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Bücher Nominierte Romane für den Bayerischen Buchpreis 2024

Am 7. November 2024 wird in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz der Bayerische Buchpreis verliehen. Die Gewinner stehen noch in den Sternen, doch die Nominierungen stehen schon fest. Buchexpertin Sabine Abel stellt Ihnen die drei Romane vor, die in der Kategorie Belletristik auf eine Auszeichnung hoffen dürfen. Außerdem wird eine Autorin den Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten erhalten. Sie startete vor rund dreißig Jahren mit einer Krimireihe, deren "Commissario" aktuell den 33. Fall löst und zu einer Kultfigur geworden ist.

Stand: 02.10.2024

Drei Bücher mit Fragezeichen | Bild: BR / Britta Barchet

Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir?

Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Sie schreibt mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sein, wer sie will und sagen, was sie will - und das vermeintlich ohne Konsequenzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben, in dem sie immer unterwegs, immer besorgt um Jupiter, immer beschäftigt und eingebunden ist. Also flüchtet Juno ab und zu vor ihrem Alltag ins Internet und spielt dort Spielchen mit Männern, die sie anlügen. Sie selbst wird auch zur Lügnerin. Eines Tages trifft Juno auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine. Und trotz der Entfernung entsteht eine Verbindung zwischen ihnen.

Sabine Abel: "Zu Benu aus Nigeria entwickelt Juno eine freundschaftliche Beziehung, obwohl sie weiß, dass er ein mieser Betrüger ist. Aber er hilft ihr bei der Flucht aus dem Alltag, in dem Juno viel Rücksicht auf ihren an MS erkrankten Mann Jupiter nehmen und ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen muss. Doch bald ist beim Chatten mit Benu nicht mehr klar, wer mit wem seine Spielchen treibt.
Im Mittelpunkt stehen das Doppelleben und die Sehnsüchte von Juno, die gerne die Realität wegschieben möchte, aber doch immer wieder von ihr eingeholt wird. Wunderbar empathisch geschrieben, ohne sentimental zu werden. Vielschichtig und tiefgehend, aber zugleich leichtfüßig und schräg. Die Geschichte regt zum Nachdenken an und hat mich mit einer Frage zurückgelassen: Sind Juno und Jupiter römische Götter in einem modernen Plot oder hat Autorin Martina Hefter die Namen von Juno, der Göttin der Fürsorge, und Jupiter, dem mit Juno verheirateten Göttervater, einfach sehr passend gewählt?"

Clemens Meyer: Die Projektoren

Von Leipzig bis Belgrad, von der DDR bis zur Volksrepublik Jugoslawien, vom Leinwandspektakel bis zum Abenteuerroman. Schonungslos und rasant erzählt ‚Die Projektoren' von unserer an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart und von unvergleichlichen Figuren: Im kroatischen Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die abenteuerlichen Dreharbeiten der Winnetou-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt, mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die die Sinnlosigkeit ihrer Ideologie erleben muss. Und in Leipzig werden bei einer Konferenz in einer psychiatrischen Klinik die Texte eines ehemaligen Patienten diskutiert: Wie gelang es ihm, spurlos zu verschwinden? Konnte er die Zukunft voraussagen? Und was verbindet ihn mit dem Weltreisenden Dr. May, der einst ebenfalls Patient der Klinik war?

Sabine Abel: "Clemens Meyer ist der derzeit wichtigste ostdeutsche Autor der Gegenwart und bekannt für seine voluminösen Werke mit vielen Erzählsträngen und Figuren. Was er wirklich gut kann, ist, die verschiedenen Stränge so miteinander zu verflechten, dass der Leser von der ersten (der rund 1000 Seiten!) an wissen möchte, wohin die Reise geht.
Mit seiner brillanten Art des Erzählens bringt Clemens Meyer die Leser in verschiedene Zeiten und an verschiedene Orte: Wir begleiten den jugoslawischen ‚Cowboy', der als Kind seine Eltern verliert und sich einer Partisanengruppe anschließt, vom 20. ins 21. Jahrhundert. Viele Nebenfiguren sind echte Persönlichkeiten der Filmgeschichte, die in Plots von Karl May verwoben werden. Rote Fäden sind der Krieg und was er anrichtet, außerdem immer wieder der Western und das Kino, welches alle Geschehnisse ins titelgebende Licht seiner Projektoren taucht. Ein Roman für alle, die eine ausgefeilte, sehr kluge Sprache lieben, es mit vielen ineinander verwobenen Themen komplex mögen und sich gerne auf eine Geschichte einlassen, in der sie sich verlieren können."

Alexandra Stahl: Frauen, die beim Lachen sterben

Lieber wäre Iris nicht hier, allein auf einer griechischen Insel. Wo sie von herrenlosen Katzen verfolgt wird, der Mann an der Supermarktkasse aussieht wie Kevin Spacey und das Paar nebenan nachts mit dem Bett durch die Wand zu brechen droht. Doch Iris will zur Ruhe kommen und verstehen, was zwischen ihr und ihren Freundinnen Ela und Katja geschehen ist, was die beiden überhaupt einmal zu Freundinnen gemacht hat. Möchte nachvollziehen, warum sie Jahre mit Simon verbracht hat, obwohl sie das nie sein wollte: eine Frau in einer Beziehung, schon gar nicht mit einem Schriftsteller. Also denkt sie nach, über ihr Leben und welche Rolle sie darin spielt. Und was überhaupt noch wichtig ist, wenn etwas, das ihr einmal alles bedeutet hat, verloren und egal geworden ist.

Sabine Abel: "Die junge Berliner Autorin landete schon mit ihrem ersten Buch ‚Männer ohne Möbel' einen Erfolg. Ihr neuer Roman handelt von einer Frau, die mit den wichtigen Dingen in ihrem Leben ringt: ihrem Beruf, ihrer Beziehung und ihren Freundschaften. Die Menschen, die Iris wichtig waren, haben sich verändert, aber sie selbst scheint immer noch dieselbe zu sein wie früher, mit denselben Vorlieben, zum Beispiel fürs Ausgehen.
Alexandra Stahl erzählt mit viel schwarzem Humor, wie Iris ihren Job kündigt, um mehrere Wochen auf einer griechischen Insel zu verbringen, weil sie gehört hat, dass man hier super gut eine Auszeit machen kann. Sie trifft unterschiedliche Menschen und denkt darüber nach, was alles gut und schlecht in ihrem Leben ist. Die Einsichten treffen sie wie Blitzschläge, so klug, dass man sich die Sätze am liebsten unterstreichen möchte. Zwischendrin wird's auch mal traurig, bleibt dabei aber immer erfrischend witzig. Für mich geht es in der Geschichte um unser modernes Leben, in dem wir alle Möglichkeiten haben und uns nicht entscheiden müssen - es am Ende aber doch schade ist, wenn wir uns nicht entschieden haben."

Donna Leon: Venezianisches Finale - Commissario Brunettis erster Fall

Skandal in Venedigs Opernhaus ‚Teatro La Fenice': In der Pause vor dem letzten Akt der ‚Traviata' wird der deutsche Stardirigent Helmut Wellauer tot aufgefunden. In seiner Garderobe riecht es nach Bittermandel - Zyankali. Ein großer Verlust für die Musikwelt und ein heikler Fall für Commissario Guido Brunetti. Und es scheint, als ob einige Leute allen Grund gehabt hätten, den Maestro unter die Erde zu bringen. Der Commissario entdeckt nach und nach einen wahren Teufelskreis aus Ressentiments, Verworfenheit und Rache. Sein Empfinden für Recht und Unrecht wird auf eine harte Probe gestellt. Mit ihrem ersten Kriminalroman zeichnet Donna Leon ein intimes Portrait Venedigs und stellt mit Guido Brunetti einen absolut unwiderstehlichen Detektiv vor.

Sabine Abel: "Schon mit ihrem ersten Band der Commissario-Brunetti-Reihe landete Donna Leon einen echten Hit. Er war der Anfang einer großartigen Erfolgsgeschichte mit inzwischen 33 Fällen. Wer noch keines der Bücher gelesen hat, hat bestimmt schon einmal die Verfilmung mit Uwe Kockisch als Commissario Brunetti im Fernsehen gesehen.
Donna Leon schafft es, in ihren Fällen immer wieder neue, spannende Geschichten zu erzählen und kommt dabei ohne Horrorelemente oder großes Blutvergießen aus. Neben der Krimihandlung geht es auch um die italienische Lagunen-Stadt Venedig, die Menschen dort und aktuelle Themen wie Umweltschutz, Hochwasser oder politische Missstände. Mit Commissario Brunetti hat Donna Leon eine sympathische Kultfigur geschaffen, die nicht nur knifflige Fälle löst, sondern sich auch privat weiterentwickelt, Ehekrisen oder Probleme mit den Kindern durchlebt.
Alle Bände sind sehr stimmungsvoll, schwarzhumorig und mit Tiefgang, aber nicht anstrengend oder brutal. Dafür gibt es den neuen Ausdruck ‚Cosy Crime'. Den hat Donna Leon in meinen Augen schon mit dem ersten Band vor rund 30 Jahren erfunden."

Viel Freude beim Lesen wünschen Sabine Abel und "Wir in Bayern"!


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