Psychologie Freundschaften im Kindes- und Jugendalter
Freundschaften haben schon im Kindes- und Jugendalter eine hohe Bedeutung. Familientherapeutin Birgit Salewski gibt Tipps, wie Eltern bzw. Großeltern ihre Sprösslinge unterstützen können, gute Freundschaften zu führen.
"Die Bedeutung wird klarer, wenn wir uns vergegenwärtigen, was Freundschaft ist. Freundschaft ist eine ganz besondere Beziehungsform, die sich durch Vertrauen und Sympathie von Bekanntschaften abgrenzt. Sie ist eine freiwillige Beziehung unter Gleichen, das heißt, es gibt keine Hierarchie oder bestimmte Rollen. Freundschaften sind sehr flexible und dynamische Beziehungen, die im Erwachsenenalter oft ein Leben lang halten. Studien zeigen, wer echte Freundschaft erlebt, ist gesünder und zufriedener. Ein Mensch, der Freunde hat, geht leichter durch Krisen und ist sozial und emotional kompetenter. Bereits Babys interessieren sich für 'Gleiche' und nehmen Kontakt zu ihnen auf. Dieser Kontakt ist noch zufällig und beliebig. Mit dem Kindergartenalter entstehen dann die ersten, wenn auch teilweise nur episodischen Freundschaften. Aber Sympathie und gemeinsame Interessen werden wichtiger. Im Kindesalter dreht sich viel um gemeinsames Spielen und sich Ausprobieren im sozialen Gefüge. Aber es wird auch schon nach Loyalität und Sozialverhalten ausgesiebt. Wenn Kinder sich z. B. gemein verhalten, sind sie bei anderen schnell 'unten durch'.
Kinder schaffen sich sehr früh ihren eigenen sozialen Raum in Abgrenzung zum Leben mit den Erwachsenen. Daher müssen Eltern auch nicht immer alles verstehen, was gerade vor sich geht. Eltern sollten sich auch nicht viel einmischen, denn das macht Kinderfreundschaften aus: Erwachsene haben keinen Zutritt!
Im Laufe der Zeit werden dann die Freundschaften enger und auch wichtiger. Sie dienen nun vermehrt der Abgrenzung zur Familie und sind wichtig für das Entdecken des eigenen Ichs. Durch sogenannte Peergroups und Freundschaften werden Jugendliche mit sozialisiert. Hier erleben sie ohne die Einmischung der Erwachsenen ein soziales Gefüge, das sie aktiv mitgestalten, in welchem es Bindung und Auseinandersetzung gibt und in welchem sie Verantwortung übernehmen müssen. Freundschaft hat bei den Jugendlichen in Deutschland einen extrem hohen Wert und ist auch für das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen extrem wichtig. In Freundschaften erleben sie Zugehörigkeit, Geborgenheit, Bestätigung und Vertrauen."
"Keine Freundschaften zu schließen oder gar Außenseiter zu sein, kann zahlreiche negative Folgen haben. Deswegen sollten Eltern Wert darauf legen, Kinder zu unterstützen, Freundschaften aufzubauen. Aber Vorsicht vor arrangierten Freundschaften, das klappt oft nicht und Kinder erleben erneut Ablehnung."
"Ein erster wichtiger Schritt ist: Vertrauen Sie in Ihr Kind, dass es Freunde finden wird. Vielleicht nur ein oder zwei Freunde, aber mehr müssen es am Anfang auch nicht sein.
Der zweite wichtige Schritt ist, dass Eltern ihren Kindern jede Freundschaft gönnen sollten. Das heißt, dass sie eine offene Haltung gegenüber Gleichaltrigen, die ihre Kinder zu interessieren scheinen, haben sollten.
Als Eltern muss man manchmal etwas auf sich nehmen, um die Kontakte der Kinder zu fördern: zur rechten Zeit auf dem Spielplatz sein, an Einladungen teilnehmen, Termine aus dem Sportverein wahrnehmen etc. Selbst Einladungen aussprechen und Kinder in Ihrem Zuhause willkommen heißen."
"Ganz klar: sich Zeit nehmen oder Absprachen mit anderen Eltern treffen. Je besser Sie als Eltern vernetzt sind, umso besser ist es für die Kinder."
"Erst mal die Kinder machen lassen und wenn nötig nur mit ein paar Regeln unterstützen, z. B. dass nicht gehauen wird. Einzelkinder haben oft noch nicht so viel Streiterfahrung, die muss erst gelernt werden. Direkte Auseinandersetzung, Aushandlung und Aussöhnung sind zentrale Elemente des menschlichen Zusammenlebens. Diese werden unter Gleichen, mit Geschwistern und Freunden gelernt.
Wenn ernsthaft dicke Luft in einer Freundschaft herrscht oder Eifersucht ein Thema ist, dann lohnt es sich, aufmerksam zu bleiben. Kinder und Jugendliche können sehr darunter leiden, wenn in Freundschaften der Segen schief hängt."
"Das Einfachste: Praktizieren Sie eine Kultur der offenen Tür. Laden Sie Kinder ein, schaffen Sie ein Klima, dass sich Ihre Kinder und deren Freunde auch gerne bei Ihnen zu Hause aufhalten. Ziehen Sie sich als Erwachsene aber nicht unnatürlich zurück. Spielen können die Kinder besser alleine, gegessen und dabei geratscht wird zusammen.
Und Sie können Ihre Kinder jederzeit fragen, wenn Sie etwas über die Freunde erfahren möchten. Tun Sie das mit einer offenen Haltung."
"Kinder, die sich von anderen Kindern negativ beeinflussen lassen, haben oft selbst Probleme oder einen geringen Selbstwert. Kinder aus zerrütteten oder chaotischen Familien suchen viel stärker nach Außenkontakten.
Auch hier gilt: Schauen Sie wachsam zu, unterstützen Sie Ihr Kind dabei, selbstbewusst und selbstsicher zu werden. Versuchen Sie in einem ersten Schritt, immer die Kinder zusammen zu erleben, laden Sie ein, nehmen Sie die Freunde mit in den Urlaub, lernen Sie die Eltern kennen. Ist es wirklich so schlimm oder haben Sie vielleicht nur Vorurteile, weil Ihnen die neuen Freunde nicht gut genug sind?"
"Eltern sind für Kinder wichtige Vorbilder und Modelle, wie man Freundschaften pflegt. Das Gratulieren zum Geburtstag, die gemeinsamen Feste und Feiern sowie das Anteilnehmen am Leben des anderen, der kein Familienmitglied ist, sind wichtige Eindrücke für Kinder und Jugendliche. Sie erleben so ein weiteres soziales Netz, das nicht einfach gegeben ist, sondern aus vielen einzelnen Handlungen besteht, die die Freundschaft nähren und festigen. Außerdem haben diejenigen Eltern, die einige gute Freundschaften pflegen, auch kompetentere Kinder, was Freundschaften angeht.
Gesamtgesellschaftlich halte ich das Eingehen und Pflegen von echten Freundschaften für eine unserer wichtigsten Fähigkeiten, die es zu lernen und von uns Erwachsenen zu fördern gilt."