Psychologie Chat-Mobbing bei Kindern
Kinder können grausam sein. Zoff unter Kindern ist nicht immer harmlos. In Zeiten von Tablets und Smartphones wandern solche Konflikte allerdings vom Spielplatz zu uns nach Hause, ins eigene Kinderzimmer. "Chat-Mobbing" ist ein leider weit verbreitetes Phänomen unserer Zeit. Wie wir damit umgehen können, erklärt Familientherapeutin Birgit Salewski.
Die Technik ist mittlerweile kinderleicht, aber ist es deshalb auch eine gute Idee, Kinder mit dieser Technik auszustatten?
Birgit Salewski: "Digitale Medien gehören zu unserem Alltag, wie eben auch analoge Medien. Ich halte es für sinnvoll, dass Kinder einen Umgang mit diesen Medien erlernen, im Sinne einer Medienerziehung. Kinder und Jugendliche (und manche Erwachsene ebenso) müssen die Funktionsweisen und Macharten hinter den Medien verstehen lernen und erkennen können. Ein einfaches Beispiel ist: Was ist der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen? Wie erkenne ich, welche Inhalte im Internet von echten Journalisten und seriösen Medienhäusern veröffentlicht wurden oder die Meinung einer Privatperson darstellen?
Deshalb würde ich empfehlen, Medien nicht künstlich aus dem Leben der Kinder fern zu halten, sondern sie altersentsprechend und mit Begleitung an Medien heranzuführen. Wichtig ist, die Kinder nicht alleine zu lassen mit der Flut an Inhalten, sondern diese vorzusortieren und sowohl Inhalte als auch Zeit zu begrenzen.
Mittlerweile wissen wir, wie wichtig das Schreiben und Lernen mit der Hand auf echtem Papier ist. Daher sollte hier der klassische Weg, Lesen und Schreiben zu lernen, auf keinen Fall zu kurz kommen."
Kannst du bestimmte Altersgrenzen empfehlen?
"Unter 3 Jahren braucht meiner Meinung nach ein Kind keinerlei Medien wie Fernsehen, Smartphone oder Internet. Für die Eltern mag es manchmal praktisch sein, einen digitalen Babysitter zu nutzen. Für die geistige, psychische und geistige Entwicklung der Kinder halte ich angeleitetes Spiel, Vorlesen, Singen, Bewegung, Förderung der Motorik für wesentlich geeigneter.
Unter 9 bis 10 Jahren braucht ein Kind meiner Meinung nach auch noch keine Spielkonsole oder das Internet. Das finde ich erst ab dem Ende der Grundschule, mit Eintritt an die weiterführende Schule, sinnvoll.
Bis zum Alter von 14, 15, 16 Jahren sollten Eltern immer ein Auge darauf haben, welche Inhalte Jugendliche im Netz konsumieren, mit wem sie alles chatten und wem oder was sie im Internet begegnen.
Meiner Meinung nach haben PC, Spielkonsole oder Smartphone ihren Platz nicht im Kinderzimmer, sondern dort, wo Eltern die Nutzung einsehen und mitbekommen können.
Wichtig ist, eine bewusste Mediennutzung und keine Dauerberieselung."
Smartphones und -watches sind ein praktisches Tool, seine Kinder auf Schritt und Tritt zu "überwachen". Kann das Schaden anrichten, Stichwort Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Kinder?
"Viele Eltern haben oft die Sorge, dass ihr Kind im Falle des Falles nicht schnell mit dem Smartphone anrufen kann, wenn es sich verspätet, oder im schlimmsten Falle Hilfe holen kann. Ich halte diese Sorgen oft für übertrieben, will aber Eltern auch nicht diese Sicherheit gänzlich rauben.
Eltern müssen meiner Meinung nach Kindern beibringen, wie sie ohne das Smartphone klarkommen. Das heißt, sie müssen lernen sich zu orientieren, Wege einüben, Telefonnummern auswendig kennen, lernen um Hilfe zu fragen. Eltern hingegen müssen es aushalten können, nicht immer zu wissen, wo genau ihre Kinder gerade stecken, wenn sie mit Freunden unterwegs sind, oder mal eine halbe Stunde zu spät kommen."
Sollten Eltern das Handy ihrer Kinder kontrollieren und die Chats lesen?
"Kinder haben ein Recht auf ihre Privatsphäre, auch in sozialen Medien. Dennoch ist es das berechtigte Interesse der Eltern, zu wissen, mit wem das Kind Kontakt hat, ob diese Kontakte für das Kind okay sind. Spätestens, wenn Kinder oder Jugendliche traurig, unausgeglichen oder belastet wirken, ist es auch wichtig zu fragen, wie es in den sozialen Medien so läuft und ob etwas vorgefallen ist. Viele Eltern denken zu wenig an diesen Raum der Erfahrung von Kindern und Jugendlichen."
Was ist die Definition von "Mobbing"? Wie kann Mobbing aussehen?
"Mobbing ist das anhaltende psychische/soziale Anfeinden, Schikanieren, Beschämen, Quälen durch eine Person oder Gruppe, das teilweise oder ganz in der Öffentlichkeit stattfindet.
Es ist das bewusste Schaden einer Person, mit dem Ziel, sie sozial auszugrenzen, sie zu beschädigen oder psychisch zu demütigen.
Bei Kindern fängt das mit Beleidigungen, Lügengeschichten, sozialer Ausgrenzung, Hänseleien an. Es kann bis hin zu massiven Bedrohungen, Beleidigungen und tatsächlichen Übergriffen gehen."
Chats bieten mangels Gestik/Mimik viel Raum für Missverständnisse. Wie lassen sich diese klären?
"Wie im Gespräch auch. Indem man nachfragt: 'Wie meinst Du das?' Hier darf man die Missverständnisquote nicht überbewerten, im direkten Kontakt von Mensch zu Mensch haben wir gute Möglichkeiten mit Unstimmigkeiten umzugehen, diese lassen sich auch auf Medien übertragen."
Und wenn es nun doch kein Missverständnis war und feststeht: Mein Kind wird gemobbt?
"Zunächst empfehle ich: Sich ganz klar an der Seite des Kindes positionieren und das Unrecht klar benennen. Dann im nächsten Schritt Lehrer, andere Eltern und manchmal sogar die Polizei hinzuziehen. Oft wird viel zu lange weggesehen und nichts unternommen. Oder die Kinder 'sollen es selbst unter sich regeln', was oft eine völlige Überforderung für ein von Mobbing betroffenes Kind ist."
Gibt es Anzeichen, die darauf hinweisen, dass ein Kind gemobbt wird?
"Wenn Kinder und Jugendliche sich zurückziehen, niedergeschlagen sind, nicht mehr in die Schule wollen, Freunde nicht mehr sehen wollen oder körperliche Symptome entwickeln, wie Bauchweh, Kopfweh, Übelkeit, häufiger verletzt sind - dann ist es wichtig, das Gespräch zu suchen und konkret nachzufragen."
Umgekehrter Fall: Ich erfahre oder finde heraus, dass mein eigenes Kind ein Cyber-Bully ist und andere Kinder mobbt. Was kann ich tun?
"Hier ist es wichtig, das Kind nicht anzuklagen, sondern die Hintergründe und Motive für das Verhalten erfahren zu wollen. Machen Sie Ihrem Kind deutlich, dass Sie sich wünschen, dass Ihr Kind sein Verhalten schnell ändert. Begleiten Sie Ihr Kind dabei, sich auch anders verhalten zu können.
Leider verwechseln Eltern oft die Fähigkeit zur Durchsetzung und Selbstbehauptung mit Gewaltausübung. Ein schlimmer Denkfehler!"
Viel Erfolg wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!