Herzchirurgie, Herz-OP Herzchirurgie: sichere Spitzenmedizin
1967 transplantiert Christiaan Barnard das erste Herz weltweit, eine Sensation. Der Patient überlebt 18 Tage. Heute sind Herz-OPs sicher. Jeden Tag retten Chriruginnen und Chirurgen vielen Menschen das Leben. Und Methoden und Materialien entwickeln sich rasant weiter.
Dezember 1967: Christiaan Barnard transplantiert das erste Herz, eine Weltsensation. Der Patient überlebt 18 Tage. Anfang 69 gelingt einem Chirurgen-Team um Rudolf Zenker in München die erste Transplantation in Deutschland, doch der Patient stirbt am nächsten Tag.
Bruno Reicharts beginnt seine Karriere als Herzchirurg 1971. 1981 macht er seine ersten Herz-Transplantationen. Neue Medikamente und Methoden bringen den Durchbruch, die meisten Patienten leben lange, Bruno Reicharts siebter Patient, Bernd Ullrich, sogar bis heute. Er bekam sein neues Herz mit 43 Jahren transplantiert. Heute ist er 83 und mit großer Wahrscheinlichkeit der Patient, der bisher am längsten mit einem Spenderherz lebt - Weltrekord!
Herz-OPs: sicher, aber nie Routine
Herz-OPs heute sind sicher. Über 2500 jährlich werden allein im Deutschen Herzzentrum München gemacht auf internationalem Spitzenniveau. Trotzdem: Es gibt keine Routine. Rüdiger Lange hat mit seinen rund 15.000 Operationen die Herzchirurgie mitgeprägt.
"Bei uns ist immer Zeitdruck, und zwar Zeitdruck, der direkt mit dem Überleben des Patienten zu tun hat. Aber ich hätte jeden ausgelacht, wenn er mir vor 40 oder noch vor 20 Jahren erzählt hätte, was wir heute machen."
Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Herzchirurg, Deutsches Herzzentrum München
Beispiel Herzklappen: rasante Entwicklung
Heute gibt es Klappen aus unterschiedlichen, teilweise metallischen oder biologischen Materialien. Auch die Methoden, um Klappen zu implantieren, entwickeln sich rasant weiter. Noch in den 60er Jahren funktionierten Herzklappen oft mit Kugeln als Verschlüsse.
"Die ersten Herzklappen waren wahnsinnig laut, da konnten Sie fast hören, wenn einer über den Gang ging, wie schnell das Herz schlug."
Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Herzchirurg, Deutsches Herzzentrum München
Viele Herzklappen werden heute schon interventionell über die Leiste implantiert. Dazu steht, neben den Chirurgen auch ein Kardiologe mit am Tisch. Eine Entwicklung, die sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren verstärkt fortsetzen wird. Herausforderung bei diesen Implantationen ist: Das schlagende Herz würde die Klappe ausstoßen. Die Lösung klingt einfach, ist aber medizinisch eine Herausforderung.
Die Klappe kann sich entfalten, ohne ausgespült zu werden. Geschädigte natürliche oder sogar zuvor schon implantierte Herzklappen müssen dazu nicht einmal herausgenommen werden. Die neue Klappe, die in einem Drahtgeflecht sitzt, drückt die alte einfach dauerhaft zur Seite. Am offenen Herzen dauern vergleichbare Operationen drei Stunden, bei einem interventionellen Eingriff ist nach 45 Minuten schon alles vorbei.
"Und das ohne Herzlungenmaschine, ohne Brustkorberöffnung, und mit dem gleichen perfekten Resultat wie bei chirurgisch implantierten Klappen. Und Sie können auch kurz danach mit den Patienten schon wieder sprechen."
Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Herzchirurg, Deutsches Herzzentrum München
OPs am offenen Herzen: Nach wie vor Goldstandard
Doch OPs am offenen Herzen sind auch heute noch oft nötig und die einzige Möglichkeit, zu helfen. Auch bei Peter Teufel war das so. Er wurde am 5. April 2000 im Deutschen Herzzentrum in München operiert. Nach einem schweren Herzinfarkt versorgte Rüdiger Lange ihn mit drei Bypässen. Dabei werden erkrankte Herzkranzgefäße mit "neuen" Verbindungen umgangen. Das Herz wird danach wieder ausreichend mit Sauerstoff und Blut versorgt, das Überleben ist gesichert. Die OP liegt 23 Jahre zurück, seitdem hat Peter Teufel keine Beschwerden mehr.
"Das zeigt ganz deutlich, dass die Bypass-Operation, auch wenn sie als Operation ein großer Eingriff ist, sehr, sehr lange hält. Die Patienten sind in der Regel zwanzig bis dreißig Jahre beschwerdefrei und brauchen sich über ihr Herz keine Gedanken mehr zu machen."
Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Herzchirurg, Deutsches Herzzentrum München
OPs am offenen Herzen: Ärztliche Kunst, Kühlung und Herz-Lungen-Maschine
Die Bypass-Technik kam 69 aus den USA, die erste OP Deutschlands war noch im selben Jahr in Erlangen. Ermöglicht wurden Operationen am offenen Herzen durch zwei Entwicklungen: Das Herunterkühlen der Patienten und ihrer Herzen und die Herz-Lungen-Maschine. Eine der ersten steht im Depot des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt. Doch die ersten Operationen waren für die Patienten hochriskant.
"Das gute Stück ist damals für viel Geld angekauft worden für 220.000 DM von der Mayoklinik in Amerika. Und damit wurden die ersten Operationen am offenen Herzen durchgeführt. Von acht Patienten der ersten Stunde haben zwei nicht überlebt, aber bei sechs Patienten hat es geklappt und damit hat sich das Verfahren etabliert."
Prof. Dr. med. Marion Maria Ruisinger, Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt
Das Prinzip ist bis heute unverändert: Herzlungenmaschine und Kühlung erlauben den Chirurgen das Herz vom Kreislauf auszuschließen und für einige Zeit durch spezielle Verfahren "stillzulegen": Das ermöglicht die Chance, auch komplizierte Eingriffe vorzunehmen. Aber auch wenn diese Zeiten inzwischen deutlich länger sind als bei den ersten Herz-Lungen-Maschinen, gilt: Je schneller das Herz wieder funktioniert, desto besser. Denn jede Minute, die das Herz "ruht" macht es nicht gesünder. Doch der Vorteil überwiegt: Selbst hochkomplizierte und sichere Eingriffe bei Neugeborenen sind heute damit möglich.
"Ich erinnere mich noch an Zeiten, als die Sterblichkeit bei Babies und kleinen Kindern bei dreißig Prozent lag – dreißig Prozent! In Herzzentren wie dem unseren liegt sie heute unter zwei Prozent für alle Kinder, auch mit komplexen angeborenen Herzfehlern. Das ist eine immense Entwicklung!"
Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Herzchirurg, Deutsches Herzzentrum München
Ein Säuglingsherz ist etwa aprikosengroß, aber die Größe ist nicht die einzige Herausforderung für die Chirurgen.
Herz-OPs: neue Methoden
Immer wieder entstehen aus Ideen und gewonnenen Erfahrungen neue OP-Techniken, wie zum Beispiel die Ozaki Methode. Aus Teilen des körpereigenen Herzbeutels werden dabei Herzklappen rekonstruiert. Voraussetzung für den Erfolg neuer Techniken sind Optimierung und eine prozessual festgelegte Struktur der Abläufe. Um neue komplexe Methoden zu erlernen, reisen auch erfahrene Chirurgen immer wieder in andere Zentren. Außerdem wird viel zu neuen Materialien geforscht. Im Deutschen Herzzentrum beispielweise gemeinsam mit der TU München.
Perspektiven: Robotik, 3D-Druck und KI
Heute schon sorgen hochauflösende 3D-Verfahren für optimale Planung bei Eingriffen. Künstliche Intelligenz und Robotik werden besonders die Klappenchirurgie in Zukunft verändern.
"Dieses Robotersystem wird irgendwann auch selbständig die Implantation unter Aufsicht eines Arztes durchführen. Wahrscheinlich sogar präziser als der Arzt."
Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Herzchirurg, Deutsches Herzzentrum München
Doch könnten in Zukunft vielleicht 3D-Drucker Teile oder sogar ganze Herzen produzieren? Forscher, zum Beispiel in Erlangen, arbeiten daran.
Kleine schlagende Ventrikel aus rund 10 Millionen Zellen sind schon möglich. Der nächste Schritt ist, diese Ventrikel mit einem Gefäßsystem auszustatten. Die Voraussetzung dafür, dass irgendwann einmal in der Zukunft tatsächlich solche Drucke in den Körper implantiert werden könnten.
"Wir träumen natürlich davon, dass man Herzen, die man transplantieren kann, mit 3D druckt. Aber das dauert sicher noch Jahrzehnte, bis wir dort ankommen. Ein Ziel ist aber auch, an diesen Modellorganen neue Medikamente testen zu können."
Prof. Dr. rer. nat. Dipl. Ing. Felix B. Engel, Experimentelle Nieren- und Kreislaufforschung, Nephropathologie, Uniklinikum Erlangen
Eine weltweit erste Studie mit Pflastern aus gezüchteten, schlagenden Herzzellen läuft an den Universitäten Göttingen und Lübeck.
Perspektive Xenotransplantation: Schweineherzen für Menschen
Tausende Menschen weltweit warten verzweifelt auf ein Spenderherz. In Deutschland standen 2022 mehr als 700 Menschen auf der Warteliste, es wurden 2022 aber gerade einmal 358 Herzen transplantiert. Einen immer noch umstrittenen Ansatz verfolgt deshalb Bruno Reichart mit großer Leidenschaft. Sein Ziel ist, die Xenotransplantation zu etablieren. Dabei sollen in Zukunft die Herzen genveränderter Schweine in Menschen transplantiert werden. Im Tierversuch klappt das bereits.
Die Verwirklichung dieses Projekt will der Pionier der Herztransplantation noch mitgestalten, sich dann aber endgültig auch aus der Forschung zurückziehen. Viele Innovationen der Herzchirurgie kommen heute aus Europa, das gerade beim Zusammenwachsen operativer und interventioneller Methoden inzwischen eine führende Rolle einnimmt. Prof. Rüdiger Lange sieht für die Zukunft die strenge Trennung zwischen Kardiologie und Herzchirurgie verschwinden - hin zu einer gemeinsamen Herzmedizin.
Doch trotz aller technischen Fortschritte: Die ärztliche Kunst von Herzchirurginnen und –chirurgen wird auch in Zukunft noch viele Leben retten.
- Prof. Dr. med. Rüdiger Lange [deutsches-herzzentrum-muenchen.de]
- Prof. Dr. Dr. h.c. Bruno Reichart [klinikum.uni-muenchen.de]
- Prof. Dr. med. Marion Maria Ruisinger [igem.med.fau.de]
- PD Dr. med. Julie Cleuziou [deutsches-herzzentrum-muenchen.de]
- Nephropatologie, Prof. Engel, Tilman Esser [nephropathologie.uk-erlangen.de]
- Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann [uni-goettingen.de]