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Psychologie So bleiben Freundschaften im Lockdown erhalten

Ausgangsbeschränkungen, Kontaktreduzierungen, Lockdown. Das Leben in Zeiten der Pandemie stellt uns vor große, unbekannte Herausforderungen - darunter leiden auch unsere Freundschaften. Wie wir dennoch positiv bleiben können, und wie sich Freundschaften auch unter diesen besonderen Umständen pflegen lassen, erklärt Familientherapeutin Birgit Salewski.

Stand: 21.01.2021

May 25, 2020, Tangerang, Banten, Indonesia: TANGERANG, INDONESIA - MAY 25, 2020 : Volunteers and the medical team invited covid-19 patients for morning gymnastics activities at the Covid-19 shelter yard amid concerns of the COVID-19 coronavirus outbreak in Tangerang, Banten province, Indonesia, on May 25, 2020.  | Bild: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Ichalchem / Sijori Images

Wie pflegen wir Freundschaften in Zeiten des Lockdowns?

Für Freundschaften bleibt in Lockdownzeiten wenig Gelegenheit und Raum. Wie wichtig sind Freundschaften? "Lohnt" es sich, auch in Lockdownzeiten Freundschaften zu pflegen?

Birgit Salewski: "Ja, unbedingt - sofern die jeweiligen Ressourcen es zulassen. Tatsächlich erleben die Menschen die aktuellen Pandemie-Beschränkungen ja sehr unterschiedlich. Es gibt gerade die unterschiedlichsten Modelle, was der Lockdown für die Menschen bedeutet: Die einen haben Freizeit und widmen sich in aller Ruhe ihren Hobbys, während die anderen nicht wissen, wie sie ihren Beruf (vielleicht sogar systemrelevant!), Homeschooling, die Versorgung von Angehörigen oder die Sorgen um das eigene Geschäft oder Unternehmen noch weiter aushalten sollen. In dieser Situation ist es gut und richtig, wenn unsere Freundschaften sich bewähren und Menschen, die über mehr Ressourcen verfügen, dort unterstützen, wo anderen die Situation schlicht zu viel wird. Und das kann eben sein, zu signalisieren, dass man Verständnis für die jeweilige Situation hat und eben auch unterstützt."

Was definiert eine Freundschaft eigentlich? Ist jetzt vielleicht auch die Zeit, um festzustellen, wer meine "wahren" Freundinnen und Freunde sind?

"Freundschaften sind freiwillige Beziehungen zu Menschen, mit welchen wir nicht verwandt sind und die auf Sympathie, ähnlichen Interessen/Werten und Vertrauen beruhen. Freundschaften zeichnen sich aus durch eine gewisse emotionale Nähe und Verbundenheit. Aktuell erleben auch Freundschaften ihre Belastungsproben und viele Menschen werden mit Auseinandersetzungen konfrontiert, die es natürliche ohne das Thema der Pandemie nicht (oder nicht so) gegeben hätte. Daher rate ich sehr, diese Diskussionen nicht zu heißblütig und zu emotional zu führen. Wir alle sind immer noch neu in dieser Situation und in ein paar Monaten kann man selbst vielleicht auch Dinge anders betrachten oder bewerten. Da wäre es schade, wenn vorab Freundschaften zerbrochen wären. Viele Menschen handeln gerade aus Unsicherheit und Überforderung, dass macht ruhige und sachliche Diskussionen nicht einfacher. Manche Themen darf man in dieser Zeit auch einfach auslassen.

Und natürlich konfrontiert uns eine Pandemie auch mit unserer eigenen Wertewelt. Vermutlich kommen nun Werte in den Vordergrund, die vorher vielleicht weniger in der Aufmerksamkeit standen. Das lässt auch über manche Freundschaft nachdenken und es kann sein, dass sich manche Freundschaften qualitativ verändern, näher werden oder auch gelöst werden."

Welche freundschaftlichen Gesten kann ich von meinen Freundinnen und Freunden erwarten und umgekehrt?

"Knapp gesagt: alles was hilft und möglich ist. Ein kurzer Anruf, eine Postkarte, die Weiterleitung von einer musikalischen Neuentdeckung oder der gemeinsame Abend mit Freundinnen und Freunden als Videoschalte. Glücklicherweise sind die meisten Menschen sehr kreativ und überbrücken die räumlichen Distanzgebote. Wichtig ist hier, Menschen nicht zu vergessen, die sich vielleicht schwerer tun, von sich aus Kontakt zu suchen. Vielleicht braucht auch jemand Hilfe in dieser Situation und traut sich nicht etwas zu sagen? Dann kann man eine Brücke bauen und einfach mal anrufen und fragen wie es geht."

Die Mittel sind begrenzt: Telefonieren, WhatsAppen, Video-Calls, das höchste der Gefühle ist noch ein gemeinsamer Spaziergang – genügt das?

"Tatsächlich sind das aktuell die Mittel der Wahl. Wichtiger erscheint mir die Haltung dahinter: Vermittle ich jemandem, der dies braucht, dass ich da bin, auch wenn wir uns nicht wie gewohnt treffen können? Das geht über die genannten Kanäle bestens."

Wir bewegen uns vermehrt in Social Media: Was kann ich tun, wenn ich dort sehe, dass Freundinnen und/oder Freunde in Verschwörungstheoretiker-/Querdenker-/Impfgegnerkreise abrutschen?

"Meine Idee dazu ist, dass viele Menschen gerade sehr verunsichert sind, wie sie das aktuelle Geschehen einordnen sollen. Das heißt, hier sind wichtige Gefühle wie Angst, Irritation, Orientierungslosigkeit mit im Spiel und diese sind schlechte Begleiter, wenn es um sachliche Diskussionen geht. Daher ist es hilfreicher, sich nicht zu sehr auf der Sachebene die Köpfe heiß zu diskutieren, sondern zu signalisieren: 'Ich möchte an dieser Stelle nicht mit dir streiten, aber ich respektiere deine momentane Haltung.' Manchmal ist es auch gut, sich vorzunehmen, einfach nicht über das Thema der Pandemie zu sprechen, sondern einfach zu fragen: 'Wie geht es dir? Wie geht es den Kindern? Dem Partner? Den Eltern? Wie gestaltest du gerade deine Arbeit?'

Sollte jemand zu verbissen oder belehrend auftreten, dann ist es auch wichtig, Stellung zu beziehen und zu sagen, dass man z. B. nicht ständig Mails oder Videos weitergeleitet haben möchte oder eben über dieses Thema die nächsten Wochen nicht diskutieren möchte."

Was können wir tun, damit wir uns von unseren Freundinnen und Freunden über so lange Zeit des Abstandhaltens und Nichttreffens nicht entfremden?

"Dann müssen wir uns wie so oft im Leben neu kennenlernen. In Wirklichkeit wird die Pandemie uns alle verändern und die Erfahrungen, die wir alle in den letzten Monaten gemacht haben und auch machen mussten, gehören auch in Freundschaften reflektiert und integriert. Nach wie vor halte ich die ehrliche Nachfrage bei Freunden für am hilfreichsten, um wieder in Kontakt zu kommen und zu bleiben. So bekommt man auch mit, ob und wie ein Mensch sich entwickelt, denkt, verändert, sich sorgt oder gerade gut mit dem ist, wie es ist. An die meisten Freundschaften kann man problemlos auch nach einer Zeit des reduzierten Kontaktes wieder anknüpfen. Erwachsene Freundschaften halten das aus."

Zu guter Letzt: Hast du Tipps gegen Einsamkeit und das Vermissen?

"Suchen Sie aktiv Kontakt. Sprechen Sie Freunde und Familie an, schicken Sie Nachrichten oder rufen Sie an. Wenn Freunde und Familie gerade wegbrechen, dann gibt es auch telefonische und seelsorgerische Angebote, die ja an vielen Stellen extrem ausgeweitet wurden, da die Menschen einen hohen Bedarf an Austausch haben. Wenn niemand für Sie da sein sollte, dann greifen sie zum Hörer und rufen Sie bei den öffentlichen oder kirchlichen Beratungstelefonen an."

Viel Erfolg beim Umsetzen der Tipps wünschen Birgit Salewski und "Wir in Bayern"!


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