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Psychologie Gute Tipps gegen schlechtes Gewissen

Stellen Sie häufig Ihr eigenes Verhalten in Frage und plagt Sie gerne ein schlechtes Gewissen? Meist fühlt sich das sehr unangenehm an. In bestimmten Situationen, wenn wir einen gravierenden Fehler gemacht haben, ist ein schlechtes Gewissen normal. Aber wenn der moralische und emotionale Kompass uns zu oft sagt, dass wir etwas falsch gemacht haben, stimmt etwas nicht. Tipps von Familientherapeutin Birgit Salewski.

Stand: 03.05.2023

Junge Frau hält sich die Hand vor die Augen. | Bild: picture alliance

Was steckt grundsätzlich hinter dem Phänomen "schlechtes Gewissen"?

Birgit Salewski: "Bevor wir das verstehen können, müssen wir erst einmal wissen, was denn das Gewissen ist: Eine moralische Instanz in uns, die von gesellschaftlichen, kulturellen, weltanschaulichen und spirituellen Dimensionen geprägt ist. Es entsteht quasi ein innerer Kompass, an welchem wir Phänomene der Welt zum Beispiel in richtig und falsch, gut und böse, angemessen und unangemessen bewerten. Damit beurteilen wir auch uns selbst und die Menschen in unserer Umgebung.

Ein schlechtes Gewissen haben wir dann, wenn unser Verhalten nicht mit unseren Werten, dem Gewissenskompass, übereinstimmt, wenn wir uns selbst in unseren Werten enttäuscht haben. Oft geht ein schlechtes Gewissen mit den Gefühlen von Schuld und/oder Scham einher. Es handelt sich also im schlechtesten Falle um einige unangenehme Gefühle, die auf Dauer sogar krank machen können."

Von welchen Faktoren ist ein schlechtes Gewissen abhängig?

Birgit Salewski: "Menschen mit einer stabilen Persönlichkeit und einem gut ausgeprägten Selbstwertgefühl haben oft weniger Probleme, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und beispielsweise einen Fehler einzugestehen. Sie suchen auch häufiger nach Lösungen, ihre Fehler wieder gut zu machen und bleiben aktiv in der Lösungssuche, wenn sie etwas verschuldet haben. Das heißt, sie stellen sich den Situationen und sehen Fehler nicht im Wiederspruch zu ihrem Selbst. Sie verzeihen sich auch leichter und sind gnädiger im Umgang mit sich selbst.
Ich beobachte, dass Menschen, die viel Wert auf Leistung und Perfektion legen, oft von einem schlechten Gewissen geplagt werden, was sie noch weiter antreibt: Sie versuchen quasi als Vermeidungsstrategie gegen ein schlechtes Gewissen, immer mehr und immer besser zu leisten, um eigene Erwartungen oder (empfundene) Erwartungen anderer zu erfüllen. Das ist fast wie ein Teufelskreis."

Warum können einen diese Schuldgefühle so sehr belasten?

Birgit Salewski: "Heute wissen wir, dass Gefühle wie Scham oder Schuld sehr belastend sind und dauerhaft krank machen können. Menschen neigen dazu, diese Gefühle zum Beispiel durch Leistung zu kompensieren oder sie versuchen, diese zu betäuben (etwa mit Suchtmitteln wie Alkohol oder Drogen). Häufig werden auch Ablenkungsstrategien verfolgt wie exzessives Fernsehen oder Spielen. Depressionen, Suchterkrankungen oder auch Ängste werden mit Schuld und Scham in Zusammenhang gebracht."

Ist ein schlechtes Gewissen immer negativ oder kann es auch positive Auswirkungen haben?

Birgit Salewski: "Ein schlechtes Gewissen ist wie eine emotionale Alarmanlage: Hier ist etwas womöglich falsch gelaufen, schau nochmal genau hin!
Wir haben also die Möglichkeit, diese Gefühle zum Anlass zu nehmen, uns selbst sowie Zuschreibungen von außen zu hinterfragen. Habe ich mich falsch verhalten? Redet mir jemand nur ein, ich hätte mich falsch verhalten? Diese Ebenen gilt es zu trennen und zu reflektieren. Dann kann ich entweder Verantwortung übernehmen und mich beispielsweise entschuldigen oder ich kann Schuldzuweisungen zurückweisen und mich innerlich wieder sammeln und beruhigen."

Ist schlechtes Gewissen steuerbar?

Birgit Salewski: "Sofern wir in den oben genannten Selbstreflexionsprozess einsteigen und lernen, Situationen zu analysieren und zu hinterfragen, bleiben wir auch handlungsfähig und können so auch den Gefühlen begegnen. Dazu gehört sich eine Rückmeldung von Vertrauenspersonen einzuholen und sich selbst wieder zu beruhigen. Selbstberuhigung geht damit einher, dass wir uns wieder handlungsfähig fühlen und uns nicht von negativen Gefühlen einfach überrollen oder wegschwemmen lassen."

Welche Strategien gibt es, um ein schlechtes Gewissen loszuwerden?

Birgit Salewski:

  • "Hinterfragen Sie die einzelnen Situationen und übernehmen SieVerantwortung für Ihr eigenes Verhalten.
  • Wenn die Verantwortung nicht bei Ihnen liegt, dann weisen Sie Vorwürfe oder Schuldzuweisungen klar zurück.
  • Blicken Sie optimistisch in die Zukunft und nehmen Sie sich kleine Schritte vor, wenn Sie ihr Verhalten ändern wollen und wieder mehr im Einklang mit Ihren Werten leben wollen.
  • Wenn sich Werte und moralische Vorstellungen als nicht mehr passend erweisen sollten, dann hinterfragen Sie diese und bilden Sie so behutsam einen neuen Wertekompass aus, der Ihnen Ihren Alltag leichter macht. Damit meine ich nicht, dass Sie sich nachträglich Legitimationen für Ihr Verhalten zusammenbasteln sollen, aber mit manchen Werten empfiehlt sich im Laufe der wachsenden Lebenserfahrung ein anderer Umgang."

Was empfiehlst du Menschen, die häufig mit Schuldgefühlen zu kämpfen haben?

Birgit Salewski: "Suchen Sie sich professionelle Begleitung, um diese Schuldgefühle behutsam zu bearbeiten. Manchmal muss auch etwas verarbeitet werden, was in der Vergangenheit geschehen ist und was immer noch Schuldgefühle hervorrufen kann. Hier gilt es, adäquate Strategien zu erarbeiten.
Andere Menschen leiden darunter, dass ihnen in der Kindheit oder Vergangenheit permanent Schuldgefühle eingeredet wurden, die einem als erwachsener Mensch immer noch das Leben schwermachen. Auch hier empfiehlt sich eine Begleitung, um einen neuen Umgang mit diesen unweigerlich belastenden Gefühlen zu finden." 

Wie kann man präventiv gegen die Entwicklung eines schlechten Gewissens vorgehen?

Birgit Salewski: "Stärken Sie Ihren Selbstwert, Ihre Selbstreflexionsfähigkeit und vertrauensvolle Beziehungen! Dies ist die beste Grundlage, um sich vor einem schlechten Gewissen zu wappnen."

Viel Erfolg mit den Tipps wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!


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