Der Oberniederhof in Unser Frau Südtiroler Bergbauernhöfe zwischen Tradition und Moderne
Sie sind archaisch, anmutig und meist sehr hoch- und abgelegen – alte Bergbauernhöfe in Südtirol. In unserer Bayern-2-Rucksackradio-Sommerserie stellen wir Ihnen ein paar ausgewählte Bergbauernhöfe zwischen dem Vinschgau und dem Pustertal, zwischen dem Brenner und Bozen vor.
Besonders traditionsreiche und hochgelegene Höfe gibt es nicht nur im Passiertal und im Ultental, sondern auch im Schnalstal. Weil dort das System der „geschlossenen Höfe“ bis heute funktioniert, der Hof also immer nur an einen Nachkommen, meistens den erstgeborenen Sohn, weitergegeben und somit nicht aufgeteilt wird, haben sich im Schnalstal sehr viele alte Höfe erhalten. „Südtiroler Bergbauernhöfe zwischen Tradition und Moderne“ – zum Auftakt unserer Serie stellen wir Ihnen den Oberniederhof in Unser Frau in Schnals vor.
Nicht jeder Südtiroler Bergbauernhof hat seine eigene Musik – der Oberniederhof schon, denn der italienische Komponist Rino Capitanata war so begeistert von dem mittelalterlichen Hofensemble, dass er die Ausstrahlung des Oberniederhofs in Musik umgesetzt hat. Mit seiner über 700jährigen Geschichte gehört er zu den ältesten Höfen im Schnalstal, erzählt die Bergbäuerin Petra Tappeiner. 1290 wurde der Hof erstmals urkundlich erwähnt, und weil er auch Gerichtsstätte war, sind bis heute alle Dokumente lückenlos vorhanden. Kern des Oberniederhofs ist ein freistehender quadratischer Mauerkörper, eine Art Turm, um den herum im Laufe der Jahrhunderte an- und zugebaut wurde, so dass sich heute im alten Haus des Hofensembles 20 Zimmer, drei Gewölbeküchen und drei Zirbenholzstuben befinden. Einige Bereiche werden als denkmalgeschützte Ferienwohnungen vermietet, zum Beispiel die „Ferienwohnung 1290“. Die Gäste, die sich hier einmieten, haben in der Regel, sagt Petra Tappeiner, den nötigen Respekt vor dem Alten, das entsprechende Gespür für das Historische, zumal die Ferienwohnungen auch nicht ganz billig sind.
Zu den architektonischen Besonderheiten zählt nicht nur der über 500 Jahre alte und 19 Meter lange Scheunenbalken aus einem Stück, sondern auch die originale Holztreppe im alten Haus sowie das gotische Gerichtsfenster. Im Niederhof, wie er im Mittelalter hieß, befand sich eine Stätte der niederen Gerichtsbarkeit und der Hoferbe, der erstgeborene Sohn, musste - ob er wollte oder nicht - nicht nur Bergbauer, sondern auch Richter sein. In den mittlerweile über 700 Jahren seines Bestehens ist das gesamte Hofensemble von Feuer, Überschwemmungen, Muren und Lawinen verschont geblieben – was für ein Glück!
Glück hatte auch Petra Tappeiner, dass sie als neue Bäuerin des Oberniederhofs akzeptiert wurde, denn sie stammt nicht aus Südtirol, sondern aus Berlin. Im Schnalstal hat sie eine neue Bergheimat gefunden, auch wenn es anfangs nicht einfach war sich zu behaupten. Aber sie ist jemand, der zupackt und arbeiten kann und hat deshalb auch bei ihrem Schwiegervater Josef Tappeiner einen Sten im Brett. Der 83-Jährige hilft nach wie vor auf dem Hof mit, macht Heu oder erneuert die Lärchenholzschindeln auf den Dächern. 1967 hatte Josef Tappeiner den Oberniederhof übernommen. Damals gab es schon Strom auf dem Hof, aber noch keine Maschinen, dafür Dienstboten: drei Knechte, zwei Mägde und noch ein Helfer im Stall.
Heute bewirtschaften Petra und Johann Tappeiner zusammen mit ihrem Sohn den Hof zu dritt. Der Sohn ist gelernter Zimmermann, wird aber in wenigen Jahren seinen Job an den Nagel hängen und den Hof übernehmen: 10 Hektar, 25 Stück Milch- und Jungvieh und dazu ein paar alte authentische Tierrassen wie das schwarzbraune Bergschaf, das Schwäbisch-Hällische Landschwein, Vorwerkhühner und Deutsche Sperber - alte Hühnerrassen, die noch wissen, schmunzelt Petra Tappeiner, wie das Brüten im Freien geht. Das Motto lautet: Erhalten durch Essen. Die Produkte vom Speck über Kaminwurzn bis zum Käse gibt es im Hofladen – und den wissen viele zu schätzen, zumal der Oberniederhof auch einer der ersten Biobauernhöfe überhaupt in Südtirol war.
Zwar liegt der Oberniederhof in der Talsohle des Schnalstals, aber dennoch 1500 Meter hoch. Hinter ihm erhebt sich wie eine Schutzmantelmadonna die Wallfahrtskirche Unser Frau in Schnals. Den Hof in die Zukunft zu führen, ist für Johann Tappeiner Stolz und Bürde zugleich. Vom Bestand allein könnte er nicht leben. Zur Überlebensstrategie gehört deshalb für die Tappeiners den Hof und sich zu öffnen – für Feriengäste ebenso wie für eine globale ökonomische und ökologische Vernetzung. Weil sie als Bergbauern nicht so einfach verreisen und die Welt kennenlernen können, holen sie die Welt mit den Feriengästen eben zu sich herein. Den Weg zwischen Tradition und Moderne zu finden, bedeutet einerseits Verzicht, andererseits aber auch einen Gewinn an Lebensqualität. Die Geschichte des Hofs sehen die Tappeiners als globales Vermächtnis, dass sie der Gesellschaft zur Verfügung stellen wollen. Schwierig wird es jetzt für die nächste Generation. Gab es früher alle 50 Jahre eine Veränderung, so findet heute alle 5 Jahre eine Umwälzung statt. Wer den Zug verpasst, hat mit seinem Bergbauernhof verloren, sagt Johann Tappeiner – und: „Man muss es nicht so machen wie wir, es gibt viele Wege, aber man muss sie beschreiten!“
Mehr Informationen gibt es unter www.oberniederhof.com Der Hofladen hat Montag bis Freitag von 10 bis 12 Uhr geöffnet, Freitagnachmittag auch von 16 bis 18 Uhr und am Samstag von 9 bis 12 Uhr. Im Hofladen gibt es auch die CD mit der eigens komponierten „Hofmusik“.
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Karte: Der Oberniederhof