Bayern 2 - Zündfunk

Meinung Was spricht gegen ein Lautstärkelimit bei Konzerten?

Konzerte müssen laut sein, damit man die Musik nicht nur hört, sondern auch spürt. Das ist Teil des Erlebnisses. Wenn der Brustkorb vibriert und manchmal auch der Boden. Aber wie laut ist gut für uns? Müssen unsere Ohren danach fiepen? Nein.

Von: Sandra Limoncini

Stand: 19.12.2024

Wacken, Schleswig-Holstein, Deutschland - Besucher mit Gehoerschutz beim Wacken Open Air Festival. | Bild: picture alliance / Caro | Seeberg

Manowar, die amerikanischen Begründer des True Metal haben 2008 das lauteste gemessene Metal Konzert der Musikgeschichte gegeben. 139 Dezibel wurde dabei gemessen. Damit schafften sie es sogar ins Guinness-Buch der Rekorde. Zum Vergleich: Ein Flugzeugstart hat 140 Dezibel und eine Kreissäge 100 Dezibel. Sprich, ein normales Konzert ist im Extremfall so laut wie eine Kreissäge. Klingt bei allem Spaß doch irgendwie ungesund. Aber es gibt moderne Technik oder Hilfsmittel mit denen man laute Musik genießen kann und trotzdem seine Ohren schützt. Es gibt laut Experten eine Lautstärke-Grenze, die liegt bei 100 Dezibel. Diese Zahl, sollte bei Konzerten nicht dauerhaft überschritten werden. Denn alles darüber könnte zu einem veritablen Hörschaden führen. Gesund jedoch, sagen Mediziner:innen, ist ein Richtwert von 80 Dezibel. Das entspricht etwa der Lautstärke eines schreienden Babys oder eines Motorrads.

Wie laut ein Konzert ist, hat früher niemanden interessiert

Verantwortlich für das lauteste Konzert der Geschichte: Manowar

Das hat früher – und das gilt teilweise noch heute – niemanden wirklich interessiert. Wer in der Punk-Szene was auf sich hielt, hätte niemals bei einem Sex-Pistols-Gig verschämt eine kleine Ohropax-Dose aus der zerrissenen Jeans gefummelt, um sich kleine Wachspfropfen in den Gehörgang zu schieben. Das hat sich verändert. Ruben ist Musiker und Musikfan. Ihm waren Konzerte immer schon zu laut.

Ruben hat jahrelang verschiedene Möglichkeiten getestet, seine Ohren zu schützen. Verschiedene Ohrstöpsel und andere Dinge, aber er war immer unglücklich mit dem Klang. Herkömmliche Ohrstöpsel dämpfen alle Geräusche und damit die ganze Musik. Viele Jahre hat er sich aus Taschentüchern Ohrstöpsel zurechtgebasteln bei Konzerten. Das haben dann sogar einige Freunde von ihm so übernommen. Aber am Ende waren das immer unbefriedigende Lösungen.

Es gibt viele Möglichkeiten, für jeden Geldbeutel, seine Ohren zu schützen

Ruben bekam dann eines Tages einen Tipp.: Es gäbe auch einen Ohrschutz, den man sich anfertigen lassen könne. Das hat er dann gemacht. Mit einem modernen angepassten Hörschutz kann man heute auch sehr laute Konzerte anhören, die trotzdem gut klingen. Diese besonderen Hörschutz-Plug-Ins gab es früher in dieser Form aber noch nicht. Tatsächlich war aber auch die Attitüde eine andere. Campino von den Toten Hosen sagt heute in Interviews: Nach über 40 Jahren lautem Punk, sei er fast taub. So geht es auch, Pete Townshend von The Who oder Neil Young. Grimes hat 2012 sogar wegen Hörproblemen mal ihre Europa-Tournee abgesagt. Und trotzdem scheint die Lautstärke von Konzerten immer noch kein regelmässiges Diskussionsthema der Bands und Musiker zu sein.

Es gibt kein Gesetz, dass die Lautstärke regelt bei Konzerten

Konzertveranstalter Phillip Engelhardt vom Milla Club in München berichtet, dass Diskussionen um die Lautstärke bei Konzerten bei ihnen nach wie vor kein großes Thema seien, auch nicht wenn Bands Soundcheck machen oder man sich bespreche. Zudem gäbe es bei ihnen im Club einen Limiter in der Anlage, der den Sound einfach automatisch begrenzt. Das diene aber tatsächlich eher dazu, die Nachbarschaft nicht zu verärgern. Der Milla Club liegt mitten in einem Wohngebiet. Das Muffatwerk in München wiederum verweist regelmässig auftretende Bands auf eine entsprechende DIN-Norm. In der ist von einem maximalen Bewertungspegel die Rede und von Spitzenschalldruck. Dort ist dann auch festgelegt, wie man die Laustärke ermitteln kann. Aber auch dort gibt es keine Angabe, wie laut man den Regler drehen darf. Grundsätzlich gibt es in Deutschland verschiedene Gesetze die regeln, wie lange man laute Musik spielen darf. Besonders bei Partys oder Konzerten in Wohngebieten oder sogar bei kommerziell angemeldeten Partys oder in der Gastronomie. Aber es gibt, wie bespielsweise in der Schweiz, kein Gesetz, dass genauestens die Lautstärke bei Konzerten regelt, bestimmt oder Bußgelder festlegt , wenn dagegen verstoßen wird.

Loops schützen unsere Ohren und sehen dabei gut aus

Trotz alledem achten vermehrt junge Konzertbesucher:innen heute darauf, wie laut Konzerte sind. Und schützen sich und ihre Ohren. Loops sind deshalb total begehrt. Loops sind kleine Ohrstöpsel, die nicht nur schick aussehen, sondern auch noch den Lärm verringern, der an unsere Ohren kommt. Der Klang der Musik bleibt erhalten, nur eben etwas leiser. Loops sind natürlich günstiger als ein individuell angepasster Hörschutz. Noch günstiger als Loops oder ein custom-made Hörschutz sind die einfachen Ohrstöpsel, die man ab einem Euro in jeder Apotheke oder sogar auch an Tankstellen kaufen kann. Und bevor man sich die Ohren ruiniert, sind diese einfachen Stöpsel besser als nichts.

Wieso müssen sich die Fans darum kümmern, dass es ihnen nicht zu laut ist?

Aber noch einfacher wäre, dass man die Konzerte erst gar nicht so laut spielt. Dann könnte man sich dieses ganzen Ohrschutz-Kram sparen. Man misst beim Soundcheck die Lautstärke, passt die auf rund 80 Dezibel an und gut ist's. Aber vielleicht ist das dann doch zu uncool. Was, wenn man sich beschweren würde beim Veranstalter oder noch besser bei der Band. Auf die Bühne rufen würde: Hey, muss das so laut sein? Könnt ihr ein bisschen leiser drehen, das tut mir in den Ohren weh?

Warum spielt man Konzerte nicht einfach leiser?

Warum ist ein Fiepen in den Ohren oder das latende Taubheitsgefühl nach einem Konzert immer noch für viele Konzertbesucher eine Auszeichnung? Ein körperlicher Orden für ein gelungenes Event? Vielleicht trauen sich Konzertbesucher einfach nicht, zu sagen, dass ihnen die Musik zu laut ist. Vielleicht, weil's so Oma-mäßig klingt. Auch Philipp Englhardt vom Milla Club in München hört solche Beschwerden fast nie. Es käme wirklich super selten vor, zumindest soweit er das mitbekommt und Philipp hat rund circa 800 bis 1.000 Konzerte organisiert. Wenn sich mal ein Konzerbesucher beschwert, weise man darauf hin, dass er an der Bar einen Ohrenschutz bekommen könne.    

Das ist natürlich eine Möglichkeit. Aber warum nicht die Konzerte leiser spielen? Ich wünsche mir für das nächste Jahr, dass alle Fans, denen ein Konzert zu laut ist, das auch dem Veranstalter sagen oder schreiben. Und die Veranstalter ihrerseits das Thema ernst nehmen. Ich spreche hier nicht von Zimmerlautstärke, aber von einer Lautstärke, die nicht zu fiepsenden Ohren und Hörschäden führt. Musik – vor allem Live-Musik, wollen wir ja alle lange genießen. Also, wer macht mit?