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Die Schlange List, Arglist, Bosheit, Verführung, Wissen

Stand: 06.09.2012 | Archiv

Adam und Eva - Kupferstich von Albrecht Dürer | Bild: picture-alliance/dpa

Prägend für das Schlangenbild des Christentums wurde allerdings nicht die kluge Schlange als Anleitung zu einem gottgefälligen Leben, sondern die "verfluchte" Schlange als geschworener Feind des Menschen und williges Werkzeug des Teufels. Dieser leitende satanische Aspekt scheint auch im Vipernkapitel des Physiologus auf. Unter Rückgriff auf gängige Vorstellungen der Antike legt der Abschnitt die von David im 57. Psalm erwähnte Taubheit der Schlange als Warnung vor den Wirkungen geistiger Taubheit gegen das erlösende Wort Gottes aus: "Wie nun die Viper ihre Ohren verstopft, so auch der Teufel, wenn er unseren Herrn Jesus Christus sieht, der unser Fleisch trägt." Wer wie die Schlange handelt, so der moralische Sinn, wird wie die Schlange verflucht und zertreten.

Zum Teufel gejagt: Die Schlange und der Sündenfall

Die in den Schriften der frühen Kirchenväter ausformulierte und zementierte Gleichsetzung der Schlange mit dem Teufel führt rasch zu ihrer vollständigen Dämonisierung. Die "christliche" Schlange ist aller schöpferischen, schützenden, heilsamen, belebenden, schöpferischen oder die Weisheit fördernden Kräfte beraubt. Sie steht ausnahmslos für das verderbliche Wirken Satans, der die Menschen mit Gott entzweit, zur Sünde verlockt und in die ewige Verdammnis führt.

Mythische Echos im Garten Eden

Dreh-, Angel- und Ausgangspunkt der christlich-abendländischen Schlangenverteufelung ist der "Sündenfallbericht", den das dritte Kapitel der Genesis überliefert. Trotz aller Satansfixierung der christlichen Tradition hallen in der Schlange des Paradieses, wie auch in der ehernen Schlange des Mose, ausgesprochen mythische Züge nach, die sie in einen Zusammenhang mit Erkenntnis und geheimem Wissen rücken:

"Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten? Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten, aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt's auch nicht an, dass ihr nicht sterbt. Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist."

Drittes Kapitel der Genesis

Die Schlange bricht das Wissenstabu

Indem die Schlange Eva dazu verlockt, von den Früchten des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, bricht sie ein fundamentales Wissenstabu. Denn Gott, so flüstert sie der Urmutter zu, hat die Erkenntnis von Gut und Böse nur darum für sich reserviert, um den Menschen auf Abstand zu halten. Ohne diesen Erkenntnisvorsprung wäre der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf ausgelöscht. Die Strafe für den Bruch des Verbots folgt jedenfalls auf dem Fuß, und sie erwischt sowohl den Verführer, wie auch die Verführten. "Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen / und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf / und du triffst ihn an der Ferse."

Seelenverderber und Grund allen Übels

Die christlich-allegorische Verarbeitung des Sündenfalls tilgt alle im altisraelitischen Bericht noch echohaft anklingenden Weisheitsbezüge des mythischen Denkens rigoros. Die Schlange ist nicht länger eine wesenhafte Repräsentation göttlicher und kosmischer Kräfte, sondern nur noch Wirtskörper und Werkzeug des Teufels, der sich ihrer Gestalt bedient, um den Menschen zu verderben. Nun ist sie die Inkarnation Satans, die "alte Schlange", der "Erzfeind" und "Urverräter", der Seelenverderber und Grund allen Übels.


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