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Psychologie Morgenblues? So starten Sie gut in den Tag!

Wenn im Herbst und Winter der Morgen grau ist, die Kinder quengeln und trödeln, man auf dem Weg zur Arbeit im Stau steht und dann noch sämtliche Negativnachrichten im Radio hört, fällt einem der Start in den Tag nicht wirklich leicht. Ist man dann noch eine Nachteule, ist der Morgenblues vorprogrammiert. Doch was kann jeder tun, um besser und positiver in den Tag zu starten? Tipps von Familientherapeutin Birgit Salewski.

Stand: 26.09.2022

Schlafende Frau mit Wecker. | Bild: picture alliance

Birgit, bist du eher eine Lerche oder eine Eule? Oder anders ausgedrückt: Morgenmensch oder Morgenmuffel?

Birgit Salewski: "Ich bin ein Morgenmensch. Ich stehe gerne früh auf und habe vor allem gerne einen ruhigeren Start in den Tag. Ich nehme mir Zeit für das Frühstück und habe - je nach Tag - auch etwas Bewegung eingeplant oder übe noch etwas Klavier."

Woran liegt es, dass sich einige mit dem Aufstehen sehr leicht tun und andere sind Morgenmuffel oder leiden sogar an Morgenblues?

Birgit Salewski: "Das, was ich am meisten von meinen Klienten höre, ist der Schlafmangel. Viele Menschen schlafen zu wenig oder schlafen nicht gut. Intensiver Sport am Abend, langes Arbeiten, später Medienkonsum, nächtliches Aufwachen (egal ob beispielsweise wegen Kindern, Haustieren, Harndrang, Grübeln) lässt viele Menschen schlecht schlafen. Man kann es nicht oft genug betonen, ein gesunder Schlaf ist für uns alle von zentraler Wichtigkeit. Auch weil sich im Schlaf nicht nur der Körper erholt, sondern auch Stress abgebaut wird.
Das Zweite, was ich höre, sind stressige Morgenroutinen. Termindruck oder völlig überfrachtete Morgenstunden. Gesundes Frühstück, dann noch Bewegung oder Meditation, dann mit den Kindern in die Kita und Schule und dann pünktlich und perfekt vorbereitet in die Arbeit. Auf den Wegen wird noch schnell dies und das erledigt. Schon beim Zuhören fühle ich mich da gestresst. Oft bleibt vielleicht auch noch etwas vom Vortag liegen, die Wäsche muss noch aufgehängt oder die Küche aufgeräumt werden. Die To-Do-Liste am Morgen ist in manchen Haushalten zu lange für diese Zeitspanne. Da entsteht der Stress schon in den ersten Stunden des Tages.
Und von Alleinerziehenden, die auch einen Morgen mit Kindern ganz alleine stemmen müssen, Menschen im Schichtbetrieb oder in Berufen mit eklatantem Personalmangel (beispielsweise Pflege und Erziehung), die schon mit einer hohen Belastung im Arbeitstag rechnen müssen, oder pflegende Angehörige, die sich noch um Verwandte kümmern, haben wir noch gar nicht gesprochen. Hier ist es eher der Lebenskontext, der für anhaltenden Stress sorgt, so dass diese Menschen permanent zwischen Belastung und notwendiger Erholung jonglieren müssen. Ein ruhiger Morgen ist dann oft kaum drin."

Ändert es sich manchmal im Laufe des Lebens, dass jemand vom Morgenmuffel zum Morgenmensch (oder umgekehrt) wird?

Birgit Salewski: "Ich glaube nicht, dass es sich prinzipiell ändert, ob ich ein Morgen- oder Abendmensch bin. Aber ich denke, wir lernen im Laufe des Lebens, uns besser mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Wenn ich ein Abendmensch bin, aber schulpflichtige Kinder habe, kann ich nicht so lange schlafen wie ich es gerne möchte. Und trotzdem gewöhnen sich viele Menschen daran und genießen es dann vielleicht am Wochenende einmal, länger zu schlafen oder länger auf zu bleiben."

Wenn der Morgen grau ist, die Kinder trödeln, man auf dem Weg zur Arbeit im Stau steht und sämtliche Negativnachrichten im Radio hört, fällt einem der positive Start in den Tag nicht unbedingt leicht. Was sollte man dann am besten machen und was möglichst vermeiden?

Birgit Salewski: "Am besten ist es immer, den morgen einmal in Ruhe zu durchdenken. Wo habe ich Zeit, wo muss ich mich ranhalten? Dann ergibt sich vielleicht die eine oder andere Sache, die ich nicht mehr morgens erledige, sondern im Laufe des Tages oder am Wochenende.
Auch sollten wir alle darauf achten, bestimmte Routinen zu haben, denn diese machen das Überlegen und Planen überflüssig. Das spart Zeit und Energie. Viele Menschen - Erwachsene wie Kinder - profitieren sehr davon, wenn sie immer zur gleichen Zeit aufstehen und dann den gleichen Routinen folgen. Ein bisschen Zeit, um in Ruhe zu Frühstücken, sollte dabei sein, sowie eine gesunde Aufgabenverteilung unter den Menschen, die im Haushalt leben."

Wie sieht die ideale Morgenroutine aus, um gut in den Tag zu starten?

Birgit Salewski: "Die ideale Morgenroutine ist die, die den Menschen einen ruhigen Start in den Tag ermöglicht. Allgemein kann man sagen: Zeit für die Körperpflege, ein gutes Frühstück und noch etwas, das mir Freude bereitet - egal ob beispielsweise Lesen, Musik, Haustiere oder ein Gespräch am Frühstückstisch mit der Familie.
Es hängt also stark vom Einzelnen ab. Eine Nachteule wird wenig Motivation haben, in der Früh eine Stunde Sport zu treiben. Das heißt, am wichtigsten ist es, die eigenen Routinen auf Stressanfälligkeit zu prüfen und alles, was zu viel Stress macht, nach Möglichkeit zu vereinfachen. Ein Beispiel ist das Elterntaxi. Viele Eltern bringen ihre Kinder überall mit dem Auto hin. Das kostet Zeit und Nerven. Hier kann man sich entweder zusammentun und nur ein Elternteil fährt mehrere Kinder. Oder die Kinder lernen, ihren Schulweg selbst zu Fuß, mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten."

Bewegung am Morgen soll eine antidepressive Wirkung haben. Stimmt das?

Birgit Salewski: "Das stimmt, sofern es nicht wieder zu Stress führt. Moderate Bewegung aktiviert den Stoffwechsel und Stresshormone werden abgebaut. Menschen, die beispielsweise eine halbe Stunde Spazieren gehen oder mit dem Rad fahren, tun dies auch, weil sie sich körperlich und geistig besser fühlen, als wenn sie nur passiv im Auto sitzen würden."

Was ist das Ziel: Soll ich nur effizienter werden oder zufriedener?

Birgit Salewski: "Das Ziel in der heutigen Zeit sollte sein, den krankmachenden Stress möglichst zu vermeiden. Und gleichzeitig brauchen wir in unserer Gesellschaft noch viel mehr Ideen, wie wir auch Alleinerziehenden, pflegenden Angehörigen, Menschen in überlasteten Berufsgruppen und/oder im Schichtdienst immer wieder Entlastung anbieten können."

Viel Erfolg mit den Tipps wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!


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