Josef Neckermann Zusammenarbeit mit den Nazis
Um an Aufträge zu gelangen, arbeitete Neckermann ab 1933 mit den NS-Machthabern zusammen. Im Zweiten Weltkrieg war er für die Ausstattung der deutschen Soldaten sowie der Zwangsarbeiter mit Kleidung zuständig.
Noch vor dem Erwerb der jüdischen Kaufhäuser hatte Neckermann sich den Auftrag gesichert, die rund um Würzburg im Aufbau befindlichen Fliegerhorste mit Kohlen zu beliefern. "Pro Horst zehn Lastwagenladungen täglich. Macht an die zweihundertfünfzig Lkws voll. Jeden Tag. Ein tolles Geschäft. Ich war damit fein raus", berichtet Neckermann in seinen Memoiren. Als 1933 Ernst Röhm, der Führer der Sturmabteilung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (SA) Würzburg besucht, reitet der damals 21-jährige Neckermann mit ihm und seiner schwarzen Reiterstaffel durch die Domstadt. Im Spätherbst 1933 trat Neckermann den SA-Reitern bei.
Stellvertretender Reichsbeauftragter für Kleidung
Zusammen mit Georg Karg, dem Chef des "arisierten" "Hermann-Tietz-Warenhauskonzerns" (Hertie), gründete Neckermann im Jahre 1939 die "Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung GmbH" (ZLG). Die ZLG organisierte die Beschaffung und Verteilung von Arbeitskleidung sowohl für deutsche Bauhelfer als auch für Zwangsarbeiter. Auch Soldatenuniformen wurden von der ZLG aus zentral verwaltet. Neckermann stieg nach Kriegsbeginn zum stellvertretenden "Reichsbeauftragten für Kleidung und verwandte Gebiete" auf.
Im Umfeld der braunen Machthaber
In seiner Funktion als stellvertretender Reichsbeauftragter für Kleidung und verwandte Gebiete verkehrte Neckermann mit wichtigen Nazi-Größen, wie etwa dem SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf, dem thüringischen NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel, dem NSDAP-Reichsleiter Robert Ley, dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler, Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht sowie dem Rüstungsminister Albert Speer. Am 19. April 1942 wurde Neckermann zur Wolfsschanze gebracht, wo er den höchsten Vertretern des NS-Regimes begegnet ist. Von ihnen nahm Neckermann auch das Kriegsverdienstkreuz Erster Klasse an.
Entnazifizierungsverfahren
Im Zuge der Entschädigungs- und Wiedergutmachungsprozesse wurden auch US-Militärrichter auf Josef Neckermann aufmerksam. Sie wollten ihn für seine Tätigkeiten im NS-Reich zur Verantwortung ziehen. Für seine Tätigkeit im Nationalsozialismus wurde Josef Neckermann aber nicht belangt. Die Richter im Entnazifizierungsverfahren stufen ihn, nachdem verschiedene Zeugen ihm einen guten Leumund ausgestellt hatten, als "Mitläufer" ein. Was seine unternehmerischen Aktivitäten im NS-Reich betraf, wurde er in allen Anklagepunkten frei gesprochen.
Vergangenheitsbewältigung
Neckermann selbst war zeitlebens frei von jedem Schuldbewusstsein. Man lebe nun 'mal nicht in einem Geschichtsbuch, lautete sein lakonischer Kommentar zu seiner eigenen Rolle in der NS-Zeit, und er bereue nichts. Als Neckermann in den 1980er Jahren nach seiner Tätigkeit in der NS-Zeit – insbesondere nach der Kleiderbeschaffung für Zwangsarbeiter – gefragt wurde, stellte er seine eigenen Bemühungen in den Vordergrund. "In meinem Fall kann ich sagen, dass die menschlichen Faktoren absolut überwiegend waren. Denn es gab enorme Auseinandersetzungen, mit Herrn Goebbels, mit Herrn Sauckel und Herrn Ley, die die Meinung vertraten, dass eine optimale Versorgung nicht nötig sei. Ich selbst war anderer Ansicht, man kann von niemandem eine Leistung verlangen, wenn man nicht Sorge dafür trägt, dass der Betreffende gut gekleidet und hinsichtlich des Essens ausreichend versorgt ist", sagte er.
"Gelegentlich hatte ich ungute Gefühle, gewiss."
(Josef Neckermann in seinen Memoiren)
In seinen 1990 erschienenen Memoiren relativierte er seine damalige Begeisterung für die NS-Machthaber: "Wenn sie das Elend gesehen hätten, so wie ich z.B. in Stettin, diese wahnsinnige Arbeitslosigkeit, dann muss man Verständnis haben, als dann Hitler an die Macht kam, dass die Leute begeistert waren. Weil sie eine Möglichkeit sahen, zu leben, eine Arbeit zu bekommen, sich eine Existenz zu verschaffen. Es hätte zu der Zeit niemand damit gerechnet, welche Folgen diese Entwicklung nachher zeitigte." Nur wenig Selbstkritisches ist in seiner Autobiografie zu lesen, wie etwa: "Gelegentlich hatte ich ungute Gefühle, gewiss. Ich ahnte auch, dass das alles nicht mit rechten Dingen zuging, aber genau wissen … Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis in Schwierigkeiten zu kommen. In politischen Dingen liegt mir keine tätige Opposition. Ich tauge nicht zum Märtyrer."
Kritik an der Kooperation mit den Nazis
Harald Wixforth
"Nach heutigen moralischen Standards war sein Handeln im Kontext der ZLG ausgesprochen verwerflich und dementsprechend würde man auch sagen, er hat sich schuldig gemacht, indem er nicht nur Allianzen mit dem Regime geschlossen hat, um die günstigen Rahmenbedingungen auszunutzen, sondern ganz massiv profitiert hat von der Vernichtung von Juden in Lagern wie Auschwitz und Treblinka." (Wirtschaftshistoriker Harald Wixforth)
Helmut Schmidt
"Neckermann wird zum Nutznießer des braunen Terrors." (Bundeskanzler a.D Helmut Schmidt)
Claus-Heinrich Meyer
"Wie viele andere seiner Generation verweigerte sich Josef Neckermann der selbstkritischen Reflektion." (Journalist Claus-Heinrich Meyer)