"Musik ist Müll" "Dieses unendliche KI-Song-Projekt ist eigentlich Punk"
Musiker und Regisseur Valentin Hansen lässt alle zwei Minuten eine KI einen Song auf ein unendliches Album packen. Das ist Punk, sagt Autor Hans Platzgumer, der vor über zehn Jahren schon den Essay "Musik ist Müll" mitverfasst hat. Eine Begegnung
Valentin Hansen ist Musiker und Regisseur und hat Musikvideos gedreht für die österreichische Band Bilderbuch und DJ Paul Kalkbrenner. Er macht auch Kunst-Musik-Projekte, die sich unter anderem mit der Musikindustrie auseinandersetzen. Hans Platzgumer ist Musiker, Komponist und seit vielen Jahren Buchautor. Er hat unter anderem Tocotronic produziert und stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Vor über zehn Jahren hat er zusammen mit Didi Neidhart das Buch “Musik ist Müll” geschrieben.
Zündfunk: Was macht denn Musik zu Müll?
Hans Platzgumer: Grundsätzlich ist Müll alles, was zu viel und viel zu lieblos produziert wird, wenn Sachen auf den Markt und in die Welt geworfen werden, die eigentlich niemand braucht. Für uns hat immer alles mehr Wert, je rarer und exklusiver es ist. Deshalb finde ich das wahnsinnig spannend. Und Valentin, Du machst Musik, weil Du das ja mit diesem Projekt genau auf den Punkt bringen willst.
Valentin auf deiner Website veröffentlichst Du seit Anfang Januar, sehr viele Songs in einer wahnsinnigen Frequenz. Stand jetzt, bist Du bei 8965 und 14 Stunden. Deine Songs sind schon von dir, sie sind aber auch von einer KI, die ja alles Mögliche kann. Schlagzeug spielen, sie kann deinen Gesang verwenden, sie kann in alle Genres eintauchen. Wegen seiner Masse an Songs ist dieses Album, nach der Definition von Hans, eigentlich Müll?
Valentin Hansen: Ich denke, dass wenn man konfrontiert wird mit so viel Musik, dass eine gewisse Überforderung einsetzt, was natürlich negative Auswirkungen haben kann und damit dann irendwie auch als Müll bezeichnet werden kann. Man kann damit ja gar nicht damit umgehen. Für mich war auf der anderen Seite aber auch interessant zu sagen. man packt diese Masse in ein Projekt, eigentlich sind wir ja mit dieser Masse eh schon konfrontiert.
Valentin, wer ist denn der Urheber Deines Max Albums? Bist das noch Du? Die KI lernt ja Songs zu komponieren, in dem sie sich mit Deiner Musik beschäftigt. Hans hat sich in seinem Buch, "Musik ist Müll" auch mit Urheberschaft beschäftigt. Wird die jetzt unwichtiger oder ist die, wenn wir den Kontext kennen, dass sowas wie in Deinem Fall zum Beispiel ein Kunstprojekt ist, umso wichtiger?
Valentin Hansen: Das wird wahrscheinlich unumgänglich sein, dass man das irgendwie neu denkt. Ich glaube, für das Projekt ist es Teil des Konzeptes, und das wäre jetzt zu sehr "Claim" zu sagen, das ist meine Musik. Auch weil das Urheber- Recht da natürlich nicht mit dem Tempo mitwachsen kann, wie die Technik. In meinem Fall ist das noch richtig, aber es ist natürlich total fragwürdig.
Hans Platzgumer: Es gibt auch eine interessante geschichtliche Parallele. Als das Sampling aufgekommen ist beim Hip Hop, wurde viel herumgestritten, über die Urheberschaft der Samples, auch gerichtlich. Viele Stücke mussten dann zurückgenommen werden, weil die tatsächlichen Urheber von den verwendeten Stücken Beschwerde eingelegt haben und geklagt. Eigentlich ist ja ein ganz neues Stück daraus entstanden. Und damals entstand genau die gleiche Frage, die wir uns heute auch stellen.
Valentin Hansen: Ja, aber da war es doch noch viel leichter auseinander zu klamüsern, wer was gemacht hat.
Hans Platzgrumer: Ja, das ist natürlich dann bei der KI vollkommen unmöglich. Dadurch entsteht aber auch eine neue Gefahr, dass wir eigentlich die Popmusikerinnen eigentlich abschaffen können, weil es dann ja die KI gut genug kann und wir nichts anderes mehr brauchen. Ist das dann der Schluss?
Valentin Hansen: Wenn man sich jetzt nur die Musik anhört, dann kann man diese These aufstellen. Aber ich denke, das war auch schon so, bevor es KI Musik gab und der Output aber schon so hoch und auch schon sehr in den Fokus gerückt wurde. Es ist natürlich wichtig, wer singt diese Songs, wer erzählt dir seine Geschichte? Der Kontext darum denke ich, rückt das in den Fokus.
Hans Platzgumer: Wir brauchen quasi Stars und Gesichter, weil wir das als Zuhörer wollen. Das gab es ja schon mal in der Musikgeschichte, in den 90er Jahren ungefähr, als Techno immer größer wurde. Techno wurde anonym produziert und so enstand eine lange Phase, das fand ich auch wahnsinnig spannend, das man sich in der Musik damals von diesem Star Gehabe ganz gelöst hat. Man hat nämlich Musik gehört und gut gefunden, die von irgendjemanden, irgendwo gemacht worden ist, aber man hat einfach nicht gewusst, ob da jetzt irgendwie jemand in New York oder in Stuttgart oder irgendwo sitzt. Aber dann wurde das den Leuten zu wenig und dann mussten doch wieder die Gesichter her, und so wurden dann eben die DJ's zu Stars.
Hans, in dem Essay Buch von Dir und Didi Neidhart gibt es ja eine schöne Störkraft in der Musik. Du lobst da sehr den Punk. Was könnte denn der Punk für die Musiklandschaft 2025 sein, wenn wir uns die Verschmelzung von KI mit dem, was wir als Popmusik kennen, so anschaut? Gibt es da irgendwas, wo du denkst, das könnte noch mal richtig aufrütteln?
Hans Platzgumer: Also ich denke, dass zum Beispiel dieses Projekt von Valentin Hansen eigentlich Punk ist. Es ist doch sehr frech, sich von allem zu bedienen und einfach das Zeug rauszuhauen und damit auch ein Statement zu setzen. Das ist natürlich auch Musik, bei der auch niemand mehr ein Instrument beherrschen muss. Sondern das kann man natürlich dann alles mit KI generieren. Das ist schon auch diese Punk-Attitüde. Da geht es um die Haltung und die Haltung finde ich eigentlich schon mal aufrüttelnd. Und ich finde auch gut, wenn das zum Beispiel dazu führen würde, dass in sehr vielen Städten und sehr vielen Ländern solche kleine Valentin Hansens das machen und alles überfluten mit Milliarden von Stücken, die dabei rauskommen. Dann wäre das eigentlich so eine "Denial of Service Attacke" auf das gesamte System. Und wenn man sich vorstellt, dass die auch alle gleichzeitig auf Spotify hochgeladen würden, dann wird nämlich dieses ganze System subversiv von unten her gestürmt - und das ist Punk.
Valentin, fühlst du dich wohl in der Rolle des revolutionierenden Punks?
Valentin Hansen: Ich fühl mich sehr gesehen.