Der Finailhof im Schnalstal Südtiroler Bergbauernhof zwischen Tradition und Moderne
Schnalser Nudeldruck, Schneemilch und Friedls Essbesteck – all das gibt es auf dem Finailhof im Schnalstal. Bis 1967 war der Finailhof der höchstgelegene Kornhof Europas – bis heute ist er einer der ältesten und interessantesten Südtiroler Bergbauernhöfe.
Hoch über Vernagt schmiegt er sich in fast 2000 Metern Höhe sonnseitig an einen steilen Wiesenfleck am Abhang der Drei-Wärter-Spitze. Ein lärchen-bestandener Bergkegel über dem Hof bietet Schutz vor Muren und Lawinen. Der Finailhof ist ein Zwillingshof, das heißt, zwei gleiche Höfe liegen nebeneinander mit Ställen, Mühle und Wirtschaftsgebäuden, alles aber Eigentum einer einzigen Familie.
An klaren Tagen schweift der Blick vom schmalen Söller des Haupthauses das Schnalstal hinaus bis zum Latemar. Direkt unter den Geranien der Balkonbrüstung leuchtet tief unten das Türkis des Vernagt-Stausees. Links und rechts überziehen windgepresste Lärchen wie eine zweite Haut die Berghänge. Finail, finis, finale - es ist der letzte Hof über dem Talgrund in absoluter Steillage, knapp 600 Hektar groß, mit Weideflächen für Schafe und Ziegen bis zum Finailjoch, bis zur Dreitausendmeter- Marke hinauf. Manfred Gurschler, der heutige Finailbauer, versucht den Hof nachhaltig in die Zukunft zu führen. 1978 hat sein Vater die Straße zum Hof herauf gebaut, der Hofschank und ein paar einfache Gästezimmer kamen dazu. Der Anbau von Winterroggen war schon 1967 aufgegeben worden, weil das Getreide billiger aus dem Ausland importiert wurde und zudem die Knechte den Bauern regelrecht weggelaufen sind, spätestens dann, als in Kurzras mit dem Bau der Schnalstaler Gletscherbahn neue Arbeitsplätze angeboten wurden.
An die Stelle des Kornanbaus ist auf dem Fiailhof die Weidewirtschaft getreten: Tiroler Grauvieh, Pseirer Ziegen und Schnalser Schafe. Manfred Gurschler hat dabei weit über den Zaun hinausgeblickt und sich eine Auszeit in Neuseeland gegönnt, bevor er den Hof übernahm. Weltoffen zu sein und etwas erlebt zu haben, das ist wichtig, auch für seine Kinder, betont er.
Das älteste Dokument zum Finailhof stammt aus dem Jahr 1190. Berühmt aber wurde das Gehöft im 15. Jahrhundert, als Herzog Friedl mit der leeren Tasche hier Unterschlupf fand, erzählt Veronika Gurschler. 1416 musste der Herzog vom Konstanzer Konzil fliehen. Über Vorarlberg und durch das Ötztal führte sein Weg zunächst ins Rofental bei Vent und dann hinüber ins Schnalstal. Zum Dank für die mehrmonatige Aufnahme am Hof hinterließ der Herzog dem Finailbauern sein Essbesteck und seinen Trinkbecher. Beides wird noch heute zusammen mit alten Dokumenten in einer Vitrine im Flur aufbewahrt und den Gästen gezeigt.
Herzog Friedls genaue Fluchtroute aus dem Ötztal ins Schnalstal ist nicht bekannt, Manfred Gurschler aber vermutet, dass er nicht über das Hochjoch oder Niederjoch, sondern über das versteckt liegende und damals wenig bekannte Finailjoch geflüchtet ist, weshalb er dann nach dem Abstieg durch das Finailtal auch direkt zum Finailhof kam.
Auf dem Finailhof lässt es sich im Hofschank zünftig einkehren. Die Fleischprodukte stammen vom Hof und werden traditionell auf dem Holzherd zubereitet, Braten, Gulasch, Schöpserne und vieles mehr. Und heute noch gibt es ab und zu die Schnalser Schneemilch, früher ausschließlich eine Festtagsspeise. Für die Schneemilch wird Weißbrot – früher war es das am Hof gebackene Roggenbrot – gewürfelt und mit Zuckerwasser und Zitronensaft übergossen. Dann kommen Rosinen, Korinthen und Pinienkerne dazu, und zuletzt wird das Ganze mit Sahne und Zimt abgeschmeckt. Eine Besonderheit ist auch die „die Schnalser Nudeldruck“, ein Gerät für ein nahrhaftes Gericht, das es vor allem im Winter gab. Das Original für die Zubereitung steht in der Jägerstube und wird nach wie vor benutzt. Aus Roggenmehl, Quark und Salz wird ein Nudelteig zubereitet, der Teig dann in die Nudeldruckmaschine eingefüllt und durch eine Schablone gepresst. Heraus kommen spaghetti-artige Nudeln, die dann in Butterschmalz gedünstet und traditionell mit gedünsteten Karotten gegessen werden.
Tradition und Moderne - am Finailhof versuchen die Gurschlers beidem gerecht zu werden, eine Lebensaufgabe wie sie sagen, und doch um so viel besser als noch vor einem halben Jahrhundert. Da gab es schlimme Jahre und die Zeiten waren alles andere als romantisch und rosig. Davon können Serafin und Johanna Gurschler, die Eltern des heutigen Finailbauern, erzählen, wie in unserem Audio zu hören ist.
1971 gab es in Südtirol rund 5000 abgelegene Bergbauernhöfe, die nur zu Fuß oder mit abenteuerlichen Seilbahnen zu erreichen waren. An die 20.000 Menschen lebten auf diesen Höfen noch fast wie im Mittelalter. Einige dieser Höfe hat damals der Journalist und Ethnologe Aldo Gorfer besucht und dokumentiert. „Die Erben der Einsamkeit“ heißt sein Buch, das 1973 erschienen ist und in eine andere Welt führt. Auch das Leben und die Arbeitsbedingungen auf dem Finailhof sind darin beschrieben – und das damalige Jungbauernpaar Serafin und Johanna Gurschler. Hier ist nachzulesen, wie unvorstellbar hart das Leben auf Südtiroler Bergbauernhöfen noch in den 1970er-Jahren war. „Die Erben der Einsamkeit“ von Aldo Gorfer sind 2003 in Neuauflage im Tappeiner Verlag erschienen (ISBN 978-88-7073-339-6, 19.90 Euro).
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Karte: Der Finailhof im Schnalstal