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"El Mal" Warum "Emilia Pérez" den Oscar für den besten Song nicht verdient hat

Bei den 97. Academy Awards ging der Oscar für den besten Song an den Musicalfilm "Emilia Pérez" - nach Wochen voller Skandale rund um den Film und die Hauptdarstellerin. Ist wenigstens die Auszeichnung für den Song "El Mal" verdient? Ein Kommentar.

Von: Alba Wilczek

Stand: 03.03.2025

Clement Ducol, from left, Camille und Jacques Audiard  | Bild: picture-alliance/dpa

Es war ein Moment zum Fremdschämen, der sich gestern bei den Oscars zugetragen hat, bei der Dankesrede der französische Sängerin Camille und ihrem Partner Clemént Ducol. Beide haben die Musik für “Emilia Pérez” geschrieben und gerade den Oscar für Best Original Song gewonnen. Am Ende der Rede singt Camille das musikalische Hauptthema des Films an. Doch nichts daran wirkt authentisch. Das Publikum hüllt sich in Schweigen, im Hintergrund setzt die Rausschmeißer-Musik ein und dann verfehlt Camille auch noch die Töne. Ein Moment so schräg wie die Diskussion um den Film “Emilia Pérez”.

Das Abziehbild eines Musicals

Ein Blick zurück in die vergangenen Wochen: “Emilia Pérez” hat einen Run auf die Awards hingelegt, gewann u. a. in Cannes und bei den Golden Globes. Auch für die Oscars war der Film mehrfach nominiert. Doch parallel hagelte es Skandale. Rassistische Tweets der Hauptdarstellerin tauchten auf, es gab scharfe Kritik am Filmplot aus der trans Community und blanke Wut und Enttäuschung aus der mexikanischen Filmszene.  

Regisseur Jacques Audiard mit seinem Oscar. Auch er hat bei den Songs mitgeschrieben.

Regisseur ist der Franzose Jacques Audiard. Er wollte, dass die Musik das Herz des Films darstellt und die Geschichte nicht nur ausschmückt, sondern miterzählt. Klassisch Musical-Style eben. Aber “Emilia Pérez” klingt eher so wie das Abziehbild eines Musicals. So wie passionierte Musical-Hasser sich eines vorstellen. 

Als Camille und Ducol mit der Musik für den Film beginnen, hatte ihnen Jacques Audiard lediglich 30 Seiten Skript-Skizze und die vage Idee einer Conclusio geschickt. Sie sollten mit ihrem Writing die Entstehung und Story des Films mitbestimmen. Ihre Songs wurden später zum Rückgrat der Geschichte. Einer Geschichte, die in der mexikanischen Kultur spielen soll. Eine Kultur, zu der weder der französische Regisseur noch die französischen Musiker noch die spanische Hauptdarstellerin einen Bezug haben. Klar, auch Non-Locals können Geschichten aus anderen Ländern erzählen. Aber kulturelle Details sind wichtig. Und die fehlen hier.

Mexikanische Klischees und zu viel Text

Einer der Songwriter kann Spanisch, geschweige denn einen mexikanischen Dialekt. Für die Lyrics wurden also Übersetzer:innen engagiert, die zumindest den Großteil relativ authentisch übersetzten. Dennoch sind die Lyrics problematisch, kritisieren viele aus der mexikanischen Community. Ein User auf Reddit schreibt etwa: ”Es wirkt, als hätten sie mexikanische Slang-Words wie “chingada” oder “güey” in den Mixer gepackt und dann wahllos reingestreut. Andere kritisieren, die Lyrics seien vollgepackt mit mexikanischen Klischees, wie zum Beispiel im Song “Papa”, wo der Sohn von Hauptfigur Emilia Pérez ihren Geruch mit “spicy food” und “guacamóle” beschreibt.  

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Emilia Perez di Jacques Audiard con Karla Sofía Gascón, Zoe Saldaña, Selena Gomez | Clip "El Mal"

Oder im Song “El Mal”, in dem es verallgemeinernd heißt, alle mexikanische Bauern seien so arm. In einem Interview mit einem französischen Magazin sagte Regisseur Audiard, er wollte die Geschichte bewusst international erzählen und wählte Spanisch dafür, weil das die Sprache der Armen und der Migranten sei. Sagt ein weißer Mann aus Europa.

Hauptdarstellern Karla Sofía Gascón.

Der Song “La Vaginoplástia” ist ein weiteres Beispiel für den musikalischen Fail "Emilia Pérez". Zoë Saldaña als Anwältin Rita Mora Castro auf der Suche nach einem Arzt, der die körperliche Transition ihrer Klientin durchführen kann. Auf Youtube nennt ein Video den Song "The Worst Musical Number In A Movie". Verständlich. Er hat einen langweilig, durchschnittlichen Beat und cringe Lyrics wie zum Beispiel "Hello, very nice to meet you. I'd like to know about sex change operation. Woman to man? Man to woman? Penis to vagina!".

Dazu eine schlechte Songkonstruktion. Insgesamt wirkt fast der ganze Soundtrack so, als gäbe es nur 4 Noten und als wären zu viele Wörter für zu wenig Musik da. So als sei man einfach mit den ersten Entwürfen der Songs gegangen und hätte keine Zeit mehr gehabt, Lyrics und Musik wirklich in Einklang zu bringen. On Top sind die Texte arhythmisch gesprochen und falsch betont. Ein Stilmittel, das zu oft eingesetzt unprofessionell und unbeholfen wirkt. Rap ist eben SCHON eine Kunst.

Alle sind sauer

Zoë Saldaña mit ihrem Oscar als beste Nebendarstellerin.

Weiter wirken viele Songs im Plot beliebig und unnötig platziert. So auch, der Best Original Song. “El Mal”. “Das Böse”. Sagen wir so: Er ist einer der besseren musikalischen Momente. Eine Hardrock-Rap-Hymne mit Tanz-Nummer und catchy Hook. Doch ausgerechnet der Song, der ausgezeichnet wurde, tut in Wahrheit nichts für den Plot des Films. So wie Regisseur Audiard es sich ja aber eigentlich ausgemalt hatte. Das Thema “Korruption”, das Camille und Ducol auch in ihrer Dankesrede groß thematisierten, kommt mit dem Song im Film einmal vor und dann nie wieder, dient also eher als Füllwerk.  

Nicht zuletzt lassen die Gesangskünste der Darstellerinnen zu Wünschen übrig. Zoë Saldaña hat sich laut der spanisch-sprechenden Bevölkerung den Oscar als beste Nebendarstellerin ernuschelt, Selena Gomez klingt wie eine US-Amerikanerin mit russischem Akzent, die spanisch spricht und Karla Sofia Gascón strahlt nur durch KI-Unterstützung - oder auch nicht. Jedenfalls. Dieser Film schafft es, all die Menschen und Kulturen zu erzürnen, von denen er sich Inspiration holt. In Emilia Peréz Fall: Musicals, trans Menschen und die mexikanische Community.