Psychologie Toxische Beziehung: Wenn die Partnerschaft Gift ist
Jede Partnerschaft hat ihre Höhen und Tiefen. Das ist normal. Es gibt aber auch Beziehungen, in denen ein Partner unter dem Verhalten des anderen dauerhaft extrem leidet. Die Rede ist von sogenannten toxischen Beziehungen. "Wir in Bayern" hat bei Familientherapeutin Birgit Salewski nachgefragt, woran Sie solche Beziehungen erkennen und wie Sie sich aus dem Teufelskreis befreien können.
Was versteht man unter einer toxischen Beziehung?
Birgit Salewski: "Der Begriff 'toxische Beziehung' ist letztlich ein Sammelbecken für alle Arten von Paarbeziehungen, in denen einer der Partner oder beide überdurchschnittlich viel Unglück und Leid erlebt haben bzw. erleben, was auf die Dynamik zwischen den Partnern zurückzuführen ist. Das heißt, zwischen dem Paar passiert etwas, das einem oder beiden nicht guttut. Trotzdem kommt es nicht zu einer langfristigen Trennung, was man ja in einem solchen Fall annehmen würde.
Es gibt in diesen Beziehungen eine Dynamik, die das Paar nicht voneinander loskommen lässt, obwohl es einem oder beiden nicht gutgeht und keine gemeinsame positive Entwicklung zu verzeichnen ist. In jeder Beziehung gibt es Faktoren, die die Beziehung aufrechterhalten lassen. Doch hier gibt es noch weitere Faktoren neben Liebe oder Zugehörigkeit, was Partner an der Beziehung festhalten lässt: Abhängigkeiten, Bedrohungen, (emotionale) Erpressungen, Schuldzuweisungen, Gewalt etc.
Das klingt paradox, doch manche Menschen können sich, obwohl sie massives Leid erleben, nicht von ihrem Partner trennen. Oft aus Angst, Unsicherheit, empfundener Alternativlosigkeit oder Abhängigkeiten. Andere wollen sich nicht wegen der Kinder oder dem gemeinsamen Eigentum oder Betrieb trennen. Oder sie fürchten die Bewertungen durch das Umfeld, weil oft sogar nahestehende Personen nicht mitbekommen (dürfen), was sich in der Beziehung wirklich abspielt."
Was sind die Warnsignale einer toxischen Beziehung?
"Letztendlich geht es darum, herauszufinden, ob mich mein Partner oder meine Partnerin als Mensch achtet und respektiert. Für mich heißt das Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung als Grundwerte. Mit Gewaltfreiheit meine ich den Verzicht auf verbale, emotionale und körperliche Gewalt. Mit Gleichberechtigung meine ich die tief empfundene Überzeugung, dass mein Partner und ich gleich an Wert, Rechten und Pflichten sind.
Bei einer Schieflage, die an der Beziehung zweifeln lässt, sollte man genau prüfen, ob eine positive Veränderung langfristig möglich ist.
Ein wichtiges Warnsignal sind auch die Rückmeldungen von außen. Wenn der beste Freund, die beste Freundin oder die Familie das Gespräch mit einem sucht und fragt, wie es einem wirklich in der Beziehung geht und sagt, dass man sich Sorgen macht, dann sollte man dies nicht abtun, sondern wirklich über diese Rückmeldung nachdenken. Ist da etwas dran?"
Kann grundsätzlich jeder in eine toxische Beziehung geraten oder gibt es Personen, die dafür anfälliger sind?
"Grundsätzlich kann sich jeder von uns zu jemandem hingezogen fühlen oder sich in jemanden verlieben, der möglicherweise das Potential zu einer ungesunden Beziehung hat, denn es geht ja um Paardynamik. Das heißt für mich ganz klar: Beide tragen dazu bei, dass es ist, wie es ist und dass es kommt, wie es kommt.
Jemand, der einen guten Selbstwert und als erwachsener Mensch gelernt hat, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, angemessen seine Grenzen achten und aufzeigen kann, der einigermaßen zufrieden mit Freundeskreis und Berufswahl ist, derjenige sucht eher nach einer Partnerschaft auf Augenhöhe und zur gemeinsamen Entwicklung.
Wenn aber jemand in einer Krise ist, sich alleine und verlassen fühlt, sich unselbstständig und unzureichend erlebt, der wird sich möglicherweise eher auf eine Beziehung einlassen, die auch schädigende Elemente besitzt, da der Wunsch nach Beziehung und Zugehörigkeit dann oft so groß ist, dass vieles übersehen oder in Kauf genommen wird."
Gibt es die Möglichkeit, eine toxische Beziehung in gesunde Bahnen zu lenken?
"Sollten beide Partner bereit sein zur Selbstreflexion und Weiterentwicklung und vor allem dazu, echte Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, dann ja.
Sollte einer der Partner in einer persönlichen Krise stecken oder an einer (psychischen) Krankheit leiden, dann ist es oft hilfreicher, zunächst beide Partner soweit zu stabilisieren, dass sie überhaupt die Kraft und die Konzentration für die Partnerschaft aufbringen können."
Was kann man tun, wenn man in einer toxischen Beziehung steckt?
"Je nachdem, in welchem Zustand man sich in der Partnerschaft befindet oder welche Befürchtungen man hat, wenn man den Partner konfrontiert oder sich vielleicht trennt, ist Unterschiedliches möglich und ratsam.
Angefangen beim klärenden Gespräch mit dem Partner, in dem man ihm offenlegt, dass man sich nicht mehr wohlfühlt und eine Veränderung möchte. Bis hin dazu, dass man heimlich seine Sachen packt und zu einer Freundin/einem Freund, in ein Hotel oder in ein geschütztes Frauenhaus geht. Sollte selbst dieser Weg nicht möglich sein, sollte man sich Hilfe ins Haus holen, notfalls durch die Polizei."
Wie kann man Freunden oder Kindern helfen, wenn man das Gefühl hat, sie stecken in einer toxischen Beziehung?
"Wenn Sie bemerken, dass es jemandem in einer Beziehung nicht gut geht, ist es hilfreich, dies behutsam, aber deutlich anzusprechen. Dabei sollten Sie nicht kritisieren oder anklagen, denn das führt oft zur Rechtfertigung oder Verteidigung. Sagen Sie eher etwas wie: 'Ich wünsche mir für dich, dass du in einer friedlichen und guten Beziehung lebst und ich bin für dich da.' Suchen Sie den Kontakt ohne Kontrolle oder zu viel Einmischung.
Sollten aber die Sorgen zu groß werden, dann ist es gut, sich zu vernetzen, Hilfsangebote zu suchen, zu begleiten und im schlimmsten Fall auch hier die Polizei zu rufen."