Rückenschmerzen Bandscheibenvorfall - was tun?
Ob Bandscheibe, Verspannung, oder Blockade - Rückenschmerzen sind ein Volksleiden. Knapp zwei Drittel der Deutschen sind mindestens einmal im Jahr davon betroffen. Bandscheibenvorfälle gehören dabei zu den häufigsten Ursachen – die Behandlungen variieren. Mit diesen Tipps lassen sich Fehlhaltungen vermeiden.
Bandscheibenvorfall oder Hexenschuss?
Normalerweise liegt die Bandscheibe zwischen den beiden Wirbelkörpern und ist dort ein Stoßdämpfer. Verzieht sich der umgebende Faserring der Bandscheibe mittig oder zur Seite, spricht man von einer Vorwölbung (Protrusion). Drückt der innere Gallertkern der Bandscheibe so stark auf den Faserring, dass dieser einreißt, ist das ein Bandscheibenvorfall (Prolaps).
Wenn Gallertmasse aus dem Faserring in den Wirbelkanal austritt, spricht man von einem sequestrierten Bandscheibenvorfall. Drückt die Masse auf die Nervenwurzel, kann dies zu starken Schmerzen führen. Betroffene können Verschiedenes testen, um die Schmerzen zu reduzieren – wie Wärme, Entlastung oder auch Schmerzmittel. Bei extremen Schmerzen entscheiden sich manche auch für eine Operation.
Unter einem Hexenschuss versteht man hingegen akut einschießende, heftige Schmerzen, meist im Lendenwirbelbereich. Sie strahlen aber nicht von der Lendenwirbelsäule aus und gehen nicht mit Empfindungsstörungen einher. Die häufigste Ursache sind Muskelverspannungen, aber auch Bandscheibenerkrankungen oder Entzündungen.
Rücken-OP oder konservative Behandlung?
Bandscheibenvorfall: Die Symptome
Der Druck auf die Nervenwurzeln in der Lendenwirbelsäule löst teils heftige Schmerzen im unteren Rückenbereich aus, die mitunter bis in das Bein ausstrahlen - entlang des Versorgungsgebiets der betreffenden Nervenwurzel. Auch neurologische Ausfälle wie Empfindungsstörungen - etwa das Gefühl von Ameisenlaufen, Kribbeln, Taubheitsgefühle - sowie Lähmungen in diesem Bereich sind möglich.
Drückt eine Bandscheibe auf das Rückenmark, treten wie bei der Quetschung der Nervenwurzeln häufig intensive Schmerzen in einem Bein oder Arm auf sowie Gefühlsstörungen. Auch eine zunehmende Schwäche beider Arme oder Beine sind mögliche Folgen eines Bandscheibenvorfalls.
Weitere Anzeichen dafür, dass die Bandscheibe direkt auf das Rückenmark drückt, sind Funktionsstörungen der Schließmuskeln von Blase und Darm. Sie werden von einer Taubheit im Anal- und Genitalbereich begleitet und gelten als Notfall – der Patient muss sofort ins Krankenhaus. Doch Vorsicht: Nicht jede Missempfindung mit Beinschmerzen ist Anzeichen eines Bandscheibenvorfalls.
Konservative Behandlung
Die meisten Bandscheibenvorfälle müssen nicht operiert werden. Im Schmerzzentrum versucht man die Beschwerden zunächst konservativ in den Griff zu bekommen. Die Ursachen für einen Bandscheibenvorfall sind vielfältig und reichen von Anatomie und Genetik über Schon- und Fehlhaltungen sowie Übergewicht bis hin zu falschen Sportarten, zu wenig oder zu viel Sport und vor allem auch Stress.
Wärmeanwendungen können helfen. Bei Bedarf werden Medikamente eingesetzt. Dazu gehören vor allem Schmerzmittel wie nicht-steroidale Antirheumatika wie beispielsweise Ibuprofen oder Diclofenac. Die Schmerzbehandlung ist essentiell. Bei der sogenannten Infiltration wird den Patienten - unter Röntgen-Kontrolle - ein Betäubungsmittel und ein entzündungshemmendes Medikament wie Kortison gespritzt. Dadurch kann die Schmerzweiterleitung blockiert und die Entzündung reduziert werden.
Ein wichtiger Baustein ist auch Bewegung. Anfangs geht es vor allem darum, die Patienten zu mobilisieren und aus dem Schmerz heraus zu bekommen. Außerdem wird gezielt die Rücken-Muskulatur aufgebaut – damit sich die Haltung langfristig verbessert. Wichtig ist, die Tiefenmuskulatur zu trainieren - vor allem den Rückenstrecker.
Bewegung: Wichtig für die Bandscheibe
"Physiotherapie, Kräftigungstherapie – all das führt dazu, dass die Muskulatur stabilisiert wird, dass die Wirbelsäule eine bessere Führung hat. Je mehr man sich richtig bewegt, desto besser ist auch die Ernährung einer Bandscheibe. All diese Faktoren führen dazu, dass der Heilungsprozess schneller vonstattengehen kann."
Dr. med. Willibald Walter, Ärztlicher Leiter Orthopädie, Marianowicz Zentrum, München
Bandscheibenfreundliche Sportarten
Langfristig betrachtet ist regelmäßige Bewegung sehr wichtig bei einem Bandscheibenvorfall: Zum einen fördert der Wechsel zwischen Be- und Entlastung der Bandscheiben deren Ernährung. Zum anderen stärkt körperliche Aktivität die Rumpfmuskulatur, was die Bandscheiben entlastet. Deshalb sind bei einem Bandscheibenvorfall Übungen zur Stärkung der Rücken- und Bauchmuskulatur sehr zu empfehlen. Physiotherapeuten zeigen Patienten diese im Rahmen einer Rückenschule. Anschließend sollten die Patienten regelmäßig selbst trainieren.
Darüber hinaus darf und sollte man bei einem Bandscheibenvorfall Sport treiben, sofern er bandscheibenfreundlich ist. Das gilt zum Beispiel für Aerobic, Rückenschwimmen, Skilanglauf, Tanzen und Nordic Walking oder Joggen.
Rücken-OP: Wann ist sie wirklich nötig?
Rund 90 Prozent der Patientinnen und Patienten kommen ohne eine Operation aus. Zu den schwerwiegenderen Symptomen zählen vor allem Lähmungen und Störungen der Blasen- oder Enddarmfunktion. In solchen Fällen wird meistens operiert. Auch bei anhaltenden Beschwerden trotz konservativer Behandlung über mindestens drei Monate wird unter Umständen ein chirurgischer Eingriff erwogen. Die Ärzte entfernen dabei das ausgetretene Bandscheibenmaterial und lassen den Rest der Bandscheibe in Ruhe, um die Funktion des verbliebenen Bandscheibengewebes so gut wie möglich zu erhalten und so eventuell auftretende Rückenschmerzen in Zukunft zu verhindern.
Es gibt verschiedene OP-Techniken – wie zum Beispiel eine mikrochirurgische Operation. Dabei versuchen die Ärzte so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen.
Notfall-OP: extrem selten
"Prinzipiell unterscheidet man unterschiedliche Kategorien von Operations-Indikationen: die notfallmäßige OP ist extrem selten. Sie sollte zügig stattfinden bei Störungen von Wasserlassen oder bei ausgeprägten motorischen Störungen. Dann gibt es die relative Indikation mit massiven Schmerzen, die das alltägliche Leben deutlich einschränken - oder wiederkehrende Taubheitsgefühle, leichte Schwäche."
PD Dr. med. Christoph Mehren, Chefarzt, Wirbelsäulenzentrum Schön Klinik, München Harlaching
Rückenschmerzen durch Verspannungen
Ein Grund für Rückenschmerzen sind auch Verspannungen und Blockaden. Die Ursache dafür: häufig Fehlhaltungen - vor allem durch langes und falsches Sitzen, zum Beispiel im Homeoffice.
Wenn sitzen, dann also besser richtig. Das heißt: Die Sitzhöhe so einstellen, dass die Hüfte leicht geöffnet ist und die Oberschenkel nach vorne unten etwas abfallen. Der Schreitisch sollte so hoch sein, dass er den Ellenbogen und den Armen Unterstützung bietet. Die Oberkante des Monitors auf Augenhöhe einstellen und den Monitor nicht zu weit weg stellen. Und auch hier hilft Bewegung. Das Motto: Kinn rein, Nacken lang. Wer zusätzlich den Schultergürtel trainiert, beugt neuen Verspannungen vor.
Um die Muskulatur gezielt anzusteuern, reicht oft das Training mit Eigengewicht. Außerdem wichtig: Bewegungspausen in den Alltag einbauen, damit keine neuen Rückenschmerzen auftreten.
Ursache für Nacken-Verspannungen
"Die Problematik bei den meisten Patienten ist, dass man im Laufe des Tages einen Rundrücken entwickelt und die Halswirbelsäule den Gegenschwung ausüben muss, um nach vorne zu blicken. Das führt zur Kompression der kleinen Wirbelgelenke und zu den Verspannungen der Nacken-Muskulatur."
Dr. med. Jonas Putzhammer, Orthomanuelle Medizin, München
Tipps: Bandscheibenvorfall vorbeugen
Um einem erneuten Bandscheibenvorfall vorzubeugen hilft es, Übergewicht loszuwerden, Sport zu treiben, sich zu entspannen, auf die richtige Haltung – vor allem beim Sitzen – zu achten. Wichtig beim Heben : Schwere Gegenstände nie mit gestreckten Beinen und gebeugter Wirbelsäule hochheben. Stattdessen besser in die Knie gehen, die Wirbelsäule gestreckt lassen, die Last gleichmäßig auf beide Hände verteilen und aus den Beinen heraus stemmen. Beim Tragen von Lasten gilt: Die Arme dabei dicht am Körper lassen. Das Körpergewicht nicht nach hinten verlagern und ein Hohlkreuz vermeiden.