Psychologie Freundschaften - richtig pflegen oder beenden
Freundschaften sind wichtig und sollen sich sogar positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Doch um sie zu erhalten, müssen wir sie pflegen. Das ist nicht immer leicht. Manchmal lässt sich trotz aller Bemühungen nicht verhindern, dass eine Freundschaft zerbricht. Doch wie lässt sich eine gute Freundschaft aufrechterhalten? Wann und wie sollte ich eine Freundschaft am besten beenden? Antworten auf diese Fragen gibt Familientherapeutin Birgit Salewski.
Wie viele gute Freundinnen und Freunde hast Du selbst?
Birgit Salewski: "In meinem Leben habe ich die sehr typische Handvoll Menschen, zu denen ich eine tiefe und vertrauensvolle Verbundenheit empfinde, meine besten Freunde und Freundinnen. Daneben gibt es natürlich noch familiäre Beziehungen und glücklicherweise ein wunderbares Netzwerk aus freundschaftlichen und kollegialen Beziehungen."
Was macht für Dich eine gute Freundschaft aus?
Birgit Salewski: "Ganz allgemein wird Freundschaft als eine positive Beziehung zwischen Menschen bezeichnet, die von Vertrauen, Zuneigung und Respekt geprägt ist.
Dazu gehört für mich eine gemeinsame Kultur der gegenseitigen Anteilnahme, Aufrichtigkeit und Unterstützung miteinander und füreinander. Das bedeutet, dass meine engsten Freunde auch meine wichtigsten Ansprechpersonen sind, wenn ich Feedback brauche, ein Problem lösen muss oder einfach jemanden brauche, der mit mir eine herausfordernde Zeit durchsteht. Darüber hinaus erleben wir viele positive Situationen und Gefühle miteinander wie Anerkennung, Verbundenheit, Spaß und Freude.
Und die Verantwortung für unsere gute Freundschaft teilen wir uns, das heißt, wir fühlen uns in gleichem Maße zuständig dafür, dass wir Kontakt haben, uns sehen, uns abholen im Leben des anderen und für uns einstehen."
Was ist Dir bei der Pflege einer Freundschaft am wichtigsten?
Birgit Salewski: "Pflege von Freundschaften kann je nach Lebensphase sehr stark variieren.
In der Kindheit und Jugend haben wir Freundschaften, die aufgrund von gemeinsamen Kontexten wie Kindergarten, Nachbarschaft, Schule, Vereine und Hobbys entstehen. Diese festigen sich durch das gemeinsame Erleben und natürlich durch Sympathie und Vertrauen. Das heißt, Kinder und Jugendliche sind noch nicht so sehr auf das eigenständige Pflegen der Freundschaften angewiesen, da der Kontext das Aufeinandertreffen und regelmäßige Sehen natürlich sehr begünstigt. Sollte der Kontext Nachbarschaft beispielsweise durch einen Umzug wegfallen, sind Kinder noch sehr stark, aber Jugendliche auch, darauf angewiesen, dass die Erwachsenen ihnen für sie bedeutsame Freundschaften ermöglichen beziehungsweise Kontakte und Besuche unterstützen. Erst mit der späteren Kindheit und der Jugend entsteht Schritt für Schritt immer mehr Eigenständigkeit im Führen und Pflegen der Freundschaften.
Im Erwachsenenalter sind wir nun selbst verantwortlich, unsere Freundschaften zu führen und zu pflegen. Auch hier unterliegen Freundschaften den Lebensphasen und es kann zu Zeiten kommen, in denen Freundschaften trotz sehr wenigen Kontaktes überleben, beispielsweise, wenn jemand weggezogen, beruflich sehr stark beansprucht ist oder eine Familie gegründet hat und damit die Versorgung von Kindern notwendigerweise im Vordergrund stehen muss.
Erwachsene sind aus meiner Sicht gut beraten, in Freundschaften zu investieren. Das bedeutet immer auch, notfalls nur kleine Signale zu senden: Ich denke an dich, du bist mir wichtig, ich bin an unserer Verbundenheit weiterhin interessiert. Das hilft, Phasen von sehr wenig Kontakt zu überbrücken. Aber natürlich nur, solange man die Freundschaft auch aufrechterhalten will."
Aus unterschiedlichen Gründen kann es sein, dass eine Freundschaft mal pausiert, einschläft, nicht gepflegt werden kann und deshalb wiederbelebt werden muss. Wie gehe ich das am besten an?
Birgit Salewski: "Hier sollte man einen ersten Schritt unternehmen, denn Freundschaften brauchen Taten. Der Gedanke an meinen Freund/meine Freundin erreicht diese nur, wenn ich ihn äußere, mich zeige, mich melde, Botschaften sende und Treffen initiiere. Von guten Gedanken allein kann eine Freundschaft nicht ewig überleben.
Natürlich weiß man nie, gerade nach einer vielleicht jahrelangen Kontaktpause, wie die Resonanz ausfällt. Geht es der anderen Person genauso? Hat mein Gegenüber noch Interesse an mir und unserer Freundschaft? Ist im Leben des anderen noch oder wieder ein Plätzchen für mich?
Tipp: Seien Sie mutig! Gehen Sie auf Menschen, die Ihnen am Herzen liegen, zu. Achten Sie aber darauf, dass Sie nicht zu lange auf eine Freundschaft hoffen, wo Sie allein investieren, Energie aufbringen und doch immer wieder abgewiesen werden. Dann kann unser Bemühen vielleicht nicht beantwortet werden und wir bekommen unter Umständen nie etwas zurück, was sich wieder wie eine ausgeglichene Freundschaft anfühlt."
Eine Freundschaft kann aber auch gerade in diesen Krisenzeiten zu einer echten Belastungsprobe werden. Unterschiedliche politische Ansichten, verschiedene Meinungen zu Klimawandel oder Migration sind nur einige Beispiele. Wieviel Kontroversen kann oder sollte eine Freundschaft aushalten?
Birgit Salewski: "Freundschaften unterliegen immer gewissen Spannungen und mit unseren persönlichen Veränderungen müssen sich auch Freundschaften entwickeln. Ich finde es gut, auch den Spannungen, Unstimmigkeiten und Verschiedenheiten Platz zu geben und zu lernen, mit der Vielfalt unseres Lebens einen demokratischen und auch gnädigen Umgang zu finden.
Wenn wir in Freundschaften einen Umgang mit Unterschiedlichkeit erlernen, sind wir auch für die nachfolgenden Generationen ein gutes Beispiel, wie wir ganz generell mit Unterschieden umgehen, ohne uns gleich abzuwenden, ab- oder sogar auszugrenzen. Die Diskussion in Freundschaften, das Ringen, die ehrliche Rückmeldung und trotzdem auch beieinander zu bleiben und eine gute Basis zu pflegen, machen Freundschaften zu einer erheblichen Säule in unser aller Wohlbefinden.
Freundschaften, also gelingende Beziehungen, die etwas aushalten, können ein sehr beruhigendes Lebensgefühl auslösen und machen uns glücklicher und auch gesünder. Das wurde in zahlreichen Studien belegt.
Das soziale Miteinander braucht aktive Pflege. Hier sind wir als Erwachsene verantwortlich und wir sollten diese Verantwortung auch übernehmen."
Wie erkenne ich, ob mir eine Freundschaft nicht mehr guttut?
Birgit Salewski: "Eine Freundschaft tut mir immer dann nicht mehr gut, wenn die Balance in ihr für mich in einem solch großen Maß aus den Fugen geraten ist, dass ich entweder massiv über meine eigenen Grenzen gehe oder gehen lasse.
Das andere ist, dass ich nach vielen Bemühungen, Gesprächen und Schleifen keine Aussicht mehr darauf habe, dass die Freundschaft einigermaßen ausgeglichen und zum Wohle beider fortgesetzt werden kann. Dann ist zumindest eine Neujustierung angebracht mit der Frage: Wieviel bin ich ab jetzt noch bereit zu geben und zu investieren? Wie lange kann und will ich warten?
Aber auch hier gilt: Nicht vorschnell alles hinschmeißen und auch nicht ewig über die eigenen Grenzen gehen. Nutzen Sie andere Vertrauenspersonen, um über Ihre Situation zu reflektieren, abzuwägen und auch um Unterstützung dafür zu erhalten, 'Durststrecken' in Freundschaften auszuhalten."
Und wie beende ich dann nötigenfalls diese Freundschaft?
Birgit Salewski: "Am besten beenden Sie eine Freundschaft mit Respekt und Wertschätzung für die gemeinsame Zeit. Das heißt für mich in einem ehrlichen und möglicherweise nicht ganz einfachen Gespräch.
Wenn man selbst die Freundschaft nicht mehr aufrechterhalten kann oder will, gleicht das für viele Menschen einer Trennung. Hier haben wir aber kulturell keine Rituale. Das ist auf der einen Seite schade, denn so verflüchtigen sich manche Menschen aus unserem Leben, ohne dass wir wissen oder ahnen, warum sie das tun.
Auf der anderen Seite bleibt so das Ende offen und wir können einfach wiederkommen, wieder anknüpfen und manchmal einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Das kann auch eine sehr schöne Sache sein."