Psychologie Tipps für den Umgang mit einem Coming-out
Outet sich eine Person aus dem nahen Umfeld als homo- oder bisexuell, tun sich immer noch viele Menschen damit schwer. Während sich die betreffende Person unter Umständen jahrelang auf diesen Moment vorbereitet hat, ist es für das Gegenüber möglicherweise erstmal ein Schock und die spontane Reaktion fällt enttäuschend oder sogar verletzend aus. So manche Beziehung wird dadurch zerrüttet. Familientherapeutin Birgit Salewski gibt deshalb Tipps, wie Sie angemessen auf ein Coming-out innerhalb Ihres Familien- oder Freundeskreises reagieren können.
Homo- oder bisexuell zu sein, ist noch immer für viele ein Tabuthema. Warum eigentlich?
Birgit Salewski: "Ich denke nicht, dass es noch generell ein Tabuthema ist. Gerade jüngere Generationen wachsen mit einer wunderbaren Offenheit gegenüber unterschiedlichen und vielfältigen Lebens- und Liebesentwürfen auf.
Besonders in Großstädten oder Ballungsräumen herrscht eher Selbstverständlichkeit mit dem Thema als noch große Tabus. Es gibt Paare, die offen gleichgeschlechtlich leben, Regenbogenfamilien und Menschen, die sich jenseits von männlich und weiblich identifizieren. Jedoch kann es im Einzelfall natürlich ganz anders aussehen.
Leider hat sich in unserer Gesellschaft gerade wieder eine Kultur verbreitet, in der Minderheiten an den Pranger gestellt werden. Da wird weder vor Migranten, Bürgergeldbeziehenden oder Homosexuellen Halt gemacht. Dieser extremen und populistischen Kultur wird noch viel zu wenig entgegengesetzt.
Wenn man nun auf die persönliche Ebene sieht, dann tun sich manche Menschen einfach schwer, jenseits der heteronormativen Prägung zu denken. Dies ist an sich erst einmal gar nicht verwerflich, denn die überwiegende Zahl der Menschen in Deutschland bezeichnet sich als heterosexuell. Die Frage ist eher, wie begegne ich jemandem, der für sich herausgefunden hat, dass er sich in das gleiche Geschlecht verliebt und als Mann zum Beispiel mit einem Mann zusammenleben möchte, oder als Frau mit einer Frau. Wenn das in unserer Vorstellung bisher keinen Platz gefunden hat, ist nun also eine Anpassung von uns gefordert, eine andere Beziehungsform als gleichwertig anzuerkennen, obwohl ich keinerlei persönlichen Bezug dazu habe.
Aus vergangenen und schwarzen Tagen haftet der Homosexualität immer noch etwas Sündhaftes, Krankes und Unnormales an, was sich leider in manchen religiösen oder politischen Anschauungen hartnäckig hält.
Gleichzeitig schützt Artikel 3 des Grundgesetzes alle Angehörigen von Minderheiten vor Benachteiligung."
Warum ist für einige das Coming-out ein schwerer Schritt?
Birgit Salewski: "Dem Coming-out geht meistens ein so genanntes inneres Coming-out voraus, das heißt das eigene Wahrwerden, was mit mir eigentlich los ist. Selbst zu der Einsicht zu kommen, homosexuell zu sein, ist meistens noch ein sehr einsamer und nicht geteilter Prozess.
Und dann kommt die Frage. Wem sage ich es? Wie wird die Reaktion darauf sein? Dann ist es wieder ein Unterschied, wie ich mein Umfeld bisher erlebt habe. Habe ich die eigenen Eltern bisher als offen und warmherzig erlebt? Sind meine Eltern eher schnell mit Urteilen über andere, oder weiß ich vielleicht sogar schon, dass sie Homosexualität nicht akzeptieren? Letzteres erschwert vermutlich, dass ich mich vertrauensvoll an meine eigenen Eltern wende.
Oft sind Freunde oder Geschwister die ersten Bezugspersonen, welchen man sich offenbart und anvertraut. Die Furcht vor Ablehnung ist allgemein sehr groß, besonders wenn wir uns als erwachsene Menschen outen, da wir so unsere bisherige Identität neu definieren, in einem doch recht offenkundigen Punkt: Wen wir lieben und mit wem wir zusammenleben."
Outet sich jemand, kann das für Freunde oder Familienmitglieder erstmal ein Schock sein. Wie verhalte ich mich angemessen, wenn sich ein Familienmitglied oder Freund mir gegenüber outet und sagt, er oder sie sei schwul beziehungsweise lesbisch?
Birgit Salewski: "Am besten begegnet man jedem Menschen, der sich ein Herz nimmt und mir so etwas Wichtiges anvertraut, mit Liebe und Dankbarkeit. Wenn mir jemand so etwas erzählt, dann heißt es, ich bin ein wichtiger Mensch in seinem Leben. Er oder sie vertraut mir und dieses Vertrauen sollten wir nicht verspielen. Natürlich kann ich sagen, dass ich damit nie gerechnet hätte und vielleicht im ersten Moment sehr überrascht war. Oder ich kann fragen: Seit wann empfindest du so?"
Wie sollte man auf keinen Fall reagieren? Welche Sätze sollten einem möglichst nicht über die Lippen kommen?
Birgit Salewski: "Ganz schlimm für die Betroffenen sind Reaktionen, die Vorwürfe machen oder ausschließen. Menschen, die homosexuell empfinden, haben sich dies nicht ausgesucht. Wenn man so will, sind sie so auf die Welt gekommen, niemand hat gefragt. Daher hat auch niemand eine Wahl, wie er oder sie empfindet."
An welche Stellen können sich Betroffene - seien es Personen, die sich outen möchten, oder deren Angehörige - wenden?
Birgit Salewski: "Es gibt den bundesweiten Verband für Lesben und Schwule. Hier finden Sie zahlreiche Informationen und können persönliche Beratungsgespräche ausmachen."
Viel Erfolg mit den Tipps wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!