Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von u. a. FKA twigs, Benjamin Booker und Mogwai

Unser wöchentlicher Neuheiten-Check in den Late Night Sounds mit FKA twigs, Benjamin Booker, Mogwai, Anna B Savage, Dina Summer, Sinem, Sepalot and Angela Aux as Tikhet, Fuffifufzich, Billy Nomates und The Verve

Von: Katja Engelhardt

Stand: 22.01.2025 15:40 Uhr

FKA twigs - EUSEXUA | Bild: Atlantic Records

Billy Nomates – Mary And The Hyenas (Original Soundtrack)

Die Britin mit den deutlichen Texten hat einen Soundtrack veröffentlicht, zu dem Theaterstück „Mary And The Hyenas“ – die Wiederentdeckung der historischen Persönlichkeit Mary Wallstonecraft. Sie wurde 1759 in London geboren, war Frauenrechtlerin, Philosophin und wurde die Mutter von Mary Shelley, die den immer noch wegweisenden Roman „Frankenstein“ geschrieben hat. Der gerade zu Zeiten von KI die zigste Neuentdeckung erfährt. Die Songs von Billy Nomates zu diesem Theaterstück über Mary Wallstonecraft sind mehr Synthie als Schrammel und funktionieren sofort.

Die Themen sind erschreckend zeitgeistig, dafür, dass die Handlung im 18. Jahrhundert verortet ist – Billy Nomates hält die Lyrics so, dass sie in beide Zeiten passen. Songtitel wie „Fuckboy“ sind natürlich nicht sehr passend für die Ebene der historischen Epoche. Aber das Konzept, das ist doch zeitlos. Weiß auch Billy Nomates. (7 von 10 Punkten)

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How'd You Grow A Girl

FKA twigs – Eusexua

FKA twigs steigt mit uns die Treppen hinab in die festen Gemäuer eines Underground Techno Clubs. Düster und zart empfängt uns das Album. Inspiriert haben sollen sie durchtanzte Techno-Nächte in Prag, Subkulturen, die interessieren sie, hat sie in einem Interview erzählt. „Eusexua“ ist eine Wort-Kreation, die die Euphorie beschreibt, von alles ineinander verschmelzen lassenden Clubnächten. FKA twigs zelebriert Clubnächte als Neuerweckung. Mehr als einmal heißt es „shed your skin“ – leg deine Hülle ab. Klingt natürlich nach entkleiden, klingt aber auch nach Transformation.

Die Schauspielerin und Musikerin betreibt „World Building“. Das Album ist eine Welt, erbaut aus musikalischen Referenzen. FKA twigs war schon immer Kritikerliebling, seit ihrem Durchbruch – mit zartem, hauchenden R‘n‘B war das – zusammen mit durchrüttelnd-vibrierenden Bässen. Das klingt immer wieder mal an auf ihrem neuen Album – aber nicht nur. Da kommt Madonna durch, britische Clubsounds überhaupt. Das wäre ein Stil, den ich mir von der verstorbenen SOPHIE noch gut vorstellen könnte, stellenweise auch von Grimes. Einmal habe ich sogar an das 90er-Damen-Duo Shakespeare Sisters gedacht und das Umwerfende daran: Nichts wirkt abgekupfert, alles ist konsequent zu Ende gedacht. Ich bin mir sicher: Verweise für Musikfans sind hier absichtlich gestreut wie Brotkrumen. (9 von 10 Punkten)

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FKA twigs - Eusexua (feat. Eartheater)

Tikhet – Mixtape Suite

Die Namen Sepalot und Angela Aux kennt man nicht nur im Bayerischen Raum, aber hier schauen wir natürlich besonders verknallt auf sie: Sepalot, bekannt als DJ und Produzent von der mittlerweile aufgelösten Rap-Gruppe Blumentopf. Und längst auch solo aktiv. Angela Aux unter anderem als Teil von der Indie-Band Aloa Input. Diese beiden verbindet die Liebe zum Frickeln, zum Samplen und zu einem Blick nach vorn, in dem sie zurückschauen – auf die Musikhistorie. Und auf das, was man davon wiederverwenden kann. Das größte Kunststück daran ist, dass sie natürlich angeben, mit ihrem Wissen – und am Ende doch alles einfach schwingt.

Auf dem Cover ihres Albums „Mixtape Suite“ sehen wir das Duo Tikhet in einem kleinen Studio, umringt von Equipment und musikromantisch-intim. Genau so, möchte ich mir das auch vorstellen, liefen die Sessions ab. Die dann zum Beispiel Fans von Beck gefallen dürften, Gitarren, HipHop-Beats, Harmonien und Schimmer. Mein Liebling: Dass dann doch auch mal die bratzige HipHop-Hupe auftaucht – Humor haben sie eben auch, die Zwei von Tikhet. (8 von 10 Punkten)

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almost up in space

Fuffifufzich – Feel zu spät

Es ist eine Binsenweisheit: Zeit ist die rarste Ressource, die wir haben. Und Zeit ist auch entscheidend auf dem neuen Album von Fuffifufzich. Neben der Liebe, natürlich. Vergänglichkeit und Gefühle – oder „feelings“, wie Fuffifufzich singen würde. Sie spielt mit den ganz großen Emotionen des Pop. Und leiht sich hier und da mal ein Feeling von der Münchner Freiheit oder von Chicago oder Journey – diesen Bands mit Momenten für große Emotionen, die eben auch die Generation Z für sich entdeckt. Singen tut Fuffifufzich in der Sprache des Pop: „Ich häng so an dieser Zeit, which is called Vergangenheit“ – englisch und deutsch sind ihre Texte, manchmal so genial wie die Gruppe Ja, Panik. Deren Bassistin Laura Leandergott ist auch Teil von Fuffifufzichs Liveband – im März dann auf Tour: In Hamburg, München, Leipzig und Dresden. (7 von 10 Punkten)

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Fuffifufzich - Feel zu spät

Mogwai – The Bad Fire

Die Schotten erfinden sich nicht neu, sondern halten sich frisch. Auch eine Leistung, nach zehn Studioalben und 30 Jahren als Band. „The Bad Fire“ klingt auf den ersten Durchgang zugänglicher als einige der bisherigen Platten. Dem darf man aber nicht auf den Leim gehen. Von außen betrachtet, lief es bei den Schotten von Mogwai in den letzten Jahren zwar großartig. Mit ihrem letzten Album sind die Schotten auf die Nummer 1 der UK Album Charts gegangen. Sehr unerwartet. So als Underdogs des Musikbusiness. Eine Doku zur Band gab's auch.

Tatsächlich waren die letzten Jahre privat aber alles andere als leicht: Ihr neues Album heißt „Bad Fire“ - in Glasgow eine Umschreibung für „Hölle“. Von Verlust ist in Interviews die Rede und von einer lebensgefährlichen Erkrankung der Tochter von Keyboarder Barry Burns. Die Krankheit ist zwar überwunden, der Weg dorthin muss aber ungeheuer schwer gewesen sein. Das Album ist nun eben kein feuerspuckendes brachiales Werk, eher freundlicher Trost. Im Februar bringen die Vier ihr Album auf die Bühnen – in Berlin, Hamburg und Leipzig. (7 von 10 Punkten)

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Mogwai - Lion Rumpus (Official video)

Sinem - Köşk

Wie viele türkischsprachige Pop- und Indiemusik-Bands kennen Sie? Morgen erscheint ein Songbook - ein Album, das eine Hommage ist, an türkischsprachige Musiker:innen. Von der Band Sinem – ein Trio um Frontfrau Sinem Arslan Ströbl. Für Kenner sind auf deren Album „Köşk“ spannende Neuinterpretationen von Originalen – die Jahrzehnte umspannen, von den 60ern bis hin zu den 90ern. Für andere ist das Album eine Tür zu Musik, die ihnen bisher völlig entgangen ist. Indem die Band von München aus diese Songs veröffentlicht, verbindet Frontfrau Sinem einerseits Musik aus der Heimat ihrer Eltern – da schwingt Sehnsucht mit, eine andere popkulturelle Welt – und dann schickt sie diese Musik wie durch einen Filter – nämlich durch ihre ganz eigene musikalische Prägung. Ermächtigung durch Indie und Post-Punk. (8 von 10 Punkten)

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SINEM - Sivas'ın Yollarına

Anna B Savage - You & I Are Earth

Wie ein einziges langes Kosewort ist das neue Album von Anna B Savage. Gerichtet an ihren Partner. „You & I Are Earth“ heißt das Album der Britin und darauf singt Anna B Savage ihre poetischen Texte mit einer Sicherheit, als stünde sie beneidenswert breitbeinig und stabil im Leben. Wie immer: Folkig und sensibel arrangiert.

„You & I Are Earth“ – ihr drittes Album - ist typisch Anna B Savage nichts zum Durchhechten, eher zum Durchatmen. Einmal inhalieren. Und das „Earth“ im Albumtitel hat tatsächlich einen naturverbundenen Ursprung. Ihre neue selbstgewählte Heimat ist Irland. Sie besingt die See und die Natur. Auf dem Albumcover schaut sie durch eine Decke aus Moos. Als würde sie direkt unter dem Waldboden liegen. Dass Anna B Savage an der Natur Halt findet, ist nicht neu. Sondern blitzt in Texten und Videos und Artwork immer wieder hervor. Jetzt ist sie aber nicht nur mit der Natur verschlungen, sondern auch mit einem Menschen. In einem ihrer spärlich instrumentalisierten Songs singt sie: „You Are My Music. And I Will Sing You“. Kann es einen schöneren Liebesschwur geben, von einer Dichterin und Musikerin? In Deutschland ist Stand jetzt nur ein Konzert geplant – im April wird Anna B Savage in Berlin spielen. (7 von 10 Punkten)

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Anna B Savage - Lighthouse (Lyric Video)

Benjamin Booker – Lower

Seit sieben Jahren hat Benjamin Booker aus New Orleans kein neues Album rausgebracht – jetzt ist „Lower“ da. Wieder einmal neu gedacht hat Benjamin Booker seinen Sound, der zwischen Blues und Indie und Garage einmal ganz gut verortet werden konnte. Passend dazu ist er getourt mit Courtney Barnett oder Jack White.

Mysteriös, fast verschwommen hören wir Benjamin Bookers Gesang jetzt auf „Lower“. Hier knarrt und knarzt es, Piano verhallt gespenstisch in einer Dreampop-Landschaft. Dieses Entrückte passt sehr gut zu den immer wieder melancholischen Songs und zur Perspektive, die Benjamin Booker oft einnimmt: Die eines Außenstehenden. Wenn er etwa singt „I Want More Than A Dream“ (Heavy On My Mind). Dass er sich nicht verliert, dafür sorgen auch die Hip-Hop Beats – die kommen von Kenny Segal. In Hip-Hop Kreisen ist der Produzent hoch angesehen. Die Songs gingen hin und her, ohne dass die beiden sich während der Arbeit daran gesehen hätten. Hat offensichtlich wunderbar funktioniert.

Nach einigen Anschuldigungen gegenüber seinem letzten Label - was die Einschränkung kreativer Freiheiten angeht - ist das jetzt das erste Album, das Benjamin Booker auf seinem eigenen Label veröffentlicht, Fire Next Time Records. Und es ist ein fulminanter Neustart. (9 von 10 Punkten)

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Benjamin Booker - SLOW DANCE IN A GAY BAR (Official Music Video)

Dina Summer – Girls Gang

Seit einigen Jahren schon wird Disco wiederbelebt – von Indie-Acts, aber auch von den großen Mainstream-Stars – und das meistens mit Glitzer und Glamour: Der Utopie, der alles umfassenden Liebe. Da ist es nur folgerichtig, so langsam auch der Dark Disco mehr Raum zu geben, sie auf einen größeren Dancefloor zu verlegen, sozusagen. Wie der düsteren Disco von dem Trio Dina Summer. Bestehend aus Local Suicide, einem Berliner Duo – und einem Mitglied von Frittenbude: Kalipo. Auf dem Album „Girls Gang“ singt Frontfrau Dina neuerdings auch immer wieder – zusätzlich zu den Spoken Word artigen Texten. Und es klingt statt den Italo-Disco-Sounds, die Urlaubssehnsüchte bedienen, New Wave durch.

„Zombie“, „Alien“ und „Disco Goth“ – so heißen einige der Songs auf dem Album von Dina Summer. Dieses smarte Einflechten von Popkultur und Subkultur-Ästhetik gefallen mir besonders gut. Das Album „Girls Gang“ erscheint auf dem Elektro-Punk-Clash-Label Audiolith, aus Hamburg. Im März kann man Dina Summer live sehen - in Berlin, Hamburg und Leipzig. (7 von 10 Punkten)

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Girls Gang (Extended Version)

The Verve – Rather Be

Die legendäre britische Band hatte vor 20 Jahren schon die Kompilation „This Is Music: The Singles“ rausgegeben. Zum Jubiläum kommt die jetzt auf Vinyl und mit einer leicht geänderten Tracklist – nämlich unter anderem Songs vom 2004-er Reunion Album. (6 von 10 Punkten)

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The Verve - Rather Be (Official Video 2024 Remastered)

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