Restless-Legs-Syndrom Bei unruhigen Beinen Eisenwert beachten
Zuckende, schmerzende Beine, ein Kribbeln und Ziehen, nächtlicher Bewegungsdrang: Das Restless-Legs-Syndrom hat viele Gesichter und gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Bis zu zehn Prozent der älteren Bevölkerung sind betroffen, vor allem Frauen. Seit 2022 gibt es neue Leitlinien. Gesundheit! begleitet zwei Patientinnen und zeigt, worauf es bei der Behandlung ankommt.
Meist beginnt es am Abend. Wenn alle schlafen ist Lisa Seiberl unterwegs. Sie läuft und läuft. Schuld sind ihre Beine.
Auch die Beine von Angelika Kolodzik führen ein Eigenleben: Sobald sie sich hinsetzt, geht das Zappeln los.
Neue RLS-Leitlinie 2022
An drei bis vier Nächten die Woche ist sie unterwegs, anstatt zu schlafen. Das zerrt an den Nerven. Die RLS-Sprechstunde bei Prof. Dr. Claudia Trenkwalder in der Paracelsus-Klinik ist ihre letzte Hoffnung. Die Neurologin gehört zu den führenden Spezialistinnen und hat die neue RLS-Leitlinie verfasst.
"Ein klassisches Restless-Legs-Symptom ist die Unruhe. Unruhe verbunden mit irgendwelchen Missempfindungen, Störungen, Schmerzen – die aber nur in Ruhe auftreten. Durch Bewegung wird alles besser. Und das Ganze hat einen zirkadianen Rhythmus, also einen tageszeitlichen Verlauf. Am Abend und in der Nacht sind die Symptome am Schlimmsten."
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel
RLS: Ursache und Folgen der ruhelosen Beine
Neben der Anamnese werden die Patientinnen und Patienten gründlich untersucht, bei Bedarf auch im Schlaflabor. Das Problem: Bis heute kennt man die genaue Ursache nicht. Fest steht: RLS ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Eine Rolle spielen Gene, eine andere die Botenstoffe im Gehirn.
"Eine Ursache kann eine Entwicklungsstörung sein, ganz früh schon in der Embryonalentwicklung. Das weiß man auch von der Genetik. Oder es können Störungen im Eisenstoffwechsel sein, die auch mit dem Dopaminstoffwechsel interagieren."
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel
Nierenprobleme, ein Eisenmangel, eine Schwangerschaft oder bestimmte Medikamente – all das kann ein RLS mit auslösen.
Die Folgen von dauerhaftem Schlafmangel
Das Problem: Bei den meisten Betroffenen gehen die Beinbewegungen im Schlaf weiter. Oft, ohne dass sie es merken. Das kann fatale Folgen für die Gesundheit haben.
"Ein dauerhafter gestörter Schlaf führt zu Schlafmangel, führt aber auch zu Stimmungsschwankungen und Gereiztheit und kann zu Depressionen führen. Vor allem gibt es einen Zusammenhang zwischen nächtlichem hohem Blutdruck und Restless Legs. Diese Beinbewegungen können zu hohem Blutdruck führen."
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel
Neuer Behandlungsansatz: der Eisenwert
Umso wichtiger ist eine angepasste Behandlung. In den neuen Leitlinien wird empfohlen, immer den Eisenwert zu bestimmen - und zwar zu Beginn und während der Behandlung. Denn Eisenmangel ist ein häufiger Auslöser, gerade bei Älteren. Wichtig sind zwei Werte: Ferritin und die Transferrinsättigung.
"Das Ferritin sollte nicht unter 75 ug/l sein, besser 100. Die Transferrinsättigung kann bis zu 40 Prozent gehen. Erst über 40 Prozent müssten wir aufpassen, dass man zu keiner Eisen-Überladung kommt."
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel
Bei geringem Eisenmangel helfen Tabletten oder Tropfen, bei schwerem eine Infusion. Auch bei Angelika Kolodzik war der Eisenwert viel zu niedrig. Die Wirkung der Infusion soll mehrere Monate halten.
Empfehlung: Kein L-Dopa mehr dauerhaft
Der am meisten verschriebene Wirkstoff ist L-Dopa. Vor allem bei schwer betroffenen Patientinnen und Patienten gehörte er in Deutschland bisher zur Standardversorgung. Doch nach der neuen Leitlinie soll er nicht mehr dauerhaft eingesetzt werden.
"L-Dopa wird im Gehirn zu Dopamin umgewandelt und das wirkt sehr kurzzeitig und kurzfristig an den Dopaminrezeptoren. Es verbessert das RLS, aber führt langfristig oft zu einer Verschlechterung, einer sogenannten Augmentation. Die Wirkung ist ähnlich wie bei einem Kopfschmerzmittel. Wenn Sie es dauerhaft zu hoch nehmen, werden die Kopfschmerzen immer mehr."
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel
Möglichst spät mit Medikamenten starten
Das kennt auch Lisa Seiberl. Die Beschwerden traten bei ihr irgendwann schon am Nachmittag auf. Und sie wurden immer schlimmer. Bald waren weitere Körperteile betroffen, etwa die Arme und die Hände. Viele Menschen erhöhen deshalb die Dosis. Ein Teufelskreis.
Angelika Kolodzik hat ihre L-Dopa- Medikamente abgesetzt und nimmt nun einen sogenannten Dopamin-Agonisten. Für schwere Fälle können zusätzlich Opioide oder Antiepileptika eingesetzt werden.
Generell gilt für alle Patienten, vor allem aber für jüngere, die Empfehlung:
"Man sollte beim RLS möglichst spät mit einer medikamentösen Behandlung starten. Man sollte niedrig dosiert starten und niedrig dosiert bleiben. Wenn medikamentös, dann zu Beginn nur mit einer Substanz behandeln."
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Paracelsus Kompetenznetz Parkinson und Bewegungsstörungen, Kassel
Vorsicht bei alternativen Heilmethoden: Die Wirkung von Akupunktur oder bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln ist bei RLS wissenschaftlich nicht bestätigt. Auch Magnesium hilft nicht gegen die Beschwerden.