidobakterien wirklich sehr schützend auf diese Zellen legen und auch eine starke Adhäsion haben zu den Zellen. Aber wie gesagt, das ist erst einmal nur im Labor nachgewiesen worden. Das heißt also, da gibt es bislang keinerlei Hinweise darauf, dass das tatsächlich auch im Menschen so funktioniert."

Prof. Dr. Mona Tawab, stellvertretende wissenschaftliche Leitung, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn

Die Antwort des Herstellers "Synformulas":

"Hierzu möchten wir anmerken, dass es nicht unüblich ist, den Mode of Action in präklinischen bzw. in-vitro Studien zu untersuchen. Eine Untersuchung im Rahmen einer klinischen Studie an Probanden wäre nämlich nur mittels Darmbiopsien möglich. Ein solcher Eingriff ist in unseren Augen nicht vertretbar und wird auch durch den Mehrgewinn für die Wissenschaft nicht gerechtfertigt."

Synformulas-GmbH

Nebenwirkungen der Mittel

Kijimea hat keine Nebenwirkungen. Die anderen Mittel können zum Beispiel zu allergischen Reaktionen, Hautausschlag, Sodbrennen oder Atembeschwerden führen. Ein Inhaltsstoff aus der Neun-Kräutermischung steht besonders in der Kritik: Schöllkraut. Es kann die Leber schädigen – und soll sogar schon zu Leberversagen geführt haben.

"Schöllkraut enthält bestimmte Stoffe: die Alkaloide. Man hat festgestellt, dass sie leberschädigend sind. Allerdings muss man hier betonen, dass sie natürlich ab einer bestimmten Konzentration leberschädigend sind. Eine Menge von 2,5 Milligramm sollte nicht überschritten werden. Das war bei dem Produkt Iberogast nicht der Fall. Und insofern ging da jetzt auch keine direkte Gefahr von diesem Produkt aus."

Prof. Dr. Mona Tawab, stellvertretende wissenschaftliche Leitung, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker, Eschborn

Im Oktober hat der Hersteller eine Variante des Produkts mit sechs Kräutern auf den Markt gebracht: Iberogast Advanced, ohne Schöllkraut.

Was kosten die Mittel?

Die kleine Packung Kijimea kostet knapp 17 Euro und reicht eine Woche lang. Nach vier bis zwölf Wochen verspricht der Hersteller ein optimales Ergebnis. Iberogast sollen Betroffene so lange nehmen, wie die Beschwerden anhalten. Die kleine Flasche gibt es für elf Euro. Mit Buscomint sollen die Symptome nach zwei Wochen abgeklungen sein. Die Kosten: knapp 30 Euro.

Prof. Langhorst kennt eine günstigere Alternative: Erste Symptome mit Kräutertees in Bioqualität lindern. Dabei gerne abwechseln zwischen Kamille, Anis, Fenchel, Kümmel und Pfefferminz. Bei einem Blähbauch rät er zusätzlich zu warmen Auflagen mit Kümmelöl:

"Wenn man fünfprozentiges Kümmelöl nimmt, das einmassiert in den Bauch und eine feuchtwarme Auflage drauflegt, vielleicht ein Geschirrtuch, dann wird dieses Kümmelöl über die Haut aufgenommen. Es wirkt direkt ein auf den Darm, kann entblähen und den Bauch entlasten. Das muss man regelmäßig machen, vielleicht einmal am Tag nach dem Mittagessen. Aber dann ist das eine sehr gute Selbsthilfe-Strategie."

Prof. Dr. med. Jost Langhorst, Chefarzt, Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, Klinikum Bamberg

Damit es an den Feiertagen aber gar nicht erst so weit kommt: zwischen den Mahlzeiten einen Spaziergang einplanen und entspannen.


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