Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von u. a. Alabaster DePlume, Sasami und Monde UFO

Unser wöchentlicher Neuheiten-Check mit Alabaster dePlume, Mode Ufo, Sasami, Jason Isbell, Bob Mould, Eilis Frawley, Moreish Idols, Will Stratton, C.A.R und Spinnen

Von: Angie Portmann

Stand: 06.03.2025

Sasami - Blood On the Silver Screen | Bild: Domino Recordings

Alabaster DePlume – A Blade Because a Blade Is Whole

Dieses Album hat seine Ursprünge im Total Refreshment Center im Londoner Stadtteil Hackney. Ein Aufnahmestudio und Szenetreffpunkt, der in den vergangenen Jahren schon etliche superinnovative Jazz-Größen gesehen hat. Shabaka Hutchings und Makaya McCraven z.B., die beiden haben dort aufgenommen. Und der Saxophonist Alabaster DePlume hat dort regelmäßig seine "Peach"-Sessions stattfinden lassen. Sein neues Album "A Blade because a blade is whole" ist allerdings wieder auf dem Chicagoer Hipster-Jazz-Label "International Anthem" erschienen. Der Brite, der ja bekannt ist für seine menschenfreundlichen, ironiefreien Töne und dafür, dass er stets eine Mission verfolgt, hat diesmal seinen Fokus auf das Thema Heilung gelegt, seine eigene aber auch unser aller Heilung. Und dafür hat sich Alabaster DePlume ordentlich ins Zeug gelegt, hat gelesen, geschrieben und Jiu-Jitsu praktiziert. In zwei Tracks spielt er sogar direkt darauf an, auf sein Martial Arts Training. Der Titel "Form a V" steht für die Praxis, wenn eine Trainingsgruppe eine einzelne Person angreift. Und "Kuzushi" bedeutet des Gegners Balance zu brechen. Mit einem fast meditativen Groove, einer frei fließenden Sanftmut, einem regelrechten Strudel aus den unterschiedlichsten Genre-Zutaten, aus Folk, Jazz und aufwändigen Streicherarrangements. Und Alabaster DePlumes melancholische Melodien scheinen dabei gleichzeitig seine Zauberkraft zu sein. Zu hören z.B. in Songs wie "Invincibility" - das schon fast unverschämt an den Folk eines Devendra Banhart erinnert. Oder dem hypnotisch um sich selbst kreisenden Instrumentaltrack "Salty Road dogs victory anthem". Auch das ein Stück mit einem faszinierenden  Flow. Ein sehr tröstliches Album in diesen aufregenden Zeiten – das warme Vibrato des Saxophons Alabaster DePlumes und seine Stimme, die uns immer wieder ins Ohr flüstert: sei unbesorgt, alles wird gut ("Don't Forget You're Precious"). (8,2 von 10 Punkten)

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Alabaster DePlume - "Invincibility"

Monde UFO – Flamino Tower

Während wir bei Alabaster DePlume, in wunderbare Saxophon-Sound-Watte gepackt, seelig dahindriften, kommt bei Monde Ufo doch wieder etwas Schwung in die Kiste. Monde Ufo, hinter diesem mysteriösen Namen verbirgt sich das kalifornische Duo Ray Monde und Kris Chau. Deren Musik steckt voller Gegensätze. Lo-Fi clasht hier auf Hi-Fi, betörende Indie-Pop-Melodien auf Free-Jazz-Passagen, Psych Folk auf seltsame Exotica-Klänge und Bossa Nova. Ein diffuser Schleier liegt über der Musik von Monde Ufo, lässt sie so geheimnisvoll klingen wie ihre britischen Kollegen von Broadcast, nicht zuletzt auch dank der alten Yamaha Kirchenorgel von Ray Monde. Man taucht in diese Platte ein und versucht sofort alle noch so weirden Soundquellen zu orten … um dann doch zu kapitulieren. Was für ein großartiges Chaos, Momente der Ruhe, der Kontemplation gibt es hier eher wenige ("Solitaire"). Die Stimmung ist alles andere als esoterisch beseelt. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb machen mich Monde Ufo und ihr experimentierfreudiger, wunderbar verspulter Space Pop ausgesprochen glücklich. (8,1 von 10 Punkten)

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Monde UFO - 119 (Official Video)

Sasami – Blood On the Silver Screen

Sasami Ashworth aus LA. hat koreanische Wurzeln und eine musikalische Vorgeschichte mit der Indie-Rock-Band Cherry Glazerr. Dort hat sie bis 2018 Keyboard gespielt. Die Band dann aber verlassen, um sich auf ihre Solo-Karriere zu konzentrieren. Und die dürfte mit ihrem neuen, dritten Solo-Album "Blood on the silver screen" jetzt so richtig Fahrt aufnehmen. Sasami, das Chamäleon, scheint sich nämlich auf nichts festlegen zu wollen. War ihr Debüt noch sanfter Folk bzw. Indiepop mit Shoegaze-Ambitionen und Devendra Banhart als Duett-Partner, machte sie auf dem Nachfolger einen Ausflug in laute Metal-Gefilde. Und ihr neues Album "Blood on the silver screen"? Das ist jetzt strahlendster Pop. Mal mit etwas mehr Gitarren, mal mit mehr Dance-Appeal (oder mit beidem wie im Song "Love makes you do crazy things"). Aber immer bestens geeignet für die Stadien dieser Welt. Sasami will definitiv nicht mehr in der Ecke stehen, kein "Nischenprodukt" sein, sondern so groß und populär werden wie ihre KollegInnen aus der Charts-Schublade nebenan. Das kann man ihr als Fan der ersten Stunde vielleicht übelnehmen, muss man aber nicht. Denn selbst wenn Sasami potentielle Hits schreibt, klingen die nie billig oder wie der Abklatsch von … Und wer weiß, was dieser supersympathischen Person als nächstes einfällt ... (7,8 von 10 Punkten)

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SASAMI - In Love With A Memory (feat. Clairo) (Official Video)

Jason Isbell – Foxes in the Snow

Der sechsfache Grammy-Gewinner Jason Isbell, früher bei den Drive-By Truckers, seit 2007 solo bzw. mit seiner Band, The 400 Unit, unterwegs, hat mit "Foxes in the snow" ein rein akustisches Americana-Album aufgenommen, nur er und seine Gitarre aus dem Jahr 1940. In dem Song "Ride to Robert‘s" besingt Isbell u.a. seine Ex-Frau und ehemalige Bandkollegin Amanda Shires ("I don’t say things that I don’t mean, you’re the best thing I ever seen"). Aber hier wird nicht nur eine Trennung verarbeitet, wie so oft bei Isbell geht es auch auf diesem sehr reduzierten, sehr persönlichen Album um existenzielle Kämpfe und Krisen, die uns alle treffen können. Im ersten Song klärt Isbell dann auch gleich die Frage, wo er einmal begraben werden möchte. Sterben, scheitern, verletzt werden. Die Songs von Jason Isbell beschäftigen sich mit den eigenen, aber auch den Abgründen der Gesellschaft, klingen nachdenklich, traurig. Seine neunjährige Tochter Mercy hat ihn mal gefragt, warum das so sei - und Isbell hat geantwortet: "weil die Zeiten so sind". Jason Isbell mag von seiner Trennung angeschlagen sein, als überzeugter Demokrat unter der Trump-Regierung leiden, der Qualität seiner Musik kann all das nichts anhaben. Im Gegenteil. "Foxes in the snow" ist so ambivalent wie das Leben. Trauer, Schmerz, Liebe, Hoffnung stehen hier Seite an Seite. Und dazu vergisst Jason Isbell nicht die ein oder andere Mut machende Handlungsanweisung ("Don’t be tough"). Was will man mehr in diesen dunklen Zeiten. (7,9 von 10 Punkten)

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Jason Isbell - Foxes in the Snow

Will Stratton – Points of Origin

Der US-amerikanische Singer/Songwriter Will Stratton erzählt auf seinem achten Album fein verflochtene Geschichten, wie sie auch in einem breit angelegten Gesellschaftsroman stehen könnten. Vom Trucker bis zum Immobilienmakler reicht sein Spektrum. Was sie alle eint? Die Krisen und Katastrophen unserer Zeit. Im Fall von "Points of origin" sind das vor allem Waldbrände, Schlammlawinen und Tornados, mit denen die Figuren zu kämpfen haben. Dabei klingen die Songs von Will Stratton alles andere als apokalyptisch. Erinnern stattdessen manchmal fast an Sufjan Stevens und seinen wunderbar sanften, von der Musikgeschichte clever inspirierten Singer-Songwriter-Pop. (7,8 von 10 Punkten)

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Will Stratton - Temple Bar (Official Lyric Video)

Bob Mould – Here We Go Crazy

Kleine Zeitreise in die 1980er Jahre: Hüsker Dü ist eine aufregende US-Hardcore Punk- bzw. Alternative Rock-Band, die zwar nicht ultraviele Platten verkauft, aber eine ebenso aufregende Fangemeinde ihr Eigen nennen kann. Zu diesen Fans gehören, von Nirvana mal ganz abgesehen, ganze Generationen von MusikerInnen. Nach Auflösung der Band im Jahr 1987 macht Sänger und Gitarrist Bob Mould als Sugar bzw. solo weiter. Mit grandiosen Melodien – aber auch der ein oder anderen Elektronik-Platte, mit der ich so gar nichts anfangen konnte. Aber jetzt, mit 64, scheint es Bob Mould noch mal wissen zu wollen. Passend zur Weltlage hat er sein 15. Solo-Album "Here we go crazy" genannt. Kombiniert seine Wut mit, wie er selbst sagt, "geradlinigen Gitarrenpopsongs". Und steht dabei fast durchgehend auf dem Gaspedal. Das klingt soundtechnisch jetzt nicht unglaublich abwechslungsreich, aber sehr klar und kompakt. Für Bob Mould-Fans sicher ein Fest. (7,8 von 10 Punkten)

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Here We Go Crazy

Spinnen – Warmes Licht

Spinnen, das sind die beiden Münchnerinnen Sophie Neudecker am Schlagzeug und Veronica "Katta" Burnuthian am Bass. Beide sind gut vernetzt in der Münchner Kunst- bzw. Musikszene und in diversen anderen Bands und Projekten aktiv. Aber "Warmes Licht", das auf dem Notwist-Label Alien Transistor erscheint, ist ihr erster gemeinsamer Longplayer. Ein herrlich kompromissloses Stück Subkultur. Mit einem unglaublichen Fuzz Bass, einem sehr direkten Schlagzeugsound und sporadischen, aber dafür umso griffigeren Lyrics bzw. Shouts. Damit haben Spinnen einen Sound geschaffen, den vermutlich auch die von mir hochgeschätzte britische Noise Rock Combo McLusky toll gefunden hätte. Rrriot-Punk, der unablässig Haken schlägt und dazwischen doch immer wieder wunderbar zu strahlen weiß. Muss man live sehen und dann vor allem auch fühlen. (7,9 von 10 Punkten)

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Spinnen: Geister

Moreish Idols – All in the Game

Genre-Hopping gehört heutzutage ja schon zum guten Ton. Die Moreish Idols sind darin auch ganz groß. Switchen zwischen Postpunk, Krautrock, Saxophon-Improvisation und Psych Pop lässig hin und her. Klingen ultracool, selbst wenn es in ihren Songs um ganz existenzielle Dinge geht. Z.B. um die Morbus Bechterew-Diagnose von Sänger Jude Lilley. Und wie er deshalb vom NHS, vom britischen Gesundheitsdienst, quasi aussortiert wurde. Aber seine Krankheit dann doch noch zu seiner Superkraft gemacht hat ("Slouch"). Der Song "Railway" erzählt die Geschichte einer Person, die gegen alle Widerstände ihren eigenen Weg geht. Inspiriert von Lilleys Schwester, die von zu Hause auszog, als er noch sehr jung war. "Pale blue dot" ist nach einem vom Weltraum aus aufgenommenen Foto der Erde benannt. Letztendlich sei dann doch alles eine Frage der Perspektive meinen die Moreish Idols dazu. Und die unglaubliche Erfahrung in einem phosphoreszierenden Meer vor der Küste Cornwalls geschwommen zu sein, hat die Band auf die Idee gebracht das wunderbar schwebende "Dream Pixel" zu schreiben. Und damit jene magischen Momente im Leben zu feiern, in denen wir nicht mehr ganz sicher sind: war das jetzt real oder ein Traum? "Dream Pixel" könnte, wie ich finde, auch von den Flaming Lips oder der Beta Band stammen … übrigens mein Highlight auf diesem herrlich psychedelischen Debüt der Moreish Idols. Produziert hat übrigens Dan Carey, der auch schon die Alben von Kae Tempest, Black Midi und Fontaines D.C. mit seinen ausgefallenen Soundideen ordentlich aufgehübscht hat. (8 von 10 Punkten)

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Moreish Idols - Dream Pixel (Official Video)

Eilis Frawley – Fall Forward

Die in Berlin lebende Australierin Eilis Frawley ist klassisch ausgebildete Percussionistin, hat auch schon in etlichen  Berliner Bands Schlagzeug gespielt (z.B. für Laura Lee & The Jettes, Party Fears, I Drew Blank sowie aktuell für ihre eigenen Bands Kara Delik und Restless), aber noch nie ein Solo-Album veröffentlicht. Was sie davon abgehalten hat? Nun, sie könne beim besten Willen nicht singen, gesteht Eilis Frawley. Die Lösung: ein spoken-word-Album mit Kat Frankie als Background-Sängerin und Co-Produzentin. Gemeinsam haben die beiden einen leichtfüßigen Mix aus Indie-Pop, Jazz, Krautrock und Synthie-Klängen kreiert. Dem stehen die oft kritischen, ja feministischen Texte von Eilis Frawley konträr gegenüber. In dem Song "Be a lady" z.B. geht es um die nach wie vor existierenden sexistischen Stereotypen in unserer Sprache bzw. Gesellschaft. Frawley beschäftigen aber auch Themen wie mentale Gesundheit in der Musikbranche ("Hallucinations") und soziale Ängste in der Nach-Corona-Zeit ("No Namer"). Schwere Kost auf leichten Beats. (7,8 von 10 Punkten)

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Eilis Frawley - Fall Forward (Official Video)

C.A.R. – Valonia

C.A.R. aus Köln bzw. Berlin machen auf "Valonia" wieder, was sie besonders gut können. Nicht nur Can und Cluster in ihren innovativen Jazz-Entwurf einfließen lassen, sondern auch ganz neue Klänge. Wie z.B. das Vibraphon von Evi Filippou, die auf allen ihren neuen Stücken zu hören ist. Oder das Theremin und die Synthesizer von Oxana Omelchuk. Und zum Schluss verzaubern sie uns auch noch mit der feenhaften, türkisch singenden Stimme von Elif Dikec. Für experimentierfreudige Bands wie C.A.R. hat der Musiker und Labelmacher Mathias Modica vor einigen Jahren extra ein Label gegründet, nämlich Kryptox Records. Und ein Genre gleich mit: Kraut Jazz Futurism. (8 von 10 Punkten)

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C.A.R. - Debo-See (Intro, Live at Jazz Montez Frankfurt)

Anm. der Red: Wie immer gilt: die digitale Veröffentlichung kommt meist zuerst. Seht es euren Plattenläden nach, wenn sie die LP/CD noch nicht vorrätig haben.