Die Schlange Und der Ursprung des Bösen
Die Schlange des christlichen Paradieses wird zum Symbol des Aufbegehrens gegen Gott, für Überheblichkeit und Ungehorsam, Stolz und Hochmut. Sie eröffnet den Kreislauf des Heilsgeschehens, indem sie Sünde und Tod in die Welt bringt, sie wird ihn auch beschließen als apokalyptischer Drache, der am Ende aller Zeit erscheint und von den Heeren der Engel endgültig niedergerungen wird. In der Zeitspanne dazwischen setzt sie als unversöhnlicher Widersacher Gottes ihr im Paradies begonnenes Verführungswerk ungehindert fort.
Mind the Gap: Die Stolperfalle im Schöpfungsbericht
Die biblische Schlange des Sündenfalls ist allerdings kein Störfall, sondern ein unverzichtbarer Trag- und Eckstein der Heilsgeschichte. Die Theologie braucht die satanische Schlange, um die prekäre Frage nach dem Ursprung und Existenzrecht des Bösen in einer an sich guten Schöpfung zu beantworten. Das Problem ist in der Tat vertrackt. Zum einen ist Gott das Gute schlechthin.
"Gott ist Licht, und es ist keinerlei Finsternis in ihm"
Augustinus
Dass ein vollends guter Gott das Böse schafft, ist damit ausgeschlossen. Doch woher, wenn nicht von Gott, kommt das Übel dann?
Ein gefallener Engelsfürst schmiedet Rachepläne
In ihrem Ringen um eine philosophisch und theologisch stichhaltige Erklärung greifen die Kirchenväter auf die aus verschiedenen, teils apokryphen Schriftstellen konstruierte Erzählung vom Engelssturz zurück. Danach erhob sich Luzifer, der strahlendste und höchste Engel, noch vor der Erschaffung der Welt aus Hochmut gegen Gott, dem er sich gleichrangig wähnte. Mit dem Schlachtruf "Wer ist wie Gott?" schlägt der Erzengel Michael die Revolte nieder, die besiegten Aufrührer und ihr Anführer Luzifer werden aus dem Himmel vertrieben und in die Tiefe der Hölle verbannt.
Nachdem Gott Adam und Eva erschaffen und ins Paradies gesetzt hat, schleicht sich der Höllenfürst in den Garten Eden ein. Aus Neid über die Stellung des Menschen beschließt er, sie zu verderben:
"Er konnte unser ungetrübtes Leben im Paradies nicht ertragen, hinterging den Menschen durch List und Ränke, bediente sich zur Verführung derselben Begierde, die er hatte, nämlich Gott gleich zu sein"
Protokoll Basilius von Cäsarea im 4. Jahrhundert
Gut und Böse: Die Qual der Wahl
Aber warum ist der in Schlangengestalt agierende Teufel böse? Aus eigener freier Wahl, lehren die Kirchenväter. Er hätte sich, wie Gabriel und alle anderen guten Engel dafür entscheiden können, bei Gott zu bleiben und nicht abzufallen. Dasselbe gilt für den Menschen. Wie die Engel wurde auch er mit einem freien Willen geschaffen, um aus eigener freier Entschließung für oder gegen den Gehorsam zu entscheiden. Genau diese kreatürliche Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse wird zum Hebel des Verführers, hier setzt er an, hier lauert die Sünde. Eva erliegt der Versuchung, isst die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis und zieht Adam mit ins Verderben. Zur Strafe dafür, dass sie der Verlockung des Teufels nachgegeben und aus freien Stücken gesündigt haben, werden die Stammeltern aus dem Paradies vertrieben. Der Hass des Teufels ist damit jedoch noch nicht gestillt. Bis zum Ende der Zeit wird er versuchen, den Menschen vom rechten Weg abzubringen. Bis zum Ende der Zeit bleibt es die freie Entscheidung des Menschen, sich auf die Seite Gottes und des Guten zu stellen, oder dem Satan und der Sünde zu folgen. Und bis zum Ende der Zeit trägt die Schlange den Fluch des Verderbers und Werkzeug des Schlechten.