Hilfe bei Herzschwäche Stoßwellentherapie belebt inaktive Herzmuskelzellen
Hoffnung für Menschen mit chronischer Herzschwäche: Forschende aus Innsbruck haben eine Stoßwellentherapie am offenen Herzen entwickelt. Diese soll inaktive Herzmuskelzellen wiederbeleben und so den Patienten wieder zu mehr Lebensqualität verhelfen.
Erich Lederer schleppt sich langsam eine Treppe hoch. Vor wenigen Jahren noch war der 66-Jährige fit und viel unterwegs, doch seit einem Herzinfarkt ist sein Herz stark geschwächt.
Stoßwellentherapie am offenen Herzen
Um Erich Lederer und anderen Menschen mit Herzmuskelschwäche zu helfen, hat ein großes Team an der Medizinischen Universität Innsbruck in jahrelanger Forschungsarbeit eine neue Methode entwickelt: Die Stoßwellentherapie am offenen Herzen während einer Bypass-Operation.
In einer klinischen Studie mit 65 Probanden hat sich gezeigt, dass sich die Pumpleistung des Herzens bei Patienten mit Herzschwäche nach Anwendung der Stoßwellentherapie dramatisch verbessert.
Stoßwellen beleben inaktive Herzmuskelzellen
Die Stoßwellentherapie kommt während einer Bypass-Operation zum Einsatz. Der speziell geformte Schallkopf wird etwa zehn Minuten lang auf das schlagende Herz angelegt.
"Pro Areal applizieren wir 300 solcher Impulse. Das stört das Herz gar nicht, man bewegt den Schallkopf ein bisschen rund herum, um alle Bereiche des schwachen oder geschwächten Areals zu erreichen."
Prof. Dr. med. Johannes Holfeld, Facharzt für Herzchirurgie, Universitätsklinik für Herzchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck
Das Wirkungsprinzip hinter den Stoßwellen erklärt der Herzchirurg so: Die Schallwellen stimulieren Herzmuskelzellen dazu, sich zu regenerieren. Denn im Randbereich des vom Herzinfarkt geschädigten und vernarbten Gewebes befinden sich Herzmuskelzellen in einer Art Winterschlaf. Die Stoßwellen sollen genau diese inaktiven Herzmuskelzellen wieder aufwecken: Sie lösen an den Zellen ein körpereigenes Reparaturprogramm aus. Das führt dazu, dass sich Bindegewebszellen in Gefäßwandzellen umwandeln und sich Blutgefäße neu bilden. Negative Nebeneffekte hat das Innsbrucker Team bisher nicht beobachtet.
Herzmuskel wird kräftiger
"Nach ein bis zwei Monaten sind die ersten spürbaren biologischen Effekte am Herzen zu sehen. Und das ist ein Prozess, der noch bis zu einem Jahr geht. Und wir wissen auch, dass er bis zu fünf Jahren stabil bleibt."
Prof. Dr. med. Michael Grimm, Facharzt für Herzchirurgie, Universitätsklinik für Herzchirurgie, Medizinische Universität Innsbruck
Laut der Studienergebnisse schlage der Herzmuskel wieder kräftiger, so werde wieder mehr sauerstoffreiches Blut durch den Körper gepumpt – die Menschen seien also wieder leistungsfähiger.
So war es auch bei Josef Bodner. Vor 1,5 Jahren hatte er nach einem Herzinfarkt und voranschreitender koronarer Herzkrankheit im Rahmen der klinischen Studie eine Bypass-Operation mitsamt Stoßwellentherapie. Heute ist der 59-Jährige zur Kontrolluntersuchung bei Prof. Holfeld. Im Ultraschall zeigt sich: "Der Herzmuskel der linken Herzkammer pumpt richtig schön. Annähernd normal, so, wie es auch ursprünglich einmal gewesen ist vor Ihrem Herzinfarkt", sagt Holfeld.
Die Pumpleistung von Josef Bodners Herzen hat sich von 35 auf 45 Prozent verbessert. Der 59-Jährige fühlt sich deswegen deutlich fitter, kann sogar wieder wandern gehen. Aber Bodner hat nach der Herz-Operation auch seinen Lebensstil und seine Ernährung komplett umgestellt.
Stoßwellen-Methode soll 2025 auf den Markt kommen
Die Innsbrucker Ärzte setzen große Hoffnungen auf ihre neue Methode und hoffen, dass ihr Stoßwellengerät spätestens Anfang 2025 zugelassen wird und auf den Markt kommt – und auch außerhalb von Innsbruck Menschen mit Herzschwäche geholfen werden kann. Denn allein in Deutschland sind bis zu vier Millionen Menschen von einer Herzschwäche betroffen.
Am Deutschen Herzzentrum in München beobachtet man die Stoßwellentherapie deshalb sehr aufmerksam.
"Diese Studie wurde natürlich an einer sehr, sehr kleinen Patientengruppe durchgeführt. Aber die Ergebnisse waren so überzeugend, dass mit dieser kleinen Studie ein Anstoß gegeben ist, das in größeren multizentrischen Studien durchzuführen, also an mehreren Krankenhäusern von verschiedenen Untersuchern. Um zu belegen, dass es diesen Effekt tatsächlich gibt."
Prof. Dr. med. Bernhard Voss, Facharzt für Herzchirurgie, Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Deutsches Herzzentrum München
Die Stoßwellentherapie sei jedenfalls vielversprechend – zumal in der Forschung schon viele Methoden ausgetestet wurden, um die Herzleistung wieder zu verbessern, sagt Voss.
"Es wurden zum Beispiel Stammzellen ins Herz injiziert, die das Herz regenerieren sollten. Es wurden Wachstumsfaktoren für die Bildung neuer Gefäße injiziert. Aber all diese Verfahren haben im Labor gut funktioniert, in der Praxis leider nicht."
Prof. Dr. med. Bernhard Voss, Facharzt für Herzchirurgie, Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Deutsches Herzzentrum München
Weiterführende Links
- Cardiac shockwave therapy in addition to coronary bypass surgery improves myocardial function in ischaemic heart failure: the CAST-HF trial [academic.oup.com]
- Universitätsklinik für Herzchirurgie [i-med.ac.at]
- Johannes Holfeld verbindet Herz-OP und Laborforschung [i-med.ac.at]
- Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie [deutsches-herzzentrum-muenchen.de]