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Psychologie Beziehung und Rente - Chancen und Risiken

Wenn in einer Partnerschaft einer oder beide in Rente gehen, ist das meist ein einschneidendes Ereignis. Plötzlich ist der Alltag ganz anders. Und das hat nicht immer nur positive Auswirkungen auf die Beziehung, sondern kann zu einer echten Belastungsprobe werden oder sogar in eine ernsthafte Krise führen. Das muss aber nicht sein, denn der neue Lebensabschnitt kann auch eine Chance für die Partnerschaft sein. Tipps von Familientherapeutin Birgit Salewski.

Stand: 12.09.2024

Senioren auf Fahrrädern | Bild: BR/ stock.adobe.com/Syda Productions

Warum kann der Renteneintritt zu einer persönlichen Krise führen?

Birgit Salewski: "Der Renteneintritt ist für viele Menschen einer der großen Übergänge im Leben, für manche gleicht er einer Krise. Wir beenden unsere Tätigkeit, beenden unsere Berufsbiografie und damit endet für viele von uns eine wichtige und oft auch sinnstiftende Lebensrolle, in der wir viele Jahre und viele Stunden jeden Tag verbringen. Unser Beruf und unsere Berufstätigkeit mit all ihren Facetten sind für uns ein wichtiger Teil der Identität. Wir sind auch unser Beruf und unsere berufliche Rolle. Wenn wir in das Rentenalter kommen, wird uns diese Rolle und diese Identität ein Stück weit genommen beziehungsweise geben wir sie auf. Nach dem Renteneintritt sind wir "nur noch" Rentner. Das hat in unserer Kultur einen Beigeschmack von Ausruhen, Stillstand und Taubenfüttern. Für viele Menschen klingt das nicht attraktiv, denn sie erleben sich im Renteneintrittsalter noch vital, schaffenskräftig, veränderungsbereit und neugierig.
Viele Menschen freuen sich auf den Renteneintritt, sind zuversichtlich und hoffnungsvoll. Andere wollen vielleicht gar nicht in Renten gehen, weil sie ihre Berufstätigkeit noch nicht aufgeben wollen oder können."

Wodurch entstehen Konflikte in der Partnerschaft, wenn ein Partner in Rente geht?

Birgit Salewski: "Durchläuft einer der Partner diese Phase, in welcher er sich mit dieser großen Transformation auseinandersetzen muss und deren psychosoziale Konsequenzen er selbst oft nur erahnen kann, sorgt dies für viel Veränderung in der Partnerschaft, die bewältigt werden will. Die meisten Konflikte entstehen, wenn die Rente große Lebensveränderungen mit sich bringt, beispielsweise deutliche Veränderungen im Lebensstandard und damit neue Lösungen erfordert. Oder wenn einer der Partner psychisch in ein Loch fällt und diesen Übergang nicht positiv bewertet, sondern eher niedergeschlagen oder depressiv auf die Veränderung reagiert. Hier sind die Partner und auch das Umfeld oft überfordert und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Vielleicht ist es nur eine kurze Phase der Anpassung, bei manchen Menschen weitet sich dies jedoch zu einer echten Lebenskrise aus, was natürlich für jede Partnerschaft sehr belastend ist."

Macht es einen Unterschied, ob beide Partner in Rente sind oder nur einer?

Birgit Salewski: "Ist erst nur einer der Partner in Rente, entsteht eine Dysbalance im bisherigen System und Arrangement der Partnerschaft. Rollen müssen neu definiert und besprochen sowie Erwartungen abgeglichen werden. Diese Fragen sollten gemeinsam geklärt werden:

  • Was bedeutet diese Veränderung für jeden einzelnen von uns?
  • Was ist mein Wunsch, wie die Zeit nach dem Renteneintritt für mich und für uns gemeinsam aussieht?
  • Welche Erwartungen habe ich an dich und du an mich?
  • Wie gehen wir mit der Dysbalance um, wenn einer schon in Rente ist und der andere noch nicht?
  • Was bedeutet das für unsere Aufgabenverteilung, unseren Lebensstandard und unsere Freizeitgestaltung?

Wie können Konflikte vermieden werden, wenn ein Partner in Rente geht?

Birgit Salewski: "Meine Erfahrung ist, dass es am besten ist, sich sehenden Auges damit zu beschäftigen, auch wenn dies mit unangenehmen oder auch überfordernden Themen einhergeht. Sprechen Sie in der Partnerschaft, aber auch mit Freunden, Familie sowie mit anderen Rentenanwärtern und nutzen Sie psychosoziale Gesprächsangebote im Betrieb. Der Übergang in die Rente kann proaktiv gestaltet werden und braucht gedanklichen und emotionalen Vorlauf.
Angehörige sind gut beraten, sich der Situation fragend zu nähern: "Wie geht es dir, wenn du an die Rente denkst? Auf was freust du dich? Was macht dir Sorgen?" Weniger gut ist es, gleich mit Erwartungen und Zuschreibungen um die Ecke zu kommen: "Ja, DU hast es gut!" "Endlich Zeit, dich um deine Enkel zu kümmern!" Was ist aber, wenn ich selbst das nicht so positiv sehe und gar keine Lust habe, (noch) mehr Zeit mit den Enkeln zu verbringen? Deshalb immer lieber fragend ins Gespräch kommen und dem Gegenüber Zeit lassen, eine Idee zu entwickeln."

Viel Erfolg mit den Tipps wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!


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