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Der Stallwieshof im Martelltal Südtiroler Bergbauernhöfe zwischen Tradition und Moderne

Im Martelltal liegt auf fast 2000 Metern Meereshöhe am Fuße der Orgelspitze der Stallwieshof. In bereits 9.Generation wird er von der Familie Stricker bewirtschaftet – als Bergbauernhof und Berggasthaus. Noch immer wird auf dem Stallwieshof Roggen angebaut, weshalb er als höchstgelegener Kornhof Europas gilt. Schmuckstück ist die original erhaltene und immer noch funktionierende Kornmühle aus dem 16. Jahrhundert.

Von: Andrea Zinnecker

Stand: 09.09.2017

Der Stallwieshof im Martelltal | Bild: BR; Andrea Zinnecker

Heuer aber bleibt die alte Kornmühle mit der markanten Zirbe neben dem Wasserrad still, denn in diesem Jahr wurden Kartoffeln angebaut. Erst im nächsten Jahr wird wieder Winterroggen gemahlen für die Vinschger Paarln. Mahl-Zeit ist immer im Herbst, sagt der Seniorchef vom Stallwieshof, Erwin Stricker.

Alles original erhalten und liebevoll restauriert

Früher wurde die Mühle noch von vier Bauern genutzt die im Wechsel jeweils wochenweise ihr Korn mahlen durften. Geschnitten wurde der Winterroggen meist Anfang September und auch gleich wieder ausgesät, damit ein Jahr später wieder gut geerntet werden kann. Schneearme Winter sind schlecht für den Kornanbau, weil dann viel abfriert und ausgeblasen wird. Trockenheit und ein kaltes Frühjahr sind dem Ertrag ebenfalls nicht förderlich, weil zum einen der steile Kornacker nicht bewässert werden kann und das Getreide zum anderen in der Blüte erfriert. Erwin Stricker erinnert sich noch an das eisige Frühjahr 1953. Damals musste er dann im Herbst noch Korn zukaufen, um über die Runden zu kommen.

Blick vom Stallwieshof in den Marteller Talschluss zu den Cime Venezie

Einst wurde das Getreidefeld mit zwei Kühen beackert und die Egge vom Bauern samt Kindern selbst gezogen, der beschwerliche Kornanbau Anfang der 1970er-Jahre dann aber aufgegeben und auf Grünlandwirtschaft und Fleisch-Produktion umgestellt. Doch das Herz von Erwin Stricker hängt am Roggen und an der Kornmühle aus dem 16. Jahrhundert. Er hat sie komplett restauriert. Gehackte Balken aus Lärchenholz bilden das Gebäude. Für das Mühlrad hat Erwin Stricker sogar neue Schaufeln aus Lärchenholz gebogen. Die Gerätschaften innen aber sind aus Apfelbaumholz, das besonders hart ist. Der Mahlvorgang dauert eine Stunde, fünf Mahlvorgänge sind nötig, bis das Mehl fein genug ist - eine Knochenarbeit und eine Wissenschaft für sich, denn das Korn muss eine bestimmte Feuchtigkeit und der Bauer das Gespür dafür haben. Ein halbes Ster Korn und fünf Pfund Butterschmalz mussten früher an den Pfarrer abgegeben werden. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, nach wie vor aber ist der Stallwieshof ein Selbstversorgerhof mit Grauvieh, Simmentaler Rindern, Bergschafen und einem großen Bauerngarten, indem unter andere auch viele verschiedenen Blattsalate gedeihen.

Marende

1332 wurde der Stallwieshof erstmals urkundlich erwähnt. Auch für Juniorchef Oswald Stricker ist er als Erbhof Pflicht und Passion zugleich - und die Räucherkammer sein eigentliches Steckenpferd; Speck, Kaminwurzn und Bündner Fleisch werden hier geräuchert und verfeinert. Gäste wie Einheimische schätzen die Qualität der hausgemachten Produkte und kehren hier gerne ein. Auch für das traditionelle Schöpserne von Irmgard Stricker ist der Stallwieshof weithin bekannt. Erst 1977 wurde die Zufahrtsstraße zum Stallwieshof gebaut. Davor gab es neben dem Fußweg nach Martell-Dorf nur eine kleine Materialseilbahn hinab nach Waldheim - und die hat einmal eine ganz wichtige Rolle gespielt, sagt Erwin Stricker. Als seine n Frau mit dem ältesten Sohn schwanger war, wurde zunächst die Hebamme mit der Materialseilbahn heraufgeholt. weil aber die Herztöne des Ungeborenen nicht in Ordnung waren, ging es dann mitten in der Nacht zu dritt – Hebamme und die werdenden Eltern – wieder per Seilbahn hinab ins Tal und mit dem unten geparkten Fiat Cinquecento ins Krankenhaus nach Schlanders. Die Geburt verlief dann schnell und gut und das Neugeborene wurde ebenfalls mit der Materialseilbahn auf den Hof gebracht.

Die Einkehr lockt

Das Berggasthaus Stallwieshof ist täglich geöffnet, man kann hier auch übernachten. Genaue Informationen gibt es unter www.stallwieshof.com

Karte: Der Stallwieshof

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Karte: Der Stallwieshof


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