Der Marchegghof im Schnalstal Südtiroler Bergbauernhöfe zwischen Tradition und Moderne
Tirol, Ende des 19. Jahrhunderts: Ein junger Amerikaner kehrt in die Heimat seiner Eltern zurück, in ein abgelegenes Bergbauerndorf, um hier den Tod seines Vaters und die Vergewaltigung seiner Mutter zu rächen. „Das finstere Tal“ heißt dieser Alpenwestern mit Sam Riley und Tobias Moretti in den Hauptrollen. Gedreht wurde er im Winter 2013, und zwar auf dem Marchegg-Hof bei Kurzras im Schnalstal.
Finster ist nur die Psychologie des Alpenwesterns, nicht der Drehort, liegt der Marchegghof doch sonnseitig in einem welligen Wiesengelände auf rund 1800 Metern Höhe mit Blick zur Schwemser Spitze, zur Weißkugel und zur Steinschlagspitze. Der Hofschank ist eine richtige „Weiberwirtschaft“, denn zusammen mit ihren beiden Töchtern schwingt hier Helene Hauser das Zepter in Haus und Küche, während sich ihr Mann Markus um die Landwirtschaft kümmert.
Von der Schnalstaler Straße aus ist das Hof-Ensemble mit den dunkel gegerbten Schindelfassaden gut zu sehen – und er fiel auch Regisseur Andreas Prohaska ins Auge als idealer Drehort für den Film. Die Zusage aber haben sich die Hausers lange und gut überlegt, war ihnen doch schnell klar, dass dann kein normaler Alltag auf dem Hof möglich sein würde. Und so war es dann auch: Im Oktober wurde aufgebaut, im Winter gedreht, danach abgebaut und in der Summe waren es fast sechs Monate, in denen nichts war wie sonst. Die Gaststube war Aufenthaltsraum für die Filmcrew, die Gästezimmer wurden zu Rückzugsräumen für die Darsteller und die Begegnungen mit ihnen zu bleibenden Erinnerungen: die ausgesuchte Höflichkeit und Freundlichkeit eines Sam Riley ebenso wie die stille Freude von Tobias Moretti, als er bei Helene Hauser in der Küche Knödelsuppe aß. Und als einmal beim Dreh das Wetter nicht mitspielte, verpflichtete Moretti kurzerhand Markus Hauser als Vierten im Bunde zum Kartenspielen.
Nicht ganz so lustig war, dass alle Balkonbrüstungen sowie Weide- und Gartenzäune abgebaut werden mussten, obwohl sie alle erst neugemacht worden waren. Dafür durften dann viele Kulissen länger stehen bleiben, wie zum Beispiel der Glockenturm. Noch immer schmunzelt Helene Hauser über die „dufte“ Konstellation, dass der Kulissen-Eingang zum Krämerladen und zur Gastwirtschaft direkt neben der Mistlege des Hof war - authentisches Flair eben. Anstrengend waren die vielen Nacht-Drehs, die oft bis zwei, drei Uhr nachts dauerten. Im Wechsel blieben die Familienmitglieder auf, und wenn die Schauspieler nach getaner Arbeit dann schlafen konnten, gingen sie in den Stall zum Melken der Kühe. Trotzdem – die Hausers haben es nicht bereut, auf ihrem Hof „Das finstere Tal“ drehen zu lassen, und die Filmpremiere in Bozen sehr genossen. Den eigenen Hof dann so groß auf der Leinwand zu sehen, das hat, so resümiert Helene nicht ohne berechtigten Stolz, erst so richtig ins Bewusstsein gebracht, welchen Schatz sie mit diesem Hof besitzen.
Der Marchegghof stammt aus dem 13. Jahrhundert. Der älteste noch original erhaltene Teil ist der Pfostenspeicher aus der Zeit um 1610. Im Gegensatz zu den üblichen vier Pfosten weist er gleich neun schlanke Pfosten auf, die Mäusen, Ungeziefer und anderen Schädlingen ein Eindringen in den Kornspeicher unmöglich machten. Die schmalen Luftschleusen sind kurioserweise mit Teilen einer alten Ritterrüstung verschlossen – und das ist nicht genug der Marginalien: Oben im Pfostenspeicher befindet sich eine getäfelte Stube mit einem spätgotischen Spruchband, in der einst vermutlich Tagelöhner untergebracht wurden.
Heute helfen die beiden Töchter Angelika und Veronika tatkräftig mit am Marchegghof. Eine von ihnen wird auch ganz sicher den Hof übernehmen und in die Zukunft führen. Zum Erhalt dieses jahrhundertealten Erbhofs tragen aber auch die vielen Stammgäste bei, die hier nicht nur wegen des berühmten Films Urlaub machen und im Hofschank die hausgemachten Kuchen und die hofeigenen Produkte von der Kaminwurzn bis zum Speck genießen. In den original erhaltenen Zirbenholz-Zimmern wohnen die Gäste schön und komfortabel. Mehr Informationen gibt es unter www.marchegghof.com
Zuletzt noch ein ergänzender Buchtipp: Unter dem Titel „Landluft – Bergbäuerinnen im Porträt“ stellen die beiden Schweizer Autoren Daniela Schwegler und Stephan Bösch 12 Frauen und deren Leben auf abgelegenen Höfen vor. Die Bergbäuerinnen im Alter zwischen 18 und 86 erzählen von ihren erfüllten oder geplatzten Träumen und davon, wie man auf dem Hof eine Familie über Wasser hält. Das Buch ist im Juli im Rotpunktverlag erschienen und kostet 32 Euro (ISBN 978-3-85869-752-3).
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Karte: Der Marchegghof