Meinung: "Female Rage" Taylor Swift vermarktet jetzt weibliche Wut – und macht Frauen wütend
Auf ihrer Eras-Tour hat Taylor Swift den Slogan "Female Rage" für sich entdeckt – und sich daran gleich mal die Markenrechte gesichert. Damit kommerzialisiert Taylor Swift die weibliche Wut. Aber höhlt sie damit auch den Feminismus aus?
Zorn kann sehr weiblich sein. Ich merke es an meiner Zornesfalte und am Bruxismus, besser bekannt als Zähneknirschen. Laut einer Studie der Siemens-Betriebskrankenkasse bekommen Frauen doppelt so häufig eine Zahnschiene wie Männer. Ob Taylor Swift auch eine hat?
"The Tortured Poets Department: Ein Album über den Ex – mal wieder
Bestimmt nicht, denn Taylor und ihre Swifties haben nun ein neues Ventil für ihre "Female Rage", also die weibliche Wut: Die Eras-Tour. Als Taylor Swift am Wochenende ihre Show in Paris eröffnete, hatte sie gleich eine Überraschung im Gepäck. Sie hat ihre Setlist um sieben Songs erweitert – neue Kostüme und Show inklusive – alles von ihrem neuen Album "The Tortured Poets Department". Ein Album, in dem sie, wieder mal, ihre Ex-Beziehung verarbeitet und sich gegen ihr toxisches Umfeld wehrt, wie im Song "But Daddy I love him":
"I'll tell you something right now, I'd rather burn my whole life down than listen to one more second of all this griping and moaning. I'll tell you something about my good name. It's mine alone to disgrace. I don't cater to all these vipers dressed in empath's clothing."
Wie Taylor Swift ein Gefühl zum Geschäft macht
Dem neuen Album hat Swift nun noch einen anderen Beinamen gegeben "The Tortured Poets Department aka Female Rage: The Musical". Für den Slogan "Female Rage: The Musical" hat sie nun sogar das Markenrecht angemeldet. Laut Dokumenten, die der Celebrity-News-Plattform TMZ vorliegen, soll Swift mit ihrer Firma TAS Rights Management letzte Woche eine Markenanmeldung eingereicht haben.
Die weibliche Wut ist jetzt also käuflich – in Form von Tassen, Mauspads und T-Shirts. Auf Etsy findet sich schon der erste Swift-Merchandise mit dem Aufdruck. Mein Kiefer fängt an zu ziehen beim Anblick des romantischen Serifen-Schriftzugs "Female Rage".
"Female Rage" ist nicht neu
Die Idee der "weiblichen Wut" ist nicht neu. Sie kommt von Frauen, die immer schon für Gleichberechtigung gekämpft haben. Es ist die Wut auf die systemische, unfaire Behandlung eines ganzen Geschlechts.
Anfang der 1990er schließen sich in den USA Frauen aus der Punk-Szene als "Riot Grrrls" zusammen. Mit dabei: Corin Tucker von Sleater-Kinney. Für sie war es anfangs eine Art "support group". Für den Zündfunk erinnert sie sich: "Es war damals viel mehr Tabu, über sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe zu sprechen. Diese Themen, mit denen Frauen häufig am Arbeitsplatz, in ihrem Zuhause oder in persönlichen Beziehungen konfrontiert sind. Es war also ein sicherer Ort, ein 'safe space', um über alles zu sprechen, was Frauen brauchten."
Pop mit ausgestrecktem Mittelfinger
Ein Thema, an dem sich auch der deutsche Pop gerade aufarbeitet. Nina Chuba gröhlt seit einigen Jahren erfolgreich "Ich glaub, ich hass' dich" in die Menge. Paula Hartmanns neues Album "Kleine Feuer" fühlt sich nach Pop an mit ausgestrecktem Mittelfinger. Und Céline fragt im letzten Jahr in ihrem Song "Drei Sekunden": "Alle drei Sekunden umdrehen, nachts allein im Dunkeln, sag mir, was weißt du davon?"
Und jetzt verkauft Taylor Swift diese weibliche Wut, diesen Kampf gegen toxische Männlichkeit an den Mainstream. Meine Zähne knirschen. Darauf noch ein Hit. In meinen Ohren klingelt die Single von Taylor Swift "The tortured poets department", in dem sie zumindest zugibt, sie sei nicht Patti Smith, im Pop die große alte Heldin für "female empowerment":
"I laughed in your face and said 'You’re not Dylan Thomas, I'm not Patti Smith. This ain't the Chelsea Hotel, we're modern idiots. And who’s gonna hold you like me? No-fucking-body.'"
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Taylor Swift - The Tortured Poets Department (Official Lyric Video)
Gemeinsam Kreischen gegen toxische Männlichkeit
Ich habe es verstanden. Taylors Trennung vom toxischen Indie-Rocker Matty Healy will sie in dem Song wohl mit "female rage" verarbeiten – ist ja auch eine wutauslösende Erfahrung. Schon Beyoncé ("Irreplaceable", 2006), Miley Cyrus ("Flowers", 2023) und allen voran Olivia Rodrigo ("Drivers License", 2021) haben gezeigt, wie gut sich die Breakup-Songs mitkreischen lassen. Und das kann schließlich so herrlich verbindend sein: gemeinsam kreischen gegen toxische Männlichkeit.
Auch wenn es in Taylor Swifts Songs vor allem um die gewohnten heterosexuellen "He-She" Storylines geht, kann ich ihr vielleicht eins zugestehen: sie macht die weibliche Wut mehrheitsfähig. Und endlich endlich entspannt sich mein Kiefer.