Dokumentarfilm: "Teaches of Peaches" Peaches ist die sexpositive Erzieherin einer ganzen Generation
"Fuck The Pain Away": Dieser Song war ein Befreiungsschlag und machte Peaches zum Idol von unzähligen Musiker:innen und queeren Menschen. Nun ist der Dokumentarfilm "Teaches of Peaches" über die Kanadierin im Kino zu sehen.
Die Geschichte der Kunstfigur Peaches ist vor allem eine Geschichte der Selbstermächtigung, das ist die Erkenntnis des Dokumentarfilms "Teaches of Peaches". Merrill Nisker wächst in der kanadischen Provinz in Ontario auf. Sie jobbt als Kindergärtnerin und erkennt, dass sie zu den Kindern vor allem dann eine Verbindung herstellen kann, wenn sie sie interaktiv mit Liedern an der Gitarre bespaßt – ihr erstes fasziniertes Publikum. An eine Musikkarriere glaubt sie da noch nicht, denn dafür muss frau bestimmt Berufsmusikerin sein, so ihre Vorstellung.
Ihr erstes Album, 1995 und noch unter ihrem Geburtsnamen erschienen, bietet typischen Alternative Rock der 90er – nicht schlecht, aber noch jenseits von einzigartig. Dann landet sie auf einer bekifften Jam-Session in Toronto und trifft dort auf Chilly Gonzales, ihren späteren Partner in Crime. Auf dieser Jam-Session, aus der die Band The Shit hervorgeht, entdeckt sie zum ersten Mal das kreative Potential eines Synthesizers.
"Oh, das klingt cool": Die Anfänge von Peaches
Anfangs kann die Autodidaktin weder das Tempo am Drum-Computer ändern, noch den Sinuston am Synthesizer: "Ich wusste nichts über BPM, also die Geschwindigkeit eines Stückes. Ich glaube, meine ersten Songs sind alle in 120, weil ich nicht wusste, wie man das ändert. Und die Hälfte meiner Stücke sind im Sinuston, weil der am Anfang kommt: Oh, das klingt cool", erzählt die Musikerin im Film.
Egal, es passt doch. Viel wichtiger ist der Song. Mit dieser klassischen DIY-Punk-Attitüde erobert sie wenig später Berlin im Sturm, mit dabei Chilly Gonzales. "Audience first" ist ihr Ansatz, die Show, das Entertainment muss im Mittelpunkt stehen.
20-Jahre-Jubiläumstour von "Teaches of Peaches"
Neben Archivmaterial aus ihren Anfangstagen in Toronto und Berlin zeigt der Film die 20-Jahre-Jubiläumstour von "Teaches of Peaches" und deren Vorbereitung. Wir lernen alle Beteiligten kennen, und eigentlich wären wir auch gerne selbst dabei. Gerade noch weist Peaches ihre neue Tour-Gitarristin in die Geheimnisse der erotischen Bühnenpräsenz ein, Schnitt, und schon sehen wir die gerade noch etwas schüchterne Gitarristin halbnackt und mit irrer Irokesenfrisur auf der Bühne in ihrem Element.
"I don’t give a fuck"
Peaches hat so Heerscharen von Fans und MusikerInnen befreit und beeinflusst. Ihr Vorbild als sexpositive Erzieherin einer ganzen Generation kann gar nicht hoch genug gehängt werden, auch viele queere und trans Artists berufen sich auf sie. Mittlerweile ist sie Mitte 50, und das sieht man ihr an. Schon bei ihrem Durchbruch war sie über 30 und nur noch bedingt MTV-kompatibel – was sie aber auch nie sein wollte. "Teaches of Peaches" ist auch ein Film über würdevolles Altern im Showbetrieb, wobei Würde es vielleicht nicht ganz trifft, eher ein beherztes "I don’t give a fuck".
Madonna ist noch etwas älter und hat gerade vor anderthalb Millionen Fans in Rio gespielt. Peaches backt kleinere Brötchen, aber ihre Bühnen-Outfits sind ähnlich spektakulär. "Teaches of Peaches" hat die gleiche inspirierende Wirkung wie die Shows von Peaches. Mach Rock'n'Roll aus deinem Leben, was denn sonst? Der Film endet, wie er anfängt, mit den bezaubernden Bildern aus dem Kindergarten, wie Merrill Nisker samt Gitarre eine Polonaise mit glücklichen Kindern anführt. Entertainer for life.