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Finanzen Immobilienkauf - Für wen lohnt er sich?

Die Preise für Immobilien steigen und steigen an vielen Orten Bayerns. Wer kann sich das noch leisten? Im Rahmen der ARD-Themenwoche „Stadt.Land.Wandel – Wo ist die Zukunft zu Hause“? erklärt Finanzexperte Sebastian Hanisch, für wen sich ein Immobilienkauf lohnt und wer lieber davon absehen sollte.

Stand: 03.11.2021

Hausmodell und Figuren auf Stapel Euroscheine. Foto: Karl Holzhauser (c)MEV Verlag GmbH_Aktuelles_Fotoarchiv_92 / 11.12.2013 | Bild: MEV/Karl Holzhauser

Lohnt es sich im Moment überhaupt noch, eine Immobilie zu kaufen? Sind Immobilien - vor allem in der Stadt - nicht schon viel zu teuer?

Sebastian Hanisch: "Ob sich kaufen oder mieten unterm Strich mehr lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Wer seine Traum-Immobilie kauft, um selbst darin dauerhaft zu wohnen, kauft meist nicht in erster Linie unter Renditegesichtspunkten.
Wer allerdings vermieten oder später wiederverkaufen möchte, der sollte mit spitzem Bleistift rechnen.
Besonders wichtig ist die Frage: Wie hoch ist der Kaufpreis im Vergleich zur Jahresmiete, die man erzielen kann? Früher ging man so etwa von einem Verhältnis 20:1 Kaufpreis zur Jahreskaltmiete aus. Kostete die Immobilie mehr, galt sie als teuer. Heute zahlen Käufer teils das 40- oder 50-Fache im Vergleich zur Jahresmiete, besonders im sehr teuren München.

Ob sich ein Immobilienkauf für einen persönlich rechnet, kann man zumindest in Szenarien berechnen. Dabei müssen beispielsweise Kaufpreis, Nebenkosten, Zinshöhe des Kredits, erwartete Miteinnahmen berücksichtigt werden. Das ist relativ kompliziert. Renditerechner im Internet, zum Beispiel der der Stiftung Warentest, können hier aber unterstützen.

Ein Problem ist allerdings: Die Wertentwicklung einer Immobilie ist auf einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten kaum zu prognostizieren. Neben Zins- und Inflationsentwicklungen spielt vor allem auch die lokale und regionale Situation eine Rolle. In der Vergangenheit gab es immer wieder Phasen, in denen Immobilien in manchen ländlichen Regionen Bayerns quasi überhaupt nicht verkauft werden konnten."

Wo in Bayern lohnt es sich, Immobilien zu kaufen und wo nicht?

Sebastian Hanisch: "Es gibt verschiedene Erhebungen, die die regionalen Immobilienpreise in Bayern berücksichtigen. Während in den vergangenen Jahren die Preise in den großen Städten oft stark gestiegen sind, gibt es in den ländlichen Regionen zum Beispiel im Osten Bayerns noch recht günstige Immobilien. Wie günstig eine Region ist, sagt aber noch längst nichts darüber aus, ob sich ein Immobilienkauf als Geldanlage lohnt.

Entscheidend ist zunächst das Verhältnis zwischen Kaufpreis und möglichen Mieteinnahmen und dann natürlich auch die Prognose bezüglich der Wertentwicklung. Hier spielen Faktoren wie zum Beispiel die erwartete Bevölkerungsentwicklung eine wichtige Rolle. Sie werden etwa im "Wohnatlas" der Postbank berücksichtigt. Das Ergebnis der aktuellen Postbank-Prognose: Selbst in den teuren Regionen München und Umgebung kann bis 2030 von einem weiteren Preisanstieg ausgegangen werden. Im Norden Bayerns könnten die Preise aber sogar fallen, so die Prognose. Eine Garantie sind solche Voraussagen aber natürlich nicht."

Wann sollte ich eine Wohnung oder ein Haus lieber nicht kaufen?

Sebastian Hanisch: "Im Moment berichten Makler in den Ballungsräumen von einem regelrechten Ansturm von Kaufwilligen. Manche wollen ungesehen Immobilien im Millionenbereich kaufen. Trotz dieser Situation sollten Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Schauen Sie sich die Immobilie genau an. Wer nicht sicher ist, sollte nicht kaufen, nur weil er sich unter Druck gesetzt fühlt.

Tipp:

Kalkulieren Sie die Finanzierung genau durch!

Addieren Sie Ihre Mietzahlungen und Ihre Sparquote, ziehen Sie dann alle Kosten, die Sie monatlich für die neue Immobilie haben werden (Nebenkosten, Steuern, Instandhaltung, eventuell aber auch beispielsweise höhere Mobilitätskosten) ab. Das Ergebnis entspricht etwa dem, was Sie sich als monatliche Rate leisten können. Berücksichtigen Sie aber auch anstehende Veränderungen in Ihrem Leben wie Kinderplanung oder geplante Teilzeitarbeit .
Und: Wenn Sie kein Eigenkapital haben, ist ein Kauf nicht zu empfehlen."

Wieviel Eigenkapital benötigt man für den Kauf eines Eigenheims?

Sebastian Hanisch: "Etwa 20 bis 30 Prozent Eigenkapital sollte man mindestens mitbringen. Grundsätzlich gilt: Je mehr desto besser. Die Kaufnebenkosten (wie Notar, Makler, Steuer, Grundbucheintrag) sind das absolute Minimum.
Vorsicht: Viele unterschätzen bei älteren Immobilien die Kosten für die Renovierung. Diese erhöhen den Kapitalbedarf."

Tipp:

Banken akzeptieren bis zu einem bestimmten Grad auch Eigenleistungen bei einem Neubau oder Sicherheiten (beispielsweise eine bereits abbezahlte Immobilie), wodurch der Eigenkapitalbedarf ein wenig gesenkt wird.

Warum braucht man so viel Eigenkapital?

Sebastian Hanisch: "Banken bieten deutlich bessere Zinsen an, wenn man ein höheres Eigenkapital hat, und eine Bank also zum Beispiel nicht mehr als 80 Prozent des Immobilienwertes als Kredit ausgeben muss. Der Grund: Das Risiko für die Bank, Geld zu verlieren, ist so deutlich niedriger.
Außerdem: Sollten Sie etwa durch Krankheit die Raten nicht mehr zahlen können, und es tatsächlich zu einem Verkauf der Immobilie kommen, könnten Sie mit einem Schuldenberg dasitzen, wenn der Verkaufserlös den Kredit nicht vollständig tilgen kann.
Und: Je höher das Eigenkapital und die monatlichen Raten, die Sie leisten können, desto schneller ist der Kredit getilgt. Idealerweise können Sie die derzeit sehr niedrigen Zinsen für einen langen Zeitraum (20 Jahre) festschreiben. Wenn Sie den Kredit bis dahin (fast) vollständig getilgt haben, müssen Sie auch keine Angst vor einem deutlichen Zinsanstieg haben."

Werden die Immobilienpreise wieder fallen?

Sebastian Hanisch: "Hier gibt es sehr unterschiedliche Studienergebnisse. Manche Studien gehen von einem weiteren Anstieg aus. Andere (etwa von der Deutschen Bank) gehen schon in drei Jahren davon aus, dass in einigen Städten der Wendepunkt erreicht sein könnte. München erscheint zum Beispiel immer wieder auf den vorderen Plätzen des Immobilienblasenindex der Schweizer UBS-Bank.

Ob diese Blase aber tatsächlich platzt, hängt von vielen Faktoren ab: Einer ist sicherlich die Entwicklung der Leitzinsen im Euroraum, aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ob und wann die Preise wieder fallen, oder ob sie nur stagnieren, ist daher nicht mit Sicherheit vorherzusehen.
Was man immerhin sieht: Der Anstieg der Mietpreise verlangsamt sich in einigen Städten. Aber auch das ist nur ein Indikator."

Wie hat Corona den Immobilienmarkt beeinflusst? Müsste die Stadt nicht günstiger werden, wenn einige aufs Land ziehen wollen?

Sebastian Hanisch: "Corona hat den Immobilienmarkt nur relativ kurzfristig in eine Schockstarre versetzt. In der Zwischenzeit ist der Run auf Wohnungen und Häuser wieder extrem stark.
Ein Effekt: Menschen, die Homeoffice machen, wollen Wohnungen mit genügend Platz und gerne zum Beispiel auch mit Balkon. Der Bedarf an Wohnraum steigt also dadurch tendenziell durch Corona. Aber das ist nur eine Tendenz. Es gibt hier auch immer gegenläufige Tendenzen, etwa, wenn Familien die Stadt verlassen und aufs Land ziehen, weil die Eltern künftig mehr Homeoffice machen wollen. Dass Corona die Preise also grundsätzlich in eine Richtung getrieben hat, kann man nicht allgemein sagen."

Können die Immobilienpreise vielleicht auch bald mal weder sinken, da beispielsweise Gewerbeimmobilien - auch durch die Homeoffice-Entwicklung - nicht mehr so stark gefragt sind?

Sebastian Hanisch: "Tatsächlich hat man bei Gewerbeimmobilien in Toplagen (Fußgängerzonen) teilweise während der Corona-Pandemie Preisrückgänge verzeichnet. Dass dadurch aber automatisch die Preise von Wohnimmobilien sinken, ist nicht der Fall, denn Gewerbeimmobilien können nicht so einfach als Wohnraum genutzt werden."

Mal langfristig gedacht: Wie wird sich das Wohnen der Zukunft verändern?

Sebastian Hanisch: "Die Entwicklung hängt hier meiner Überzeugung nach auch sehr vom Arbeitsmarkt ab. Wer zum Beispiel in einem sehr gesuchten IT-Beruf arbeitet, kann die Bedingungen zu einem gewissen Grad diktieren. Dazu gehört eben auch, dass man Homeoffice aushandelt. Da kenne ich auch einige Fälle. Je mehr die Digitalisierung voranschreitet, desto eher ist dezentrales Arbeiten möglich. Allerdings: Arbeit ist nur das eine. Manche Menschen wollen auch deswegen lieber in der Stadt wohnen, weil das Kulturangebot größer ist oder die Auswahl an Schulen."

Müssen wir künftig einfach eine Nummer kleiner leben? Stichwort: Tiny Houses. Kann das eine Lösung sein?

Sebastian Hanisch: "Ich glaube, dass wir alle ein wenig individueller leben werden. Der eine will unbedingt mehr Platz oder vielleicht auf einem kleinen Hof mit vielen Tieren leben, die andere will sich lieber reduzieren in Bezug auf Wohnfläche. Insofern glaube ich, wir werden nicht alle in Tiny Houses leben, aber es ist natürlich gerade unter Nachhaltigkeitsaspekten eine tolle Sache, die viele Freunde finden wird."

Viel Erfolg wünschen Ihnen Sebastian Hanisch und "Wir in Bayern"!


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