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Studieren in der Pandemie Wie sind die beiden Digitalsemester gelaufen?

Zwei Semester unter Einschränkungen der Pandemie – wie sind Studierende und Hochschulen damit klargekommen? Campus hat bei Studierendenvertreter*innen in Bayern nachgefragt: Was hat sie im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 20/21 besonders bewegt, was waren die größten Herausforderungen für Studierende und wie konnten sie helfen?

Von: Susanne Bauer-Schramm

Stand: 16.02.2021

Bildschirm, Symbol für Digitalsemester kombiniert mit LAK Bayern Logo und Studierendenvertreter*innen der LAK Bayern | Bild: BR Collage:Colourbox, LAK Bayern

Anna-Maria Trinkgeld und Maximilian Frank haben als Sprecher*innen der Landes-ASten-Konferenz (LAK) Bayern sowohl im Sommer- als auch im Wintersemester die Auswirkung der Corona-Pandemie direkt zu spüren bekommen und in enger Zusammenarbeit mit den Studierendenvertretungen in ganz Bayern versucht die Sorgen und Nöte der Studierenden aufzugreifen und Lösungen für Probleme zu finden. Fast 400.000 Studierende, 40.000 Mitarbeiter*innen und 7.000 Professor*innen mussten von einen Tag auf dem anderen damit umgehen, dass das gesamte System Hochschule von 100 Prozent Präsenz auf nahezu 0 heruntergefahren werden muss.

Vorlesungsbeginn auf Ende April 2020 verschoben und Umstellung auf Digitale Lehre

Die Ankündigung des Wissenschaftsministeriums den Vorlesungsbeginn an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften aufgrund der Pandemie von Anfang März auf den 20.04.2020 zu verschieben, warf viele Fragen zum Semesterablauf auf.

Die Präsenzlehre wurde gleich zu Beginn des Sommersemesters 2020 weitgehend auf Online-Seminare, Streaming-Vorlesungen und vertonte Power-Points umgestellt. Digitale Lehre und der Verzicht auf Unterricht an den Hochschulen ist bis heute geblieben. Aus Sicht der Studierendenvertreter*innen verlief die schnelle und flächendeckende Umstellung auf digitale Lehre etwas holprig.

"Der Großteil der Dozierenden zeigte viel Engagement bei der digitalen Aufbereitung der Lerninhalte, aber die zuvor verpasste Digitalisierung der Hochschulen setzt dem Ganzen strukturelle Grenzen. Dies kann man nicht in erster Linie den Dozierenden vorwerfen, aber durchaus den Entscheidungsträger*innen in den Hochschulen und in der Politik."

Anna-Maria Trinkgeld und Maximilian Frank, LAK Bayern

Aktueller Stand der Digitalisierung an Hochschulen

Studierende mit Masken beim Lernen | Bild: colourbox.com zum Artikel Digital Studieren Reallabor - Was sagt die Forschung?

Wie haben die Hochschulen auf die Herausforderungen während der Corona-Pandemie reagiert? Das Hochschulforum Digitalisierung hat erste Ergebnisse der Begleitforschung zum Sommersemester 2020. Als eine Art “Reallabor” wurde der Semesterverlauf umfassend beforscht. [mehr]



Hochschulperle Spezial verliehen vom Stifterverband | Bild: Logo Hochschulperle, colourbox.com, Montage: BR zum Artikel Aktion Hochschulperle SPEZIAL Hochschulprojekte prämiert in der Corona Krise

Von April bis Juni 2020 vergibt der Stifterverband dreimal eine Hochschulperle SPEZIAL. Die mit jeweils 1.000 Euro dotierte Auszeichnung prämiert beispielhafte neue Ideen und Projekte, die zeigen, wie Forschen, Lehren und Prüfen in Krisenzeiten gelingen können. [mehr]


Graphic Recording bei einem Workshop "Hochschule der Zukunft" im Mai 2019
Stifterverband vergibt „Hochschulperle“ an KU Eichstätt-Ingolstadt und Netzwerk „Bildung durch Verantwortung“ | Bild: Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt zum Artikel Auszeichnung durch Stifterverband „Hochschule der Zukunft“ – ein Projekt für innovativen Wissenstransfer

Die „Hochschulperle“, eine Auszeichnung des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft geht im Monat Dezember an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und das bundesweite Hochschulnetzwerk „Bildung durch Verantwortung“ und ihr Projekt „Hochschule der Zukunft“. [mehr]

Laut der Studie „Das digitale Sommersemester 2020: Was sagt die Forschung?“ des Hochschulforums Digitalisierung waren an über 90 Prozent aller Hochschulen bereits digitale Lern- und Bildungsplattformen (LMS) im Einsatz. Die große Mehrheit (89,9 Prozent) der Hochschulen bewertet bereits im Hochschulbarometer 2020 (https://www.hochschul-barometer.de/) im Juli 2020 den Verlauf des digitalen Sommersemesters positiv. Bei der Umsetzung des digitalen Sommersemesters fühlt sich die Mehrheit der Hochschulen gut von der Politik unterstützt (56,6 Prozent). Laut einer Umfrage unter Hochschulmitarbeiter*innen sind Kommunikationsplattformen und Videokonferenzsysteme, virtuelle Schulungen von Lehrkräften sowie Online-Sprechstunden und Hotlines die wichtigsten Maßnahmen. Mehr als 70 Prozent der Studierenden und Lehrenden sind zufrieden oder sehr zufrieden mit der Akzeptanz und Umsetzung. „Die Nachhaltigkeit ist durch das Auslaufen von Finanz-Programmen fraglich, hier braucht es dringend Konzepte und Ansätze für die Hochschulen, um die Finanzierung von tragfähigen und erfolgreichen Ansätzen auch mittelfristig sicherzustellen“, so die Studie zu Veränderungsprozessen in Unterstützungsstrukturen für Lehre an deutschen Hochschulen in der Corona-Krise.

"Die digitalen Lehrwerkzeuge entwickeln sich laufend weiter. Entsprechend sind die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer auch laufend gefordert, sich selbst und ihr didaktisches Konzept weiterzuentwickeln."

Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Wunsch nach mehr Fort- und Weiterbildungsangeboten für Dozierende

Eine qualitativ hochwertige Online-Lehre ist mehr als das Vortragen von Power-Point Folien in Zoom-Räumen, sie setzt eine grundlegend andere Didaktik als die analoge Hochschullehre voraus, um das Potenzial digitaler Lehrformate nutzen zu können. Aus Sicht der Studierendenvertreter*innen braucht es flächendeckende Fort- und Weiterbildungsangebote für Dozierende sowie eine enge Kooperation der Hochschulen mit den hochschuldidaktischen Einrichtungen in Bayern.

Was war besonders schwer für die Studierenden?

Dass die Studierenden unter den erheblich veränderten Lehr- und Studienbedingungen auch Belastungen ausgesetzt sind, war für die Studierendenvertreter*innen früh klar. Probleme, wie eine schlechten Internetverbindung, die die Teilhabe an der Online-Lehre einschränkt, die fehlende direkte Kommunikation und der Verlust des essenziellen Austauschs mit den Kommiliton*innen und Dozierenden vor Ort, bis hin zu Studierenden mit Kind, die dem Vorlesungsbetrieb Online nicht mehr richtig folgen können, führten zu vielfältigen Beeinträchtigen. Die stark gestiegene Zahl von Studierenden, die sich mit ihren Sorgen und Problemen an die Studierendenvertretung ihrer Hochschule wandten, bestätigte diesen Eindruck.

Kommunikation zwischen Hochschulen und Studierenden auf gutem Weg

Einige Hochschulen sind mittlerweile dazu übergangen, wöchentliche Corona-Updates per Mail an ihre Studierenden zu versenden oder auf der Startseite der Homepage FAQs zu den wichtigen Themen bereitzustellen – sogenannte proaktive Kommunikationsstrategien, die die Studierendenvertreter*innen sehr begrüßen.

Gelungene Krisenkommunikation mit dem Wissenschaftsministerium

Im April 2020 wurde vom Landesverband gefordert, dass das Sommersemester nicht als reguläres Semester gewertet werden darf und entsprechende Nachteilsausgleiche, unabhängig von einer individuellen Beantragung, auch auf Landesebene gewährt werden müssen. Nur so war die Chancengerechtigkeit für alle Studierenden in Bayern gegeben und musste nicht an jeder der 43 Hochschule einzeln ausgehandelt werden.

"Nach vielen Gesprächen mit den Hochschulen sowie dem Wissenschaftsministerium konnten wir bestehende Bedenken beseitigen. Wissenschaftsminister Sibler brachte einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der sogenannten individuellen Regelstudienzeit sowie der Prüfungsfristen in Bayerischen Landtag ein, der im Juli 2020 beschlossen wurde. Es freut uns sehr, dass das Wissenschaftsministerium diese landesweite Regelung zusammen mit uns als Landesverband in einer gemeinsamen Pressekonferenz, die live gestreamt wurde, vorgestellt hat. Für uns ein Beispiel gelungener Krisenkommunikation im Sommersemester."

Anna-Maria Trinkgeld und Maximilian Frank, Sprecher*innen der LAK Bayern

Prüfungsbetrieb nicht von heute auf morgen umstellbar

Der Großteil der Prüfungen an den Hochschulen findet mit Maske und Abstand in Präsenz statt. Dies hat zu teils lautstarken Beschwerden und Petitionen der Studierenden gegen Präsenzprüfungen geführt. Eine häufig gestellte Frage machte bei den Studierendenvertreter*innen die Runde, warum nicht - wie auch in der Lehre - bei Prüfungen auf Onlineformate gesetzt wird. Leider ist dies nicht ganz so einfach. Im Sommer ist mit der Bayerischen Fernprüfungserprobungsverordnung die Grundlage zur rechtssicheren Durchführung von Online-Prüfungen geschaffen worden. Manchen Hochschulen fehlen noch die nötigen Softwarelösungen für Onlineprüfungen. Und einige Dozierende können ihre Prüfungen nicht in den digitalen Kontext überführen. Um die Nachteile der Studierenden aufgrund der weiterhin angespannten Prüfungssituation zu verringern, wurde bereits angekündigt, dass die Verlängerung der individuellen Regelstudienzeit sowie der Prüfungsfristen auch auf das Wintersemester 2020/21 ausgeweitet wird.

"Neben dieser landesweiten Regelung sind jetzt auch die Hochschulleitungen gefragt, adäquate Lösungen und Kulanzregelungen vor Ort, wie eine Erhöhung der Prüfungsversuche oder die Annullierungen nicht bestandener Prüfungen zu schaffen, um der Belastung der Studierenden entgegenzuwirken."

Anna-Maria Trinkgeld und Maximilian Frank, Sprecher*innen der LAK Bayern

Studierende in der finanziellen Krise

Bereits vor der Pandemie machten die aktuellen Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks deutlich, dass zwei Drittel aller Studierenden zur Finanzierung ihres Studiums arbeiten müssen, obwohl sie das Studium wie ein Vollzeitjob fordert. Doch durch die Pandemie verloren viele ihre Jobs in Branchen, die ihre Betriebe schließen mussten. Hinzu kam, dass Unternehmen, um zu überleben, Werkstudenten*innen oder Aushilfskräften auf 450€-Basis zu allererst kündigten, bevor langjährige FacharbeiterInnen um ihre Anstellungen bangen mussten.

Petition “Soforthilfe für Studierende JETZT” federführend initiiert durch die LAK Bayern

In intensiver Zusammenarbeit mit anderen Landesstudierendenvertretungen ist Mitte März 2020 die Petition “Soforthilfe für Studierende JETZT” gestartet, die für unbürokratische nur an eine Bedürftigkeitsprüfung geknüpfte Nothilfe eintrat.

Wie bewerten die Studierendenvertreter*innen die Finanzhilfe für Studierende?

Aus Sicht der Studierendenvertreter*innen ist es unverständlich, dass anstatt allen bedürftigen Studierenden die Finanzhilfe zu gewähren, ein Mechanismus entwickelt wurde, der die Höhe der Hilfe direkt mit dem Kontostand koppelte.

"Wer 500 Euro auf dem Konto hatte, galt pauschal als nicht bedürftig und konnte keine Zuschüsse beantragen. Eine Entscheidung, die für uns bis heute völlig unverständlich geblieben ist, gerade im Kontext der über 900 Millionen Euro nicht verausgabten BAföG-Mittel, die bereits im Haushalt für die Studierenden vorgesehen sind. Eine Umsetzung fernab jeglicher studentischeren Lebensrealität, liegen die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben doch 819 Euro und damit 300 Euro über der Bezugsgrenze."

Anna-Maria Trinkgeld und Maximilian Frank, Sprecher*innen der LAK Bayern

Aktueller Stand zur Überbrückungshilfe des Bundesbildungsministerium

Noch bis Ende 2021 sollen die durch die Förderbank KfW vergebenen Studienkredite zinsfrei bleiben. Die Überbrückungshilfe des BMBF läuft aktuell noch inkl. dem Sommersemester 2021. Die 57 im Deutschen Studentenwerk (DSW) organisierten Studenten- und Studierendenwerke setzen dies um.

Anträge auf Überbrückungshilfe deutschlandweit (Stand Februar 2020)

Beim Studentenwerk sind seit Juni 2020 bis Mitte Februar 2021 393.000 Anträge eingegangen (Zeitfenster Juni 2020 bis September 2020 und November 2020 bis März 2021). Davon sind bisher 249.450 positiv beschieden und 125.500 abgelehnt (ein Verhältnis von 66,5 Prozent zu 33,5 Prozent) Bis Februar 2021 haben die Studenten- und Studierendenwerke rund 110 Millionen Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse ausgeschüttet.

"Man darf diese Maßnahme des BMBF nicht isoliert sehen; sie hatte nie den Anspruch, eine reguläre Studienfinanzierung zu ersetzen. Das sagt schon ihr Name: Überbrückungs-Hilfe. Leider gilt bei mehr als der Hälfte der abgelehnten Anträge: Ablehnung, obwohl die Studierenden in einer Notlage sind – diese aber eben nicht pandemiebedingt ist."

Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep, Präsident des Deutschen Studentenwerks

„In nationalen Krisenlagen muss das BAföG für alle in Not geratenen Studierenden geöffnet werden können“, so Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des DSW. Er blickt über die Zeit nach März 2021 hinaus und fordert für Krisensituationen wie diese Pandemie ins BAföG einen generellen Öffnungsmechanismus zu integrieren.

Was wünschen sich die Studierendenvertreter*innen in Bayern für das Sommersemester 2021?

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch das kommende Sommersemester 2021 weiterhin im Zeichen der Pandemie stehen und entsprechende Einschränkungen mit sich bringen. 

"Planbarkeit und eine echte Perspektive für die Studierenden müssen für das Sommersemester 2021 ganz oben auf der Agenda der Hochschulen stehen, da ein Studium viel mehr ist als alleine in seiner Wohnung unzählige Zoom-Vorlesungen zu konsumieren. Studium lebt vom Austausch am Campus, lebendigen Gesprächen und Begegnungen. Das alles ist in der Pandemie nicht möglich, wird aber von den Studierenden sehnlichst zurückgewünscht."

Anna-Maria Trinkgeld und Maximilian Frank, Sprecher*innen der LAK Bayern

LAK Bayern bei einer Arbeitssitzung 2019 noch vor der Corona-Pandemie

Die Landes-ASten-Konferenz (LAK) Bayern nimmt auf Landesebene die Vertretung der Studierenden war, sie steht hierzu in engem Kontakt mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Hochschulpolitiker*innen im Bayerischen Landtag, den Landesverbänden der Hochschulleitungen sowie der Professor*innen und des akademischen Mittelbaus. Die LAK Bayern wird von drei Sprecher*innen geleitet, die für jeweils ein Jahr von den bayerischen Studierendenvertretungen gewählt werden. Wichtige Themen ihrer Arbeit sind in Zeiten von Corona die landesweiten Studienbedingungen, die Verlängerung der Regelstudienzeit sowie die Soforthilfen für Studierende in finanzieller Not. Außerdem setzt sie sich intensiv für die Themen Inklusion, Nachhaltigkeit und Digitalisierung an den bayerischen Hochschulen ein. (Link zur LAK Bayern)

 

Maximilian Frank ist 26 Jahre alt und studiert an der Technischen Universität München(TUM) im Master Human Factors in Engineering. Zuvor hat er Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität mit dem Bachelorabschluss studiert. Maximilian Frank ist aktuell in dritter Amtszeit Sprecher der LAK Bayern und war zuvor in verschiedensten Hochschulgremien, unter anderem im Senat und der Erweiterten Hochschulleitung für die Studierenden aktiv. 2016 führte er zusammen mit Studierendenvertreter*innen der TUM und der Hochschule München die Urabstimmung und die positiv endenden Verhandlungen zum Münchner Semesterticket durch.

Anna-Maria Trinkgeld ist 22 Jahre alt und studiert Umweltsicherung an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Momentan ist sie zum zweiten Mal als Sprecherin der LAK Bayern tätig und wurde im Januar 2021 für eine weitere Amtszeit wiedergewählt. Zu Beginn ihrer Studierendenvertretungszeit im Jahr 2018 wurde sie in den Fakultätsrat und in das Studierendenparlament gewählt. Sie kümmert sich bis heute vor allem um die Zusammenarbeit der beiden Standorte der Hochschule. Seit Anfang dieses Jahres ist sie außerdem studentische Vertreterin im Senat ihrer Hochschule und setzt sich dort besonders für die Weiterentwicklung der Studiengänge und der Lehre insgesamt ein.


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