Keine Polizeiromantik: "The Day of the Jackal" Das Serien-Remake von "Der Schakal" zerlegt das Bild von Polizei und Co
Die neue Serie "The Day of the Jackal" mit Eddie Redmayne ist eine der erfolgreichsten des Jahres. Das Schakal-Remake besticht nicht nur mit Starbesetzung und Drehbuch, sondern auch mit beißender Kritik an Polizei, Geheimdienst und Militär. Garantiert keine Copaganda.
Deutschland, wir schreiben den 15. Juni 2020. Gleich wird etwas Absurdes geschehen. Gleich wird taz-Kolumnist*in Hengameh Yaghoobifarah einen extrem provokanten Artikel veröffentlichen und schreiben: "Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann überhaupt noch reinlassen? Schließlich ist der Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch." In der Kolumne "All Cops are berufsunfähig" fordert Hengameh, dass man Polizisten auf der Mülldeponie entsorgen sollte. Weshalb der damalige Innenminister Horst Seehofer Anzeige erstattet.
Zündfunk Popcorn: Filme und Serien auf den zweiten Blick
In der Kolumne "Zündfunk Popcorn" berichten die Zündfunk-Reporter*innen Paula Lochte und Ferdinand Meyen alle zwei Wochen über aktuelle Kino- und Streamingtipps. Im Fokus: die Indie- und Geheimtipps unter den Blockbustern. Süß. Salzig. Politisch.
Die Polizei-Kritik in "The Day of the Jackal"
Schade, dass es damals noch nicht "The Day of the Jackal" gab. Was das Serien-Remake des 70er-Jahre-Films und -Romans "Der Schakal" besonders auszeichnet, ist nicht seine absurde Darstellung der bayerischen Landeshauptstadt München (ganz offensichtlich nicht dort gedreht), sondern seine Kritik an den Strukturen, die eigentlich für unsere Sicherheit sorgen sollen: Die Polizei, das Militär und der Geheimdienst. In dieser Serie gelingt das deutlich ausgereifter als bei Hengameh. Weil sie uns ein realistisches Bild dieser Strukturen bietet – und erzählt, wie moralisch graue Figuren von ihnen zu Gräueltaten verleitet werden.
Eiskalte MI6-Agentin jagt eiskalten Auftragskiller
Der Schakal wird gespielt von Oscar-Preisträger Eddie Redmayne. Er ist ein eiskalter Auftragskiller, Scharfschütze und Imitator, der unzählige Sprachen spricht und sich durch Make-Up und Maske in andere Personen verwandeln kann. Gejagt wird er von MI6-Agentin Bianca, gespielt von Lashana Lynch. Die zehn knapp einstündigen Folgen sind mit das Spannendste, was das Film- und Serienjahr 2024 zu bieten hat.
Darum geht es in der neuen Serie mit Eddie Redmayne
Die Handlung: Der Schakal soll Ulle Dag Charles ermorden, einen Milliardär mit Gewissen. UDC, so nennen sie ihn, steht kurz davor, ein Programm zu veröffentlichen, das die Finanztransaktionen des globalen Kapitalismus aufdecken – und für soziale Gerechtigkeit sorgen soll. Was die anderen Superreichen verhindern wollen, indem sie den Schakal anheuern. Außerdem hat der Schakal auch daheim Probleme. Seine Frau, gespielt von Ursula Corbreró, kommt seinem Treiben nämlich langsam auf die Schliche. Corbreró kennt man auch als Tokio in der Serie "Haus des Geldes".
Wie „The Day of the Jackal“ Geheimdienst und Militär zerlegt
Anders als die meisten Polizei- oder Geheimdienst-Produktionen dieser Art verherrlicht "The Day of the Jackal" die Sicherheitsbehörden aber nicht. Wir sehen keine "Copaganda" – keine Polizei-Propaganda. Gerne werden Beamte ja als strahlende Helden und Sympathieträger inszeniert, im Tatort zum Beispiel, bei James Bond oder Brooklyn Nine-Nine. Auch "The Day of the Jackal" wirkt mit seinen Verfolgungsjagden quer durch Europa oder seinem Intro-Song zunächst wie ein Bond-Verschnitt. Aber diese Parallelen sind, so scheint es, ganz bewusst gewählt.
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Celeste - This Is Who I Am | The Day Of The Jackal | Opening Credits | Sky
Bianca statt Bond
Denn dieses Mal ist da kein Martini-schlürfender Held im Tuxedo, dieses Mal ist da Bianca. Die ständig mit Recht und Gesetz bricht – weil sie von ihren Chefs stark unter Druck gesetzt wird. Da wird zum Beispiel eine Klima-Aktivistin rücksichtslos von der Straße gerissen und in Isolationshaft sperrt – weil ihre Mutter Kontakt zum Schakal haben könnte. Und auch anderen Verdächtigen drückt Bianca schnell mal ein Kissen aufs Gesicht, um neue Informationen zu bekommen. Kritik an skrupellosen Geheimdienstmethoden, die auch in der Romanvorlage steckt. Autor Frederick Forsyth hat selbst beim MI6 gearbeitet.
Der Schakal ist die James-Bond Antithese
Und der Schakal? Ist der Anti-Bond. Ein traumatisierter Afghanistan-Kämpfer mit ganz ähnlichen Fähigkeiten wie 007. Doch weil er für das Militär morden musste, kann er nicht mehr zwischen Krieg und Alltag unterscheiden. Manchmal erinnert die Serie an die alte Geschichte der Cherokee-Indianer. Die von den zwei Wölfen, die angeblich in jedem Menschen wohnen. Der eine ist gut, steht für Frieden, Liebe und Hoffnung. Der andere böse, ein Symbol für Zorn, Lügen und Eifersucht. Welcher Wolf gewinnt, so geht die Legende, hängt ganz davon ab, welcher gefüttert wird.
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The Day of the Jackal | Offizieller Teaser | Sky & WOW
Strukturkritik statt ACAB
Die Strukturen in "The Day of the Jackal" füttern vor allem die bösen Wölfe. Sie belohnen das Morden, bejubeln Ermittlungsarbeiten, auch wenn sie über Leichen gegangen sind. Ja, irgendwo könnten da auch gute Cops, gute Geheimagenten, gute Soldaten sein. Auch der Schakal und Bianca hätten das Zeug dazu. Aber nicht in diesem System. Eine Kritik, die mehr ist als "All Cops are berufsunfähig"… und gegen die kein Horst Seehofer dieser Welt Anzeige erstatten kann.
"The Day of the Jackal" mit Eddie Redmayne, Lashana Lynch und Ursula Corbreró kann man derzeit bei Wow und Sky streamen.