Bayern 2 - Zündfunk

Kritik an Münchner Clubs Bieten Münchner Venues Antisemitismus eine Bühne?

Der Krieg in Nahost spaltet die Subkultur in Deutschland und Bayern. Aktivist*innen kritisieren Münchner Veranstaltungsorte, darunter das "Import Export" und die "Rote Sonne", israelfeindliche Künstler auftreten zu lassen.

Von: Dominik Kalus

Stand: 06.06.2024 | Archiv

Collage aus einem Konzert und einem antisemitischem Graffiti | Bild: Bildrechte: Graffiti: picture alliance/ZUMAPRESS.com/Marco Di Gianvito | Mikrofon: BR/Sven Schulz | Konzert: stock.adobe.com/ververidis | Montage: BR

Nur seine Augen sind zu sehen, der Rest seines Gesichts ist mit einem Kefije verhüllt. Sein Logo: Ein schwertschwingender Reiter, der laut Pressetext auf seiner Homepage für "Frieden und Gerechtigkeit" kämpft. Die Rede ist vom libanesisch-französischen DJ "Arabian Panther".  

Anfang des Jahres hätte der Arabian Panther im Berliner Techno-Club Berghain auftreten sollen – doch die Veranstalter sagten das Konzert ab. Offiziell wegen Renovierungsarbeiten; doch das Musikmagazin "Groove" vermutet ein anderer Grund dahinter: antisemitische Posts, die der Künstler offenbar auf Instagram gepostet hat. Die "Groove" hat einen Screenshot veröffentlicht, auf dem der "Arabian Panther" die massenhaften Vergewaltigungen der Hamas am 7. Oktober als erfunden bezeichnet. Den Post hat der Künstler mittlerweile gelöscht, sich aber weder entschuldigt noch erklärt.

Krieg spaltet auch die Kultur

Seit dem 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg in Gaza scheint kaum eine Kulturveranstaltung ohne Kontroverse abzulaufen. Die Positionen in der Debatte scheinen unversöhnlich: Die eine Seite bekennt sich klar zu Israel – und übersieht darüber in Teilen das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung. Auf der anderen Seite wollen Teile des Pro-Palästina-Lagers nicht nur den Krieg beenden, sondern den israelischen Staat gleich mit. Mitte Oktober sagten die Betreiber des Münchner Clubs Backstage ein Konzert des jamaikanischen Reggae-Stars und Grammy-Gewinners Kabaka Pyramid ab. Vorwurf: Antisemitismus. Kabaka Pyramid habe die jüdische Weltverschwörung propagiert und die Hamas-Gräueltaten verharmlost. Der Künstler wies die Anschuldigungen zurück, das Konzert fand trotzdem nicht statt. 

Die Kontroverse um den DJ Arabian Panther im Berghain war im Januar – in der Zwischenzeit ist der Arabian Panther zwei Mal in München aufgetreten, im Juni in der Roten Sonne und im August im Import Export. Ohne große öffentliche Debatte, aber nicht ohne Protest: Die Aktivist*innen Werner Gaßner, der sich auf Instragram als "nichtjüdischer Zionist" beschreibt, und Aisha (die hier nur ihren Vornamen nennen möchte) demonstrierten am zweiten Konzerttermin des Arabian Panther vor dem Import Export. 

Die beiden halten damals eine Fahne des israelischen Nova-Festivals in die Höhe, um an die von der Hamas getöteten und misshandelten Festivalbesucher zu erinnern. Dem "Import Export" und der "Roten Sonne" werfen sie vor, sich nicht informiert zu haben, welche Positionen der Künstler auf Social Media vertritt – und dass sie somit Antisemitismus eine Bühne bieten würden. 

Schweineköpfe und ein offener Brief 

Das "Import Export" reagiert zunächst nicht auf den Protest der beiden. Der DJ Arabian Panther selbst reagiert wiederum, indem er ein heimlich aufgenommenes Bild der beiden Protestierenden auf Instagram postet, ihre Gesichter mit Schweineköpfen verfremdet – eine antisemitisch konnotierte Chiffre.  

Nach dem Konzert, Mitte September, schreiben Gaßner und Aisha dann einen offenen Brief an das "Import Export" und den Club "Rote Sonne", mitunterschrieben von mehreren lokalen Vereinen und Initiativen; darunter die Deutsch-Israelische Gesellschaft München, die Bewegung "Artists against Antisemitism" und der Social-Media-Kanal "Königlich-bayerische Antifa". 

Darin heißt es unter anderem:

"Der Auftritt des DJs 'Arabian Panther', der die Verbrechen des 7. Oktobers relativiert und Vergewaltigungen geleugnet hat, hat uns zutiefst erschüttert. Es ist für uns unverständlich, wie in Clubs, die sich als Safe Spaces für queere Menschen und als Gegner:innen von Rassismus und Antisemitismus verstehen, so etwas geschehen kann."

Sollten Veranstalter die Social-Media-Historie ihrer Künstler durchleuchten? 

Von den Veranstaltern forderten die Unterzeichner eine öffentliche Stellungnahme und eine Entschuldigung, und außerdem eine Aufarbeitung. "Das muss man von einem Club, der öffentlich gefördert wird, erwarten können", sagt Werner Gaßner gegenüber dem Zündfunk. Veranstaltungsorte wie das Import Export sollten seiner Meinung nach genau prüfen, welche Meinung Künstler*innen auf Social Media vertreten. 

Der Zündfunk hat den DJ Arabian Panther mit den Vorwürfen konfrontiert und ihn auch nach den Hintergründen der Instagram-Posts und seiner Haltung heute gefragt – ohne Antwort. Auch der Club "Rote Sonne" reagierte auf Zündfunk-Anfrage nicht. Import-Export-Geschäftsführerin Lily Felixberger war zum Interview bereit – mit klarer Meinung zum Vorwurf, Antisemitismus eine Plattform zu bieten. 

"Wir weisen den Vorwurf, der an uns gemacht wurde, entschieden zurück. Wir dulden auf unseren Bühnen keinen Antisemitismus. Und auch vermeintliche Belege, die in Verbindung mit den gebuchten KünstlerInnen gemacht wurden, bewerten wir nicht als antisemitische Aussagen. Wir bewerten die Kritik an der Kriegsführung des israelischen Staates nicht als Antisemitismus", sagt Felixberger im Zündfunk-Interview.

Der Ton wird rauer 

Dass es eine Debatte um Arabian Panther gegeben hat, sei dem Import Export bekannt gewesen. "Aber wir basieren nicht das Booking aufgrund eines viralen Posts", sagt Felixberger. Es sei nicht die Aufgabe eines Kulturorts, eine komplette Durchleuchtung von KünstlerInnen im Vorfeld vorzunehmen.

Anfang Oktober haben sich die zwei Aktivist*innen, die den offenen Brief initiiert haben, und Mitarbeiter des "Import Export" zum Gespräch getroffen – konnten den Konflikt aber nicht ausräumen. Vielmehr wurde der Ton rauer: Werner Gaßner und Aisha haben einen zweiten Brief geschrieben, in dem sie dem "Import Export" vorwerfen, Extremismus zu fördern. Nun sei der Dialog abgebrochen, sagt Werner Gaßner.

Muffathalle sagte Konzert ab

Auch auf zwei weitere Konzerttermine in München machte Gaßner in diesen Tagen aufmerksam: Am 2. und 10. November sollten im Technikum und in der Muffathalle palästinensische Künstler auftreten, in deren Social-Media-Posts Gaßner die Hamas verherrlicht sieht. In offenen Mails forderte er die Veranstalter auf, die Konzerte abzusagen. 

Im Falle der Muffathalle – wo ein Auftritt des Rappers Asifeh – geplant war, kamen die Verantwortlichen nun Gaßners Aufforderung nach, und sagten das Konzert ab. Asifeh hatte offenbar einen Post des getöteten Hamas-Anführers Yahya Sinwar geteilt, der sich als Legitimierung der Massaker des 7. Oktobers lesen lässt. Die angezeigte "Verherrlichung von Gewalt" sei ein "absolutes No-Go", sagte Muffathallen-Leiter Dietmar Lupfer der Süddeutschen Zeitung.