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Indizien & Behauptungen Das Hauser-Komplott

Die Kerkergeschichte von Kaspar Hauser klingt genauso unglaublich wie grausam. Bis heute ist sein Verlies nicht mit Gewissheit gefunden, die Zweifel an seinen Erzählungen sind groß. Es gibt viele Indizien aber wenig Beweise.

Stand: 30.04.2012 | Archiv |Bildnachweis

Bild von Kaspar Hauser auf einem Friedhof | Bild: picture-alliance/dpa

Wann genau Kaspar eingesperrt wird, kann er selber nicht sagen. Er gibt an, sich an eine Zeit vor dem dunklen Verlies nicht erinnern zu können. Bei seinem Auftauchen in Nürnberg schätzt man Kaspar auf fünfzehn bis siebzehn Jahre. Dem auf dem Mägdleinszettel angegebenen Geburtsdatum 30. April 1812 zufolge ist er 1828 sechzehn Jahre alt. Wo war Kaspar also vorher? Die ersten Annahmen gehen davon aus, dass Kaspar schon in frühester Kindheit in einen Kerker gesperrt wird. Eine Theorie, an der die moderne Medizin deutliche Zweifel hat.

Faktencheck: Medizinische Erklärungsversuche

Nahrung

Das Rätsel: Kaspar Hauser soll während seiner Gefangenschaft nur mit Wasser und Brot ernährt worden sein. In Nürnberg verweigert er andere Nahrung zunächst und muss sich schon von einer einfachen Suppe übergeben. Als besonders dünn oder gar abgemagert wird er aber nicht beschrieben.

Die Erklärung: Die beschriebene Wasser-und-Brot-Kur über mehrere Jahre wäre eindeutig einer Mangelernährung gleich gekommen. Nicht nur, dass Kaspar Unmengen an Brot hätte essen müssen, um auf seinen Kalorienbedarf zu kommen, er hätte auch eindeutig zu wenig Vitamine bekommen. Dr. Yurdagül Zopf, Fachärztin für innere Medizin und Leiterin des Schwerpunkts Ernährung an der Uni Erlangen, rechnet damit, dass Kaspar Hauser bei dieser Ernährungsweise schwere Blutgerinnungsstörungen und Osteoporose bekommen hätte. Er hätte unter Blutarmut gelitten und wäre sehr anfällig für Infekte gewesen. Schon nach einem halben Jahr dieser "Kur" hätte er deutlich an Gewicht verloren. Für sie ist es deshalb unglaubwürdig, dass Kaspar über Jahre nur bei Wasser und Brot in seinem Verlies dahinvegetieren hat. Dass Kaspar aber mit anderer Nahrung Probleme hatte, passt für die Ernährungsexpertin wieder ins Bild: Die Darmschleimhaut hätte unter der Mangelnahrung gelitten und besonders Fette vermutlich nicht vertragen. Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle wären eine logische Folge gewesen, bis sich der Körper wieder an die normale Kost gewöhnt hätte. Andererseits hätte der ausgezehrte Körper regelrecht nach Vitaminen und Mineralstoffen geschrien, erklärt Zopf. Ähnlich wie eine Schwangere mit Eisenmangel, hätte Hauser sich mit Heißhunger auf gesunde Nahrung stürzen müssen.

Fazit: für einen langen Zeitraum unwahrscheinlich

Geheime Unterbringung

Unter den Hauserianern kursiert deshalb inzwischen diese Variante: Bis zum Alter von drei bis vier Jahren lebt Kaspar noch bei der Familie Blochmann in Baden. Jakob Ernst Blochmann und seine Frau sollen die Eltern des sterbenden Jungen sein, gegen den Kaspar 1812 ausgetauscht wird. Dort wächst Kaspar vermutlich relativ normal auf, bis ihn den Anhängern der Prinzentheorie zufolge 1815 oder 1816 die Kinderfrau Anna Dalbonne mit nach Schloss Beuggen am Hochrhein nimmt. Sie wird Hauser-Forschern zufolge von der Entführungsanstifterin Gräfin Hochberg für die geheime Unterbringung Kaspars bezahlt. Bis dahin hält Kaspar sich also unter falscher Identität noch immer in seinem Geburtsland Baden auf.

Flaschenpost

Mögliches Indiz für diese Theorie ist Hauser-Forschern wie dem Nürnberger Juristen Ulrich Flechtner zufolge eine Flaschenpost, die ein Fischer 1816 im Rhein gefunden haben will. Darin eine Botschaft in lateinischer Sprache, in der ein Unbekannter angibt, in einem Kerker am Rhein gefangen gehalten zu werden. Unterschrieben ist das Papier mit dem Anagramm "S. HANES SPRANCIO". Eine mögliche Entschlüsselung: "Sein Sohn Caspar".

Reise nach Bayern

Schloss Pilsach - eine Station in Kaspars Leben?

Hausers weiteres Schicksal wird den Verschwörungstheoretikern zufolge dann von Bayern bestimmt: Weil die Gräfin Hochberg inzwischen hoch verschuldet ist und nicht mehr für die Bezahlung des Kindermädchens aufkommt, "verkauft" Anna Dalbonne Kaspar an Bayern. Er soll König Ludwig I. als Druckmittel dienen, um die rechtsrheinische Pfalz zurück zu bekommen. Laut Verschwörungstheorie wird Kaspar schließlich in einem Verlies in Schloss Pilsach in der Oberpfalz untergebracht.

Politischer Hintergrund:

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ändern sich die Landesgrenzen der Fürstenhäuser ständig. 1802 verliert Bayern die rechtsrheinische Pfalz an Baden. Es gibt zunächst Verträge, die besagen, dass dieses Gebiet beim Aussterben der alten Zähringerlinie an Bayern zurück fällt. Doch dann erkennt der Aachener Kongress die Badischen Grenzen an - die Rheinpfalz scheint für Bayern für immer verloren. Die Gebietsstreitigkeiten zwischen Bayern und Baden vergiften die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten. Die Erbprinzen-Anhänger glauben deshalb, dass Bayern Baden unter Umständen mit Kaspar Hauser erpressen wollte.

Auf der Spur der Pferde

Beweisstück Nummer eins für diese Theorie ist das Holzpferd, mit dem Kaspar in seinem Kerker gespielt haben will: Anfang der 1980er-Jahre entdeckt man in einem ungenutzten kleinen Zwischenraum von Schloss Pilsach in der Oberpfalz ein hölzernes Spielzeugpferd. Hauser-Anhänger erkennen darin sofort das Ross wieder, von dem Kaspar Hauser seinerzeit erzählt. 2001 schließlich entdeckt man in einem längst vergessenen Geheimverlies auf Schloss Beuggen auf einem Balken eine Kinderzeichnung. Ebenfalls von einem Pferd.







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