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"Pass Pass": Recht auf Reisen Wie afrikanische Künstler:innen für Visa kämpfen müssen

Regelmässig bekommen afrikanischen Künstler:innen kein Visum für Auftritte im globalen Norden. Die kenianische Elektronika-Produzentin und DJ Coco Em prangert das an und setzt sich mit ihrer Initiative "Pass Pass" für eine gerechte globale Mobilität ein.

Von: Alex Martini

Stand: 12.09.2024

Foto Collage DJ Coco Em | Bild: Paddy Gedi: Coco Em - Earth Agency (earth-agency.com))

Die kenianische Produzentin und DJ Coco Em ist sauer. Sie ist gefragt, auch in Europa: Vom Sonar Festival in Barcelona bis zum Glastonbury in England. Aber für sie ist es eine Herausforderung zu diesen Dancefloors zu gelangen, denn Reisen ist teuer und die Visa-Prozeduren sind lang. Coco Em hat schon mal einen Gig auf La Réunion verpasst, weil sie vier Monate auf einen Termin bei der französischen Botschaft warten musste. 

"Die Wahrheit über das, was wir an den Grenzen erleben: es ist vorurteilsbeladen, rassistisch und falsch."

Coco Em

Coco Em wird unterstellt, sie wolle in Europa untertauchen

Klappt es mit dem Visum und ist der Flug bezahlt, ist aber immer noch nicht klar, ob sie ankommen wird. So auch 2019, als sie am Flughafen in Nairobi festgehalten und befragt wird. Emma Mbeke Nzioka, so heißt Coco Em mit bürgerlichem Namen, soll damals auf dem Festival "Terra Negra" in Tunesien auflegen. Weil es keinen Direktflug gibt, hat sie einen Flug mit zwei Stopps gebucht – in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Rom. Von einer Beamtin am Flughafen wird ihr unterstellt, auf diese Weise in Europa untertauchen zu wollen. Es seien die immer gleichen rassistischen Vorurteile: dieses Bild der afrikanischen Frau, die sich einen europäischen Mann angelt und sich dann den Traum in Europa verwirklicht. "Dabei lebe ich meinen Traum hier in Nairobi. Und ich komme nur, um meine Musikkultur zu teilen", sagt Coco Em. 

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Coco Em African House Mix | Boiler Room x Ballantines True Music Kenya | Bild: Boiler Room (via YouTube)

Coco Em African House Mix | Boiler Room x Ballantines True Music Kenya

130 Mio Euro hat die EU 2023 durch abgelehnte Visa eingenommen 

Coco Em ist damit aber nicht allein. In einem Artikel im britischen Guardian bezeichneten mehrere afrikanische Künstler:innen die Umstände als "erniedrigend". Laut einer Analyse der Forschungsgruppe LAGO Collective wurden 2023 knapp 50% der Visa-Anträge für den europäischen Schengenraum aus Ländern wie Nigeria, Ghana und Senegal abgelehnt. 130 Mio Euro hat die EU so im Jahr 2023 durch abgelehnte Visa eingenommen. Als eine Form der globalen Apartheid bezeichnet das die schottisch-ghanaische Architektin Leslie Lokko. Die Kuratorin der Architektur Biennale in Venedig 2023 berichtet, dass vier ihrer künstlerischen Mitarbeitenden aus Ghana nicht einreisen konnten – ihre Schengenvisa wurden abgelehnt.

Sie fordert einheitliche und faire Visa-Verfahren

Coco Em hat deswegen die Initiative "Pass Pass" gegründet. Sie will damit Transparenz schaffen und langfristig tourende Künstler:innen rechtlich und finanziell unterstützen. Von den Ländern des globalen Nordens fordert sie einheitliche und faire Visa-Verfahren sowie eine Meldestelle für rassistische Vorfälle an internationalen Flughäfen. Aber auch ein grundsätzliches Umdenken hin zu einer gerechten Mobilität für Künstler:innen vom afrikanischen Kontinent. Ihr Apell an die Veranstalter ist, dass sie mehr Einsatz zeigen. Oft wird es den Veranstalter:innen mit afrikanischen Künstler:innen zu kompliziert und sie greifen dann auf lokale Künstler:innen zurück. Aber sie seien doch von der afrikanischen Kunst inspiriert. Afrikanische Werke werden hier gezeigt, noch bevor die Künstler selber kommen können. Es ist also auch die hiesige Kulturszene – Festivals, Booker und Kuratorinnen – gefragt.